Polizei und Demonstranten stehen sich am Nationalfeiertag gegenüber.Bild: AFP
#UmbrellaRevolution
Angst vor Tiananmen 2.0: Wann lässt Peking in Hongkong die Panzer rollen?
Die Hongkonger Regierung will die Proteste aussitzen. Sie hofft, dass den Demonstranten der Schnauf ausgeht. Eine gewaltsame Lösung schliesst sie aus – doch das bedeutet wenig.
Die Feiern zum chinesischen Nationalfeiertag sind in Hongkong friedlich verlaufen. Obwohl die Aktivisten der «Regenschirm-Revolution» weitere Strassen blockierten und ihre Aktionen auf die Halbinsel Kowloon ausweiteten, hielt sich die Polizei im Hintergrund. Dahinter steckt eine Strategie der Stadtregierung: Keine Gewalt, aber auch keine Verhandlungen mit den Demonstranten, berichtet die «New York Times» mit Berufung auf einen hochrangigen Regierungsberater.
Verwaltungschef Leung Chun-ying und sein innerer Kreis hätten mit Unterstützung der Zentralregierung in Peking entschieden, vorerst abzuwarten und zu hoffen, dass sich die öffentliche Meinung mit der anhaltenden Behinderung des Alltagslebens gegen die Bewegung Occupy Central wenden wird. Der geforderte Rücktritt des unpopulären Leung sei kein Thema. Ein solcher Umgang mit der Krise sei nicht einfach, meinte der namentlich nicht genannte Berater, «aber wir tun unser Bestes, um sie friedlich zu lösen».
Damit spielte er auf die Befürchtung an, die Hongkonger Demokratiebewegung könnte in ein Tiananmen 2.0 münden, also eine gewaltsame Niederschlagung. «Wir können nicht den gleichen Fehler machen wie vor 25 Jahren», betonte der Insider laut «New York Times». Anlass zu entsprechenden Befürchtungen gibt es durchaus: Die chinesische Armee hat rund 6000 Mann in Hongkong stationiert. Mehrere gepanzerte Fahrzeuge sollen die Grenze überquert haben.
Die Hongkonger Proteste seien «die grösste politische Herausforderung für China seit Tiananmen 1989», schreibt die «Financial Times». Erneut sehe sich die Kommunistische Partei mit einer von Studenten geführten Bewegung für demokratische Reformen konfrontiert, die ihren Führungsanspruch in Frage stelle. Es gebe aber auch deutliche Unterschiede: In den letzten 25 Jahren sei China «ein weitaus reicheres und mächtigeres Land geworden».
Wichtig für Chinas Wirtschaft
Mit dem Aufstieg der Volksrepublik hat die wirtschaftliche Bedeutung Hongkongs abgenommen. Dennoch bleibe die Sonderverwaltungszone für die chinesische Wirtschaft von «vitaler Bedeutung», schreibt der «Economist». Das gilt zum einen für den Finanzplatz, der mit dem Hongkong-Dollar über eine eigene, frei handelbare Währung verfügt. Zwei Drittel aller ausländischen Direktinvestitionen seien letztes Jahr über Hongkong nach China geflossen. 2005 waren es erst 30 Prozent.
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Ausländische Unternehmen haben Hongkong zudem als Sprungbrett nach China gewählt, denn hier finden sie laut «Economist» etwas, das auf dem Festland nicht existiert: «Ein stabiles Investitionsumfeld, beschützt durch faire, transparente Gerichte, die nach seit langem etablierten rechtsstaatlichen Grundsätzen urteilen.» Die Chinesen machen sich dies zunutze, indem sie Hongkong als Experimentierfeld für Finanzreformen benutzen, etwa den Handel mit der eigenen Währung Yuan.
Kleinere Zugeständnisse
Peking hätte folglich alles Interesse an einem friedlichen Ende der Proteste. Das Vorhaben, diese auszusitzen, könnte gelingen, denn laut einer Umfrage haben schon vor Beginn der aktuellen Besetzungen mehr Hongkonger die Bewegung Occupy Central abgelehnt als befürwortet. Die Stadtregierung erwäge zudem mit Unterstützung Pekings kleinere Zugeständnisse, um den Demokratie-Anhängern einen gesichtswahrenden Rückzug zu ermöglichen, so die «New York Times». Allenfalls könnte die Zentralregierung immer noch Leung Chun-ying opfern.
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Falls die Proteste jedoch anhalten, wächst die Gefahr eines gewaltsamen Eingreifens. Viele Festland-Chinesen benutzen den Nationalfeiertag und den ebenfalls freien Donnerstag für einen Ausflug ins kosmopolitische Hongkong. Sie werden die Regenschirm-Revolution aus nächster Nähe miterleben. Die Pekinger Führung aber fürchtet ein Überspringen des demokratischen «Virus», denn letztlich zählt für die chinesische Regierung nur eines: Der Machterhalt der Kommunistischen Partei.
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