Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat vor dem Schwurgericht des deutschen Landgerichts Neubrandenburg Anklage gegen einen Rentner erhoben, der als SS-Unterscharführer im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau eingesetzt war.
Dem Rentner wird Beihilfe zum Mord in mindestens 3681 Fällen vorgeworfen. Er war den Ermittlern zufolge vom 15. August bis 14. September 1944 als SS-Unterscharführer in die SS-Sanitätsdienststaffel Auschwitz-Birkenau abkommandiert. In diesem Zeitraum seien mindestens 3681 Menschen unmittelbar nach ihrer Ankunft vergast worden.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann vom Massenmord in Auschwitz wusste und diesen unterstützte, indem er als Sanitäter half, die SS-Truppen einsatzfähig zu halten. Der Angeklagte habe unmittelbar an jenem Weg gearbeitet, den Häftlinge zu den Gaskammern nehmen mussten. Den Ermittlern zufolge konnte ihm nicht entgangen sein, dass die Krematorien unentwegt rauchten und Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft lag. Die Staatsanwaltschaft fand aber keine Hinweise darauf, dass der Mann an der Selektion von Häftlingen oder an Tötungen beteiligt war.
«Unterstützend eingefügt und am Vernichtungsgeschehen mitgewirkt»
Der SS-Sanitäter habe sich aber «in die Lagerorganisation unterstützend eingefügt und damit funktionell an dem einheitlichen Vernichtungsgeschehen mitgewirkt», teilte die Anklagebehörde mit. Oberstaatsanwalt Hans Förster betonte, der Beschuldigte müsse für eine Anklage nicht unmittelbar in das Tötungsgeschehen eingebunden gewesen sein.
Der Beschuldigte war den Angaben zufolge 1940 in die Waffen-SS eingetreten und hatte in den Konzentrationslagern Dachau und Neuengamme gearbeitet. 1948 wurde er von einem polnischen Gericht wegen seiner SS-Mitgliedschaft zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Danach kehrte er in seine Heimat zurück und arbeitete bis zur Rente in der Landwirtschaft.
Hinweise auf die Vergangenheit des heute 94-Jährigen als SS-Sanitäter in Auschwitz-Birkenau bekam die Staatsanwaltschaft von der Zentralstelle für die Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts in Ludwigsburg (Baden-Württemberg). Infolge ihrer Vorermittlungen wurden in jüngerer Zeit mehrere Fälle zur Anklage gebracht.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte kürzlich einen 93 Jahre alten ehemaligen SS-Mann aus Lage im Kreis Lippe wegen Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Auschwitz angeklagt. Die Staatsanwaltschaft Hannover erhob Anklage gegen einen 93-jährigen ehemaligen Freiwilligen der Waffen-SS wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300'000 Fällen. Er soll 1944 im Vernichtungslager Auschwitz zurückgelassenes Gepäck angekommener Häftlinge weggeschafft haben.
(ala/dpa)