Der Appetit kommt offenbar mit dem Essen. Erst kürzlich hatte sich US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien von den militärischen Abenteuern seiner Vorgänger im Nahen und Mittleren Osten deutlich distanziert. In der Nacht auf Sonntag tat er es ihnen gleich, indem er die Bombardierung der iranischen Atomanlagen anordnete.
Der vermeintlich kolossale Erfolg scheint den selbstverliebten Trump angestachelt zu haben. Auf Truth Social dachte er über einen Regimewechsel im Iran nach, obwohl dies «politisch nicht korrekt» sei. Die Einschränkung kommt nicht von ungefähr: «Regime Change» ist ein Begriff, auf den viele Amerikaner – nicht nur MAGA-Anhänger – allergisch reagieren.
Sie haben allen Grund dazu. Die militärisch erzwungenen Regimewechsel in Afghanistan, Irak und Libyen führten ins Desaster. Sie verfehlten nicht nur ihr Ziel. Das weitgehend misslungene «Nation Building» in Afghanistan und Irak verursachte Kosten in Billionenhöhe. Die meisten Amerikaner sind überzeugt, dieses Geld wäre besser im Inland verwendet worden.
Trump sollte vor allem das Schicksal der beiden Bush-Präsidenten eine Warnung sein. George H.W. Bush und sein Sohn George W. Bush hatten bei den US-Interventionen eine führende Rolle gespielt. Es ist ihnen nicht gut bekommen:
Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte sich mit dem achtjährigen Krieg gegen Iran von 1980 bis 1988 komplett verzockt. Dennoch liess sich der Tyrann im August 1990 auf ein neues Abenteuer ein: Er überfiel das benachbarte Emirat Kuwait. US-Präsident George Bush trommelte eine internationale Koalition zusammen, um Kuwait zu befreien.
Die Befürworter eines Militäreinsatzes schreckten dabei vor dem nicht zurück, was man heute Fake News nennt. Dazu gehörte die Lüge, dass irakische Soldaten nach der Invasion kuwaitische Babys aus Brutkästen gerissen hätten. Es war die Erfindung einer PR-Agentur, mit der die skeptische US-Bevölkerung von der Intervention überzeugt werden sollte.
Militärisch war sie ein voller Erfolg. Die Iraker wurden aus Kuwait vertrieben. Allerdings zündeten sie bei ihrem Abzug die Ölquellen an. Vor einem Marsch nach Bagdad und dem Sturz Saddam Husseins schreckte Präsident Bush zurück. Dennoch bescherte ihm der siegreiche Feldzug ein Popularitätshoch. Nur eineinhalb Jahre später wurde Bush abgewählt.
Denn schon bald holten ihn innenpolitische Probleme ein, vor allem eine Rezession. Und mit dem texanischen Milliardär Ross Perot trat ein unabhängiger Kandidat auf den Plan. Er war eine Art Trump vor Trump, ohne dessen Appeal. Bei der Wahl 1992 wurde der Demokrat Bill Clinton zum lachenden Dritten. George H.W. Bush musste nach nur einer Amtszeit abtreten.
Acht Jahre später siegte sein Sohn George W. Bush in einer umstrittenen Wahl gegen Clintons Vize Al Gore. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt ereigneten sich die Terroranschläge vom 11. September 2001. Bush ordnete die Invasion Afghanistans an, wo sich Terror-Mastermind Osama bin Laden unter dem Schutz des Taliban-Regimes versteckte.
Die Steinzeit-Islamisten wurden verjagt. Bin Laden allerdings gelang die Flucht nach Pakistan, wo er zehn Jahre später auf Anweisung von Präsident Barack Obama «liquidiert» wurde. Statt sich auf den anspruchsvollen Wiederaufbau Afghanistans zu konzentrieren, kam die Bush-Regierung auf die glorreiche Idee, den Irak anzugreifen.
Als Begründung dienten gleich zwei Lügen: Saddam Hussein bedrohe die Welt mit Massenvernichtungswaffen, und er sei in die 9/11-Anschläge verwickelt gewesen. Beides war komplett unwahr, dennoch kam es 2003 zum Einmarsch. Präsident Bush hatte auch persönliche Motive: Er wollte nachholen, was sein Vater 1991 versäumt hatte.
