International
Afrika

Äthiopien: Menschenrechtler berichten von schweren Kriegsverbrechen

«Schockierend»: Menschenrechtler berichten von schweren Kriegsverbrechen in Äthiopien

06.04.2022, 02:3206.04.2022, 02:32
Mehr «International»

Systematische Massenvertreibungen, Vergewaltigungen, Plünderungen und brutale Tötungen: In der umkämpften Tigray-Region des ostafrikanischen Staates Äthiopien begehen Sicherheitskräfte laut einem aktuellen Menschenrechtsreport schwerwiegende Kriegsverbrechen. Die Menschenrechtsgruppen Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) veröffentlichten am Mittwoch einen Bericht, wonach vor allem Sicherheitskräfte aus der Region Amhara für diese Übergriffe im Westen des Bundesstaates Tigray verantwortlich sind.

FILE - People are seen in front of clouds of black smoke from fires in the aftermath at the scene of an airstrike in Mekele, the capital of the Tigray region of northern Ethiopia on Oct. 20, 2021. The ...
Eine Rauchwolke nach einem Luftangriff in Mekele, der Hauptstadt von Tingray.Bild: keystone

Sie fänden mit der Billigung und möglichen Beteiligung äthiopischen Militärs statt, heisst es darin. «Die äthiopische Regierung hat das schockierende Ausmass dieser Verbrechen beharrlich geleugnet und nichts getan, um sie zu verhindern», rügt Wenzel Michalski, Deutschland-Direktor von Human Rights Watch. In dem Bericht ist von einer ethnischen Säuberungskampagne gegen Tigrays Zivilbevölkerung die Rede, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten sei. Auch regionale Behördenvertreter sollen beteiligt sein. Der Zugang zur Region sei massiv eingeschränkt worden, sodass humanitäre Hilfe kaum ankommt und Hunderttausende von Hungersnot bedroht sind.

«Die äthiopische Regierung muss endlich reagieren: Sie muss diejenigen Sicherheitskräfte umgehend entwaffnen und aus der Region abziehen, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren», fordert Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International Deutschland. «Die Reaktionen der internationalen und regionalen Partner Äthiopiens werden der Schwere der Verbrechen, die in West-Tigray verübt werden, nicht gerecht», rügte er. Hilfsorganisationen müsse ungehinderter Zugang zur Region gewährt werden, alle willkürlich Inhaftierten müssten freigelassen und Menschenrechtsverstösse untersucht werden, fordern die Organisationen in ihrem Bericht.

FILE - Ethiopian military parade with national flags attached to their rifles at a rally organized by local authorities to show support for the Ethiopian National Defense Force (ENDF), at Meskel squar ...
Das äthiopische Militär bei einer Parade in Tigray.Bild: keystone

Die Konfliktparteien sollten der Entsendung einer internationalen Friedenstruppe unter Führung der Afrikanischen Union nach West-Tigray zustimmen, um den Schutz aller Bevölkerungsgruppen vor Übergriffen zu sichern. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Addis Abeba und der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) begann vor rund anderthalb Jahren. Mit knapp 115 Millionen Einwohnern ist der Vielvölkerstaat Äthiopien das Land mit der zweitgrössten Bevölkerung Afrikas. Er galt lange Zeit als Stabilitätsanker der Region. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Fossil in Äthiopien entdeckt
1 / 6
Fossil in Äthiopien entdeckt
Am 4. März hat das Magazin «Sience» veröffentlicht, dass US-Forscher in Äthiopien dieses Knochenstück gefunden haben.
quelle: x80001 / handout
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So fühlt sich eine Genitalverstümmelung an
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
16 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Päule Freundt
06.04.2022 06:39registriert März 2022
Wurde dem äthiopischen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed inzwischen sein Friedensnobelpreis aus dem Jahr 2019 entzogen? Das war damals eine grobe Fehleinschätzung des Norwegischen Nobelkomitees.
241
Melden
Zum Kommentar
16
«Man sieht allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben»
Nur wenige kennen die politische Landschaft Ostdeutschlands so gut wie Werner Patzelt. Dass die AfD in den nächsten Jahren absolute Mehrheiten in Ländern wie Sachsen erringt, hält der Politologe für wahrscheinlich. Darauf müsse sich die CDU vorbereiten.
Herr Patzelt, im Januar 2019, als wir uns zuletzt trafen, kritisierten Sie die deutschen Christdemokraten, die Wähler «bis hin zum rechten Narrensaum» nicht mehr an sich binden wollten und so die AfD stark gemacht hätten. Damals war Angela Merkel Kanzlerin. Ist die CDU unter Friedrich Merz wieder auf dem richtigen Weg?
Werner Patzelt: Zumindest sieht man in der CDU und in der Öffentlichkeit allmählich ein, wie töricht es war, so viele Wähler zur AfD zu vertreiben, weil man Politik mit kenntlich üblen Nebenwirkungen einfach nicht korrigieren wollte. Jetzt bezahlt die Strafgebühr nicht bloss die Union, nämlich durch ihre Abhängigkeit von SPD und Grünen, sondern auch unser Land, das von einander gern blockierenden Koalitionären regiert wird. Doch solange die Union keine begehbaren Brücken hin zur Partei ihrer verlorenen Wählerschaft bauen will, muss sie eben weiterhin mit Grünen, Sozialdemokraten und Linken zusammenarbeiten. Dadurch riskiert sie aber weitere Machtverluste zugunsten der AfD. Braucht es wohl einen ersten Landtag mit absoluter AfD-Mehrheit, bevor die Unionsführung das begreift?
Zur Story