«Ich bin der König der Wahlempfehlungen», prahlte Donald Trump noch im April in der «Washington Post». Tatsächlich pilgerten Republikaner mit Ambitionen auf einen Sitz im Kongress oder ein Gouverneursamt in Scharen nach Mar-a-Lago, um dort den Ring des Ex-Präsidenten zu küssen und dann seinen Segen zu empfangen. Nach den Vorwahlen im Bundesstaat Georgia könnte sich diese Schar jedoch lichten. Aber der Reihe nach:
Georgia ist definitiv zu Trumps Albtraum geworden. Im November 2020 war er noch felsenfest davon überzeugt, diesen Bundesstaat locker gewinnen zu können. Als er überraschend gegen Joe Biden unterlag, reagierte er zunächst ungläubig und danach trotzig. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um das Wahlresultat nachträglich zu seinen Gunsten umzubiegen.
Seine Anwälte klagten, sein Stabschef Mike Meadows reiste persönlich nach Atlanta, und Trump selbst beschwor in einem inzwischen legendär gewordenen Telefongespräch Staatssekretär Brad Raffensperger, ihm die fehlenden «11’780 Stimmen» irgendwie zu beschaffen.
Vergeblich. Sowohl Staatssekretär Raffensperger wie auch Gouverneur Brian Kemp – beides stockkonservative Republikaner, nota bene – weigerten sich, Trumps Wünsche zu erfüllen. Sie bestätigten Bidens Sieg und versetzten so den Ex-Präsidenten in einen Dauer-Wutanfall.
Trump schwor nicht nur Rache, er handelte auch danach. Er forderte den abgewählten Senator David Perdue auf, gegen Kemp zu kandidieren. Mehr noch, der notorische Geizhals spendete gar 500’000 Dollar für Perdues Wahlkampf. Derweil sollte der Abgeordnete Jody Hice Raffensperger aus seinem Amt kicken.
Beide sind gescheitert, und zwar so was von. Kemp hat Perdue mit gegen 50 Prozentpunkten geschlagen und dies, obwohl Trump noch am Sonntag ein letztes Mal für Perdue Wahlwerbung gemacht hatte. Raffensberger ist zwar nur knapp gewählt worden, aber er ist entgegen allen Unkenrufen bestätigt worden.
Dieser doppelte Haken ist für Trump nicht nur äusserst schmerzhaft. Er könnte auch wegweisend sein für seine Ambitionen, 2024 nochmals als Präsident zu kandidieren. Erstmals hatte er nämlich Gegenwind aus den Reihen der Grand Old Party (GOP). Sein ehemaliger Aussenminister Mike Pompeo, sein alter Kumpel Chris Christie, ja selbst sein Ex-Vize Mike Pence unterstützten den siegreichen Kemp.
Sie haben damit den Stellenwert von Trumps Wahlempfehlungen untergraben und ihre eigene Stellung als mögliche Rivalen für die Präsidentschaftswahlen 2024 gestärkt. Am meisten Chancen, an Trumps Thron zu rütteln, werden dabei Ron DeSantis, dem Gouverneur von Florida, zugerechnet.
Trump hat keineswegs immer ein gutes Händchen bei seinen Wahlempfehlungen. In Pennsylvania ist noch immer unklar, ob sein Favorit, der TV-Doktor Mehmed Oz, die Vorwahlen gewinnen wird. Wahrscheinlich muss nachgezählt werden. Madison Cawthorn, der jüngste und wohl verrückteste Abgeordnete, wurde in North Carolina trotz der Unterstützung des Ex-Präsidenten in die Wüste geschickt. In Nebraska hatte Charles Herbster, sein Kandidat für das Gouverneursamt, keine Chancen, nicht zuletzt, weil er von acht Frauen der sexuellen Belästigung beschuldigt worden war.
Immerhin hat Trump ein paar Trostpreise gewonnen. In Georgia hat der von ihm unterstützte Herschel Walker in der Ausscheidung der Republikaner obsiegt. Dessen Sieg könnte sich jedoch als Bumerang erweisen. Der ehemalige Football-Star ist nicht gerade die hellste Kerze auf der GOP-Torte, und er wird von seiner Ex-Frau beschuldigt, sie schwer misshandelt zu haben. Walker könnte daher im November das eigentliche Rennen gegen Raphael Warnock verlieren – und damit die Mehrheit der Demokraten im Senat bestätigen.
Die Klatsche in Georgia könnte auch die Wahrnehmung der Republikaner gegenüber Trump ins Wanken bringen. «Verliert ein Strongman seine Möglichkeit, andere zu terrorisieren, dann verliert er bald auch den Respekt», stellt Edward Luce in der «Financial Times» fest. Anders als etwa Wladimir Putin verfügt Trump keineswegs über eine absolute Macht in der GOP. Er muss sich dem Willen seiner Basis beugen. Als er seine Anhänger jüngst aufforderte, sich impfen zu lassen, wurde er ausgebuht. Er hat diese Aufforderung seither niemals wiederholt.
Muss man Trump somit bald abschreiben? Nein, er ist innerhalb der GOP nach wie vor sehr beliebt. Viele Republikaner haben jedoch allmählich von seinem Stop-the-steal-Rachefeldzug die Nase voll und wünschen sich, er würde nach vorne blicken. Es ist jedoch fraglich, ob der Narzisst Trump dazu überhaupt in der Lage ist.
Die Demokraten ihrerseits können höchstens Schadenfreude über Trumps Klatsche empfinden. Ihre Probleme – Inflation und Zuwanderung – bleiben, die Republikaner werden sich nicht ändern. Die GOP ist eine autoritäre Bewegung geworden; und sollte sie in Zukunft beispielsweise von Ron DeSantis angeführt werden, dann wird die Gefahr noch grösser. DeSantis ist mindestens so gefährlich wie Trump – aber deutlich intelligenter.
Aber nein, Trump braucht die Bühne und seine Fans. Er kann einfach nicht wahrhaben, dass er in Amerika keine Rolle mehr spielt. Sein Ego lässt dies nicht zu.
Im besten Fall wird ein wütender und frustrierter Trump innerhalb der republikanischen Partei derart großes Chaos und möglichst viele Streitigkeiten auslösen, dass dies dann hoffentlich der demokratischen Partei bei den midterms helfen wird.
Wo ist die Staatsanwaltschaft mit der Anklage?
Aber als Afro-Amerikaner voll auf der Trump-Linie zu sein, da muss man schon paar Mal hart mit dem Kopf aufgeschlagen sein. Football ist definitiv sehr ungesund