Plötzlich ging es ganz schnell. Kaum standen die Taliban vor den Toren Kabuls, hatten sie die Hauptstadt auch schon eingenommen. Der Widerstand war zusammengebrochen, die militant-islamistischen Kämpfer konnten, ohne einen Schuss abzufeuern, die Stadt unter ihre Kontrolle bringen.
Für diejenigen, die aus Kabul flüchten wollten, blieb nicht viel Zeit. Nur mit dem Wichtigsten bepackt, ging es so schnell wie möglich zum Flughafen. Dies hat zur Folge, dass die Taliban nun in den verlassenen Botschafts-Gebäuden und den Villen der Stadt auf unerwartete Schätze stossen. Nur können sie nicht in jedem Fall etwas damit anfangen – etwa mit dem üppigen Alkoholvorrat in der tschechischen Botschaft.
Auf einem Video ist zu sehen, wie die Taliban die Schnapsflaschen und Bierdosen genauestens begutachten. Dazu muss man wissen: Unter den Taliban ist das Trinken von Alkohol strengstens verboten.
2/2 Taliban says they have discovered alcoholic drinks storage room in Salahuddin Rabbani’s house in Kabul. pic.twitter.com/vxFz5enEM9
— Pamir News (@PamirNews) September 13, 2021
Dennoch versuchten die Taliban auch aus dem hochprozentigen Fund das Maximum herauszuholen. Sie behaupteten, der Alkoholvorrat stamme aus Salahuddin Rabbanis Haus, um diesen zu diskreditieren. Rabbani war der ehemalige Aussenminister Afghanistans und war während der Eroberung der Taliban ausser Landes nach Pakistan geflohen.
Rabbani dementierte das Gerücht jedoch schnell: «Es ist nicht mein Haus, sondern die tschechische Botschaft. Es ist Propaganda gegen mich», sagte er.
Tatsächlich sollte Rabbani recht behalten. Das tschechische Aussenministerium bestätigte gegenüber tschechischen Medien, dass es sich um Räumlichkeiten der Botschaft handle.
Ob die Taliban tatsächlich zum ersten Mal in ihrem Leben Alkohol begegnet sind, bleibt offen. Dem Drogenschmuggel sind sie zumindest nicht abgeneigt. Pro Jahr verdienen sie damit drei Milliarden US-Dollar, wie Foreign Policy diesen Sommer berichtete.
Wie auf einem weiteren Video zu sehen ist, reagiert ein Taliban durchaus verwirrt, als er im Haus eines Warlords Weingläser in der Hand hält. «Sehen Sie diese Gläser, sie sind sehr komisch», sagt der Kämpfer gemäss Übersetzung der «New York Times».
Taliban giving a tour of warlord Dostum's former house and not knowing what wine glasses are pic.twitter.com/CN5ugeCQcA
— آرش (@thekarami) September 10, 2021
Auch in der norwegischen Botschaft stiessen die Taliban auf Alkohol, welcher umgehend vernichtet wurde. «Wein-Flaschen werden zerschmettert und Kinderbücher zerstört», schrieb Sigvald Hauge, der norwegische Botschafter im Iran auf Twitter.
Taliban has now taken over the Norwegian Embassy in Kabul. Say they will return it to us later. But first wine bottles are to be smashed and childrens’ books destroyed. Guns apparently less dangerous. Foto: Aftenposten, Norway pic.twitter.com/0zWmJXmQeX
— Ambassador Sigvald Hauge (@NorwayAmbIran) September 8, 2021
Zerstört wurden indes nicht nur Bücher und Weinflaschen, sondern auch DVDs für Kinder.
Picking up where they left off 20 years ago, armed Taliban fighters occupied the Norwegian embassy in Kabul and destroyed wine bottles, Christmas music, and children’s DVDs, including the film “Kurt becomes cruel”. Photos by @Afshin_Ismaeli https://t.co/ZHpyvOsVEQ pic.twitter.com/869Ej6hdhm
— Karim Sadjadpour (@ksadjadpour) September 8, 2021
«Waffen sind offenbar weniger gefährlich», merkte Sigvald Hauge zynisch an. (cma)
Die Taliban Logik ist relativ einfach:
Wein und Bier? Darf ich nicht trinken. Weg damit!
Bücher? Kann ich nicht lesen. Weg damit!
Musik? Versteh ich nicht. Weg damit!
Gott sei dank wurden die Kinderbücher vernichtet und damit die Gefahr gebannt! Das afghanische Volk hat schon genug durchgemacht!