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Sorge um Zivilisten im Sudan – UNO berichtet von mindestens 185 Toten

Smoke rises from a central neighborhood of Khartoum, Sudan, Sunday, April 16, 2023, after dozens have been killed in two days of intense fighting. The Sudanese military and a powerful paramilitary gro ...
Khartum, die Hauptstadt des Sudan, am 16. April 2023.Bild: keystone

Sorge um Zivilisten im Sudan – UNO berichtet von mindestens 185 Toten und 1800 Verletzten

17.04.2023, 07:0817.04.2023, 22:40
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Nach tagelangen blutigen Gefechten im Sudan wächst die Sorge um die Zivilbevölkerung. Die Vereinten Nationen gehen in dem innerstaatlichen Machtkampf inzwischen von mindestens 185 Toten und 1800 Verletzten aus, darunter auch Zivilisten. Das Ärztekomitee des nordostafrikanischen Landes forderte die Konfliktparteien am Montag auf, ihre «ständigen Angriffe» auf Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal einzustellen. Die EU schaltete sich in die Bemühungen um eine Lösung ein. Das Auswärtige Amt warnt inzwischen vor Reisen in das nordostafrikanische Land.

Der deutsche UN-Vermittler Volker Perthes sagte nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York, dass «internationale Organisationen und Zivilisten» bei den Gefechten zwischen der Armee und den Rapid Support Forces (RSF) nicht geschützt würden. In der Hauptstadt Khartum gebe es weiterhin heftige Gefechte um Brücken, den internationalen Flughafen sowie die Hauptquartiere der Armee und der RSF. Auch in der Region Darfur werde gekämpft.

In this frame grab from a video posted by Sudan's state news agency, SUNA on Thursday, April 13, 2023, spokesman for the Sudanese Armed Forces Brig. Nabil Abdullah reads a statement warning of co ...
Der Sprecher der sudanesischen Streitkräfte informiert über Erfolge.Bild: keystone

Der schon lange schwelende Machtkampf zwischen der Armee unter Kommando von Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und den rivalisierenden RSF seines Vize Mohammed Hamdan Daglo war am Wochenende eskaliert. Wer auf dem Schlachtfeld die Oberhand hat, blieb angesichts der unübersichtlichen Lage und widersprüchlichen Angaben beider Konfliktparteien unklar.

Perthes kündigte für Dienstag neue Versuche an, eine belastbare Waffenruhe auszuhandeln. In Gesprächen gaben sich demnach beide Seiten gegenseitig die Schuld an der Eskalation. Al-Burhan und Daglo stehen nach Einschätzung des deutschen Vermittlers unter grossem Stress, zeigten sich aber offen für Gespräche mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Akteuren. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell teilte mit, man arbeite daran, beide Seiten von einer «humanitären Feuerpause» zu überzeugen.#

Die medizinische Versorgung der Bevölkerung werde durch den Beschuss von Gesundheitseinrichtungen blockiert, teilte das Ärztekomitee weiter mit. Demnach können Kranke und Verwundete vielerorts nicht mehr behandelt werden. Eine sichere Evakuierung der Patienten sei nicht möglich, hiess es. Zudem hätten viele Kliniken weder Trinkwasser noch Nahrungsmittel. Anwohner in der Hauptstadt Khartum berichteten weiter von Schüssen und Explosionen. Aber auch in anderen Teilen des Landes am Horn von Afrika gingen die Kämpfe weiter.

Die Region am Horn von Afrika in Somalia.

Der Machtkampf lässt das flächenmässig drittgrösste Land Afrikas mit seinen rund 46 Millionen Einwohnern und reichen Öl- und Gold-Vorkommen im Chaos versinken. Die Armee und die RSF behaupteten beide, die Kontrolle über das Gebäude des staatlichen Rundfunksenders übernommen zu haben. Die Gefechte in Khartum konzentrieren sich auf strategische Punkte wie das Hauptquartier der Armee, den Präsidentenpalast und den Flughafen. Diese liegen in dicht besiedelten Vierteln der Stadt.

Artillerie, Panzer und Kampfflugzeuge sind im Einsatz. Die Armee fliegt Luftangriffe auf Stellungen der RSF. Anwohner und Beobachter aus Khartum berichteten über das Wochenende in sozialen Medien, RSF-Kämpfer hätten auch in Wohnhäusern Stellung bezogen. Der RSF-Anführer und bisherige Vize Daglo forderte internationale Unterstützung. General Al-Burhan sei «ein radikaler Islamist, der Zivilisten aus der Luft bombardiert». Islamistische Kräfte gehörten zu den Unterstützern des 2019 gestürzten Langzeitherrschers Omar al-Baschir, die weiterhin eine Rolle in der Armee spielen.

Der Sender Sky News berichtete, Al-Burhan habe in einem Telefoninterview am Montag Gesprächsbereitschaft signalisiert. «Jeder Krieg endet in Verhandlungen, auch wenn der Gegner besiegt ist», sagte er demnach. Die Armee werde siegen - «definitiv, so Gott will». Daglo, auch als Hemedti bekannt, und seiner Einheit wurden in der Vergangenheit im Konflikt in der Region Darfur schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

2019 stürzten Daglo und Al-Burhan gemeinsam nach zivilen Protesten Langzeitdiktator Omar al-Bashir und übernahmen 2021 erneut die Macht. Im Zuge des Übergangs zu einer zivilen Regierung sollten die RSF in das Militär eingegliedert werden, was zu einem Konflikt führte. Daglo unterstellt dagegen Al-Burhan, seine Macht nicht aufgeben zu wollen. (sda/dpa)

EU-Botschafter im Sudan angegriffen
Der EU-Botschafter im Sudan ist nach Angaben des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell in seiner eigenen Residenz angegriffen worden. Die Tat stelle einen schwerwiegenden Verstoss gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen dar, schrieb der Spanier am Montagabend im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Sicherheit diplomatischer Räumlichkeiten und des Personals liege primär in der Verantwortung der sudanesischen Behörden und sei eine völkerrechtliche Verpflichtung.

Angaben zur Art des Angriffs sowie zu dem Täter oder den Tätern machte Borrell nicht. Er liess auch unklar, ob der Botschafter verletzt wurde oder mit dem Schrecken davonkam. Borrell schrieb lediglich, dass sich der Angriff einige Stunden zuvor ereignet habe. Die EU wird in dem nordostafrikanischen Land durch den irischen Diplomaten Aidan O'Hara vertreten. Aus Diplomatenkreisen hiess es am Abend in Brüssel, O'Hara sei wohlauf und nicht verletzt worden.

Kurz zuvor hatte Borrell mitgeteilt, dass sich die EU angesichts der schweren Gefechte im Sudan um Einfluss auf die Konfliktparteien des innerstaatlichen Machtkampfes bemüht. Man arbeite daran, beide Seiten davon zu überzeugen, eine humanitäre Feuerpause in Erwägung zu ziehen, teilte er mit. Die Zivilisten bräuchten dringend eine Waffenruhe. (sda)

(rst/yam/sda/dpa)

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quelle: lana haroun/@lana_hago
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hösch
17.04.2023 07:20registriert März 2022
Um was geht es da jetzt genau?
Ich kann bloss 2 Machtmenschen erkennen die in einem Bürgerkriegsland lieber noch ein bisschen mehr Blut vergiessen bevor sie einen persönlichen Vorteil hergeben.
Welches sind jetzt die Freiheitskämpfer und welches sind die Terroristen?
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Milindli
17.04.2023 10:36registriert Dezember 2022
Ein Grund mehr, warum Europa möglichst hohe Grenzmauern bauen sollte.
2018
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