Militärisch lief erneut alles nach Plan. Saddam wurde gestürzt, aus einem Loch gezogen und hingerichtet. Doch der «feuchte Traum» der US-Neocons, den Irak in eine prowestliche, proisraelische Musterdemokratie zu verwandeln, wurde zum Albtraum. Das Zweistromland versank in einer Terrorwelle, erst durch Al Kaida im Irak, dann durch den «Islamischen Staat».
Heute scheint sich die Lage im Irak einigermassen beruhigt zu haben, doch das mehrheitlich schiitische Land hat sich tendenziell in Richtung Iran bewegt, und die Menschenrechtslage hat sich verschlechtert, vor allem für Frauen und Homosexuelle. Noch schlimmer ist die Bilanz in Afghanistan, wo die Taliban vor vier Jahren erneut die Macht ergriffen.
Afghanistan und Irak haben das Image des jüngeren Bushs ruiniert. Und sein Vater musste erkennen, dass sich vermeintlicher militärischer Ruhm nicht zwingend in politische Erfolge ummünzen lässt. Dennoch wandelt Donald Trump auf den Spuren der Bush-Krieger, wenn er nach dem Motto «Make Iran Great Again» über einen Umsturz in Teheran nachdenkt.
Damit desavouiert er Vizepräsident J.D. Vance, Verteidigungsminister Pete Hegseth und Aussenminister Marco Rubio, die am Sonntag betont hatten, es gehe beim Angriff in Iran nicht um einen Regimewechsel. Sie relativieren auch den vermeintlichen Erfolg. Statt von der Zerstörung des Atomprogramms sprachen sie von «schweren Schäden».
Vielleicht reagierte Trump auf Gerüchte, wonach es innerhalb des iranischen Regimes brodelt und ein «Putsch» gegen Revolutionsführer Ali Chamenei geplant wird. Doch auch das könnte ins Auge gehen. Anders als in Saddam Husseins Irak ist das iranische Machtgefüge komplex. Aus einem internen Machtkampf könnten Hardliner als Sieger hervorgehen.
Die Amerikaner liessen sich bei ihren Interventionen in der Region zu oft von Illusionen statt von Realismus leiten. Donald Trump, der mit den «dummen» Kriegen aufhören wollte, könnte in die gleiche Falle tappen. Der isolationistische «Flügel» seiner MAGA-Basis jedenfalls ist alarmiert. Er beurteilt schon die Operation «Mitternachts-Hammer» negativ.
Nun droht eine weitere Eskalation. «Es wird immer einen iranischen Berg geben, den die Neocons bombardieren wollen», schrieb der ehemalige Abgeordnete Matt Gaetz, den Trump zum Justizminister ernennen wollte, am Sonntag auf X. Es ist eine deutliche Anspielung auf Ajatollah Chamenei, der sich in den Bergen nördlich von Teheran eingebunkert haben soll.
Vielleicht besinnt sich Donald Trump auf sein Image als «Friedenspräsident». Oder er wird tatsächlich zum neuen Bush-Krieger, obwohl ihm Senior und Junior eine Warnung sein sollten.
Nun hat er einen neuen Krieg angezettelt, mit ungewissem Ausgang.
Und ein Friedenspräsident ist er so oder so nicht. Er ist ein Spalter, auf allen Ebene. National wie international, schert sich einen Deut ums Recht und die Menschen.
Seit dem Angriff auf den Iran spricht kaum noch einer von den riesigen Protesten gegen Trump, von den Mordanschlägen auf gegnerische Politiker durch eine MAGA-Supporter, das wahnwitzige Steuerpaket, dass Trumps Zölle nur heisse Luft waren, etc.
Wag the Dog lässt grüssen.
Trump liebäugelt mit Diktatoren, stösst die Alliierten vor den Kopf und sorgt damit dafür, dass niemand den USA mehr vertraut. Er macht die Welt zu einem sehr, sehr gefährlichen Ort.