Viktor Orban, der ungarische Premierminister, muss sich anfangs April den Wählern stellen. Eine prominente Wahlempfehlung aus den USA kann er bereits vorzeigen. «Er ist ein starker Führer und wird von allen respektiert», lässt Donald Trump aus Mar-a-Lago ausrichten. «Er hat meine totale Unterstützung und Empfehlung für seine Wiederwahl.»
Nicht nur Trump schwärmt für Orban. Der ungarische Premierminister ist so etwas wie ein Held der amerikanischen Rechten geworden. Fox-News-Moderator Tucker Carlson, derzeit der wohl einflussreichste Ideologe der Konservativen, ist im vergangenen Sommer eine Woche lang nach Budapest gepilgert. Es war eine kritiklose Huldigung des ungarischen Systems, gekrönt mit einem Interview mit dem Meister himself.
Andere wollen es Carlson nachmachen. Die Conservative Political Action Conference (CPAC), die bedeutendste Veranstaltung der amerikanischen Konservativen, will ihre Hauptversammlung dieses Jahr in Budapest durchführen. Ungarn ist für die Republikaner das Gegenmodell zu Dänemark geworden, dem umschwärmte Gesellschaftsmodell der Progressiven.
In der «New York Times» zitiert Thomas Edsall den Pulitzer-Preis-gekrönten Journalisten Zach Beauchamp. Dieser bezeichnet das Modell Ungarn als «sanften Faschismus» und charakterisiert es wie folgt:
Orban ist diesem Ziel in Ungarn schon sehr nahegekommen. So stellen die beiden Politologen Alexander Cooley und Daniel Nexon in der jüngsten Ausgabe von «Foreign Affairs» fest:
Die Wortführer des «weichen» Faschismus bedienen sich bei ihrem Marsch durch die Institutionen einer Taktik, wie sie auch Wladimir Putin mit Erfolg anwendet: Sie verdrehen die Dinge in ihr Gegenteil. Sie seien die wahren Wächter der Demokratie, behaupten sie daher schamlos.
Abend für Abend predigen die Fox-Moderatoren, der vermeintlich demokratische gewählte Präsident Joe Biden sei in Wirklichkeit eine Marionette von Vertretern eines «deep state». Die wahre Macht liege bei finsteren Experten wie beispielsweise Anthony Fauci. Deshalb müsse die Mehrheit des Volkes die Macht dieser Experten brechen und so wieder zu einer «wahren» Demokratie zurückfinden.
Wie aber würde ein «weicher» Faschismus à la USA aussehen? Die Aussicht auf eine Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses lässt bei den Republikanern bereits jetzt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Sie würden die demokratischen Abgeordneten, welche Donald Trump mit einem lächerlichen Ausschuss das Leben schwer machen, ihrerseits mit Ausschüssen in die Mangel nehmen und gar hinter Gitter bringen, lässt etwa Kevin McCarthy, der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, verlauten.
In der «New York Times» beschreibt der Politologe Herbert Kitsches, was geschehen wird, sollte Trump sein Ziel erreichen und 2024 wieder als Präsident gewählt werden. Das sind die wichtigsten Punkte:
Wladimir Putin hat kürzlich zum ersten Mal Stellung zur Krise in der Ukraine genommen. Ihm zur Seite stand Orban. Das war kein Zufall. Der ungarische Premier ist ein bekennender Putin-Fan und teilt dessen Vorstellung eines christlichen Abendlandes, das vor muslimischen Eindringlingen und der dekadenten Schwulen- und Lesben-Gemeinde geschützt werden muss.
In der Ukraine-Krise geschieht daher etwas, das bisher noch völlig undenkbar schien: Die Basis der Grand Old Party ergreift Partei gegen einen amerikanischen Präsidenten und fordert mehr Verständnis für den ehemaligen Erzfeind Russland. Aufgehetzt werden sie dabei von Hasspredigern wie Carlson, der von Biden verlangt, nicht die Grenzen der Ukraine zu verteidigen, sondern die eigene gegen Mexiko.
Josh Hawley, einer der übelsten Demagogen der Republikaner, hat gar einen Brief an Aussenminister Antony Blinken geschickt. Darin warnt er vor zu grosser Unterstützung an die Adresse von Kiew. Es gehe vielmehr darum, Russland im Kampf gegen China als Partner zu gewinnen.
Der «weiche» Faschismus ist zu einer ernsthaften Gefahr für den westlichen Liberalismus geworden, und es ist äusserst schwierig, dagegen anzukämpfen. Gemäss ihren eigenen Werten können Liberale nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. «Weiche» Faschisten wie Orban und Trump jedoch haben keinerlei Skrupel, sich über die Regeln der Demokratie und des Rechtsstaates hinwegzusetzen. Die Politologen Cooley/Nexon kommen daher in «Foreign Affairs» zu einem deprimierenden Fazit:
Sterbe ich durch den Klimawandel?
Wird Faschismus wieder populär?
Oder falle ich einfach beim
Selfie machen von der Klippe?
Es bleibt spannend.