Donald Trump gefällt sich in der Pose des Märtyrers. Immer wieder betont er, dass er all die Prozesse und die Schmach auf sich nehme, um den kleinen Mann oder die kleine Frau zu beschützen. Dafür lässt er sich auch huldigen. Als Antwort auf die Frage, wie er all die Schläge, die auf ihn einprasseln, verkraften könne, verwies er kürzlich auf seiner Plattform Truth Social auf die Osterfesttage: Seine Sorgen mit den Richtern in New York würden in die gleiche Woche fallen, in der «Jesus seine schlimmsten Verfolgungen erleiden musste».
Der Ex-Präsident zitierte gar den Psalm 109:3-8: «Sie haben mich mit Worten des Hasses umgeben, und sie bekämpfen mich grundlos. Als Gegenleistung für meine Liebe klagen sie mich an.» (Für Bibelfeste: Es handelt sich hier um meine Übersetzung aus der New King James Version der Bibel. Neuerdings vertreibt Trump gar eine solche Bibel unter seinem Namen – für satte 60 Dollar.)
Die Evangelikalen sind eine wichtige Säule in der Anhängerschaft von Trump. Sie verehren ihr Idol als neuen Messias und als Vorkämpfer für einen Gottesstaat. Seinen weiss Gott nicht sehr christlichen Lebenswandel wischen sie mit dem Hinweis unter den Tisch, die Wege des Herrn seien nun mal gelegentlich unergründlich.
Donald Trump gefällt sich indes auch in der Pose des Anti-Christen. An seinen Rallys erwähnt er immer wieder Al Capone, den legendären Mafioso. «Er musste sich nur einem Strafprozess stellen», prahlt der Ex-Präsident. «Bei mir sind es vier.» (Tatsächlich waren es bei Al Capone sechs, aber lassen wird das.)
Wie Samuel Earle in einem Gastkommentar in der «New York Times» festhält, betreibt Trump geradezu einen Capone-Kult. Er beschäftige mehr Anwälte als seinerzeit der Mafiaboss, verkündet der Ex-Präsident auf Truth Social. Sein Mug-shot (Polizeifoto) ist in perfekter Gangster-Manier gehalten und wird nun auf T-Shirts und Kaffeetassen unter die Fans gebracht.
James Comey, der von Trump geschasste FBI-Direktor, ist einer von vielen, dem die grosse Ähnlichkeit im Verhalten von Trump und einem Mafia-Boss aufgefallen ist. In seinen Memoiren «A Higher Loyalty» beschreibt er ein Dinner, das er mit Trump kurz nach dessen Amtsantritt hatte. «Ich brauche Loyalität», wiederholte der Ex-Präsident dabei immer wieder. «In diesem Moment verstand ich: Der ‹Führer der freien Welt›, der selbst ernannte grosse Business-Tycoon hatte keine Ahnung, was Führung bedeutet», schreibt Comey. «Ethische Führer verlangen niemals nach Loyalität.»
Wie lassen sich Jesus und Al Capone unter einen Hut bringen? Eigentlich ganz gut, insbesondere in den USA. Dort haben Outlaws, die Gesetzlosen, einen speziellen Platz in der Mythologie, angefangen von Billy the Kid über Capone bis hin zum Godfather, den Sopranos und den Goodfellas. «Abgesehen von den Morden sind sie ideale konservative Bürger», stellt Samuel Earle fest. «Sie sind unternehmungslustig, loyal, misstrauisch der Regierung gegenüber; sie neigen zu gelegentlichen moralischen Ausrutschern, aber wer ist schon perfekt.»
Al Capone war bei seinen Zeitgenossen beliebt. Selbst seine Grausamkeit schreckte nicht ab. «Wenn du ihn schief angeguckt hast, hat der dir das Gehirn aus dem Kopf geblasen», pflegt Trump jeweils an seinen Rallys zu erläutern. Genau von diesem Outlaw-Image will der Ex-Präsident profitieren. Nochmals Earle: «Indem er die Verkleidung eines Gangsters annimmt, kann er seine Straftaten als wachsame Gerechtigkeit verkaufen – als subversiven Versuch, Recht und Ordnung zu verteidigen – und sich dabei als volkstümlicher Held darstellen.»
Man darf sich von dieser Mafia-Romantik nicht in die Irre führen lassen. Auch Wladimir Putin arbeitet nicht nur eng mit dem organisierten Verbrechen, sondern auch eng mit der orthodoxen Kirche zusammen. So ist es ihm gelungen, Russland in eine Diktatur zu verwandeln.
Genau dies strebt auch Trump an. Deshalb empfängt er Viktor Orbán mit allen Ehren in seiner Residenz in Florida und lobt ihn dabei über den Klee. Der ungarische Premierminister hat sein Land ohne Blutvergiessen in ein autoritäres Regime geführt. Auch Trump hat sehr konkrete Vorstellungen, wie er dieses Ziel erreichen kann, sollte es ihm ein zweites Mal gelingen, die Präsidentschaft zu erobern.
Zusammen mit der konservativen Heritage Foundation und einem eingeschworenen Stab von loyalen Mitarbeitern hat er bereits Pläne ausgearbeitet, wie er den «Deep State» – will heissen die Verwaltung – aushebeln will; und er hat auch bereits ein Schattenkabinett zusammengestellt. Führende Rollen werden darin Typen spielen wie sein Redeschreiber Stephen Miller, der kurzfristige Justizminister Matthew Whitaker und der ehemalige Botschafter in Deutschland, Richard Grenell.
Michael Beschloss, ein auf amerikanische Präsidenten spezialisierter Historiker, stellt deshalb im Falle eines Wahlsieges von Trump in der «Financial Times» ein eigentliches Horrorszenario in Aussicht. «Wir leben in einer anderen Welt», so Beschloss. «Trump weiss, dass viele der verbliebenen anständigen Republikaner ob seiner Verteidigung der Aufständischen vom 6. Januar befremdet sind. Und sie sind angewidert von seinen Diktator-Prahlereien. Deshalb hat er diese Leute abgeschrieben und umgibt sich nun nur noch mit Leuten, die ihm loyal ergeben sind.»
So gesehen ist es nur auf den ersten Blick widersprüchlich, dass sich Trump gleichzeitig mit Jesus und Al Capone vergleicht. Der Ex-Präsident hat erkannt, dass die Unterschiede zwischen einem Gottes- und einem Mafiastaat vernachlässigbar sind. Und genau einen solchen Staat strebt er an.