Gesellschaft & Politik
Ukraine

Kontakt zu Entführern, nicht zu Geiseln 

Bundespräsident Didier Burkhalter während der OSZE-Konferenz gestern in Bern.
Bundespräsident Didier Burkhalter während der OSZE-Konferenz gestern in Bern.Bild: EPA/KEYSTONE
Entführter Schweizer in der Ukraine

Kontakt zu Entführern, nicht zu Geiseln 

Um ihn nicht zu gefährden, gibt Bundespräsident Didier Burkhalter keine Details zum in der Ukraine entführten Schweizer bekannt.
11.06.2014, 04:1511.06.2014, 09:07
Antonio Fumagalli / Aargauer Zeitung
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Aargauer Zeitung

Es war das Geräusch einer Kuhglocke, das gestern Morgen den Beginn der zweitägigen Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) einläutete – so viel Lokalkolorit musste auch bei einem international besetzten Teilnehmerfeld sein. Die rund 100 Vertreter der OSZE und von internationalen Organisationen diskutierten im vornehmen Berner Hotel Schweizerhof darüber, wie die Menschenrechte in Europa gefördert werden können – und wie der Schutz derjenigen, die diese verteidigen, besser gewährleistet werden kann. 

Die Debatte ist aktueller denn je: Am 26. Mai, dem Tag nach der ukrainischen Präsidentschaftswahl, wurde ein vierköpfiges OSZE-Beobachterteam in der Nähe der Industriemetropole Donezk an einem Kontrollposten angehalten und entführt. Seither fehlt von den Beobachtern, darunter ein Schweizer Staatsbürger, jede Spur – genauso wie von einem weiteren Beobachterteam, das wenig später ebenfalls verschleppt wurde. 

«Zu Gast» bei den Separatisten 

Prorussische Separatisten erklärten in der Folge, dass die OSZE-Mitarbeiter bei ihnen «zu Gast» seien. Es gehe ihnen gut. Bestätigen lässt sich dies freilich nicht. Gemäss Aussage einer OSZE-Sprecherin weiss die Organisation nichts über den Aufenthaltsort der Geiseln. Auch Bundespräsident und OSZE-Vorsitzender Didier Burkhalter hatte am Rande der Konferenz keine Good News zu vermelden: «Wir tun alles, was in unserer Macht steht, damit die Geiseln freikommen», sagte er. Was das genau bedeutet, wollte Burkhalter nicht erläutern. Nur so viel: Man sei «in Kontakt mit den Leuten, die die Geiseln halten». 

Um wen es sich beim entführten Schweizer handelt, weiss die Öffentlichkeit nicht – und das soll weiterhin so bleiben. Aus «Rücksicht auf seine Sicherheit» gibt Burkhalter bewusst keinen Namen preis. «Das machen wir erst, wenn er frei ist», sagt er. 

Göldis E-Mails aus der Botschaft 

Das war nicht immer so: Als der damalige libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi ab 2008 die beiden Schweizer Staatsbürger Max Göldi und Rachid Hamdani unter einem Vorwand an der Ausreise hinderte, war ihre Identität bekannt. Es ging sogar so weit, dass sich Göldi aus der Schweizer Botschaft, wo er festsass, in E-Mails an die Presse wandte und darin auch Kritik am Schweizer Aussendepartement (EDA) übte. 

So eine Situation will man beim EDA nun offenbar verhindern. Verständlich, finden mehrere befragte Aussenpolitiker. «Solange eine Geisel Geisel ist, sollte man zu Hause besser nicht darüber diskutieren – das beherzigen beispielsweise die Amerikaner schon seit langem», sagt der Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross, der kürzlich als Wahlbeobachter in die Ukraine reiste. 

Für die Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala ist der Fall Göldi «aus heutiger Sicht ein gutes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Diskretion ist in einem solchen Fall das A und O.» Je mehr Aufmerksamkeit die Entführer erhielten, desto mehr diene dies ihren Zielen, so Fiala. 

Kein Abbruch der OSZE-Mission 

Auch wenn dazu offiziell nichts gesagt wird: Es ist davon auszugehen, dass im Hintergrund die Drähte heiss laufen, um die festgehaltenen OSZE-Mitarbeiter zu befreien. Denkbar ist beispielsweise, dass die Schweiz die russische Regierung um diplomatische Hilfe bittet – sie kann am ehesten Einfluss auf die Separatisten in der Ostukraine ausüben. 

OSZE-Vorsitzender Burkhalter lässt sich dazu nicht in die Karten schauen. Klar ist einzig, dass die Geiseln ohne Bedingungen freikommen sollen – und dass die jüngsten Fälle für ihn nicht die OSZE-Mission als Ganzes infrage stellen: «Wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Daran halten wir nach wie vor fest», so Burkhalter. 

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