Am Freitag verkündete Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social, er habe «beinahe 500 Millionen Dollar in Cash». Diese Meldung wurde mit einer gehörigen Portion Skepsis zur Kenntnis genommen, nicht nur, weil der Ex-Präsident für seine Lügen bekannt ist. Schliesslich waren es die grotesken Übertreibungen, die ihm eine Busse in Höhe von 400 Millionen Dollar eingebrockt hatten und leicht zu widerlegen waren. So hatte er beispielsweise die Fläche seiner Wohnung im Trump Tower rund dreimal grösser angegeben, als sie tatsächlich beträgt.
Nein, die Skepsis beruht vor allem auf einer Verlautbarung seiner eigenen Anwälte. Diese hatten vor ein paar Tagen erklärt, es sei für den Ex-Präsidenten unmöglich, die Kaution von 454 Millionen Dollar zu stemmen. Dies, obwohl er mehr als 30 Versicherungen darum gebeten habe. Diese Kaution muss Trump in Cash hinterlegen. Deshalb wollen ihm die Versicherungen nicht aus der Patsche helfen, denn der grösste Teil seines auf rund drei Milliarden Dollar geschätzten Vermögens ist in Immobilien angelegt und daher nicht nur illiquid, sondern auch grossen Schwankungen unterworfen.
Gelingt es dem Ex-Präsidenten nicht, bis heute Abend die Kaution zu leisten, dann ist sein Berufungsverfahren gefährdet. Zudem läppern sich die Zinsen zusammen. Rund 100’000 Dollar betragen sie derzeit – täglich.
Wenn er angeblich die Kohle hat, warum berappt Trump die Kaution nicht aus der eigenen Kasse? Er brauche das Geld für seinen Wahlkampf, begründet der Ex-Präsident seine Weigerung. Auch das eine Lüge: Obwohl er stets damit prahlt, er sei auf keine Spenden von Mäzenen angewiesen, hat er nachweislich noch keinen einzigen Dollar aus der eigenen Tasche für seine Kampagnen ausgegeben. Trump setzt auf Other People’s Money. Er lässt stets andere für sich zahlen, neuerdings zapft er gar die Spenden für die Grand Old Party an.
Trump ist nicht nur ausgesprochen knauserig, er verheimlicht auch die finanzielle Lage seiner Trump Organization. Weil diese kein an der Börse kotiertes Unternehmen ist, ist er auch niemandem Rechenschaft schuldig – ausser der Steuerbehörde. Deswegen hat er sich jahrelang erbittert dagegen gewehrt, seine Steuerrechnung offenzulegen, obwohl dies für US-Präsidenten inzwischen eine Tradition geworden ist.
Kann Trump die Kaution bis heute nicht aufbringen, muss er jetzt, metaphorisch gesprochen, seine Hosen herunterlassen. Er muss Auskunft über sein verschachteltes Immobilien-Imperium geben. Dabei könnte sich herausstellen, dass viele davon ihm gar nicht gehören. Das könnte auch das Vorgehen von Letitia James, der Generalstaatsanwältin des Bundesstaates von New York, erschweren. Diese hat den Zivilprozess gegen Trump wegen Bilanz-Manipulationen nicht nur angeleiert, sondern auch zu einem erfolgreichen Ende, sprich einer Verurteilung des Ex-Präsidenten, geführt.
Die Busse von rund 450 Millionen einzutreiben, wird zu einem schwierigen Unterfangen. Weil die Eigentumsverhältnisse des Trump’schen Immobilien-Imperiums ungeklärt sind, kann James nicht einfach die Gerichtsvollzieher losschicken und die Schlösser auswechseln lassen. Doch die Generalstaatsanwältin ist entschlossen, Trump zur Rechenschaft zu ziehen: «Sollte er das Geld nicht auftreiben können, werden wir die Richter um Erlaubnis fragen, seine Vermögenswerte beschlagnahmen zu können», hat James gegenüber dem TV-Sender ABC erklärt.
Die Generalstaatsanwältin hat dabei mehrere Optionen: Sie kann die liquiden Vermögenswerte (Cash, Wertpapiere) einziehen, ebenso Kunstgegenstände. Oder sie kann dafür sorgen, dass die Mieteinnahmen nicht mehr in die Kassen der Trump Organization fliessen, sondern auf ein Sperrkonto. Aus politischen Gründen wird James jedoch vorsichtig vorgehen. Sie will möglichst verhindern, dass sich Trump einmal mehr als Opfer einer demokratischen Hexenjagd in Szene setzen kann.
Die Optionen des Ex-Präsidenten sind überschaubar. Mit seiner 500-Millionen-Dollar-Cash-Prahlerei hat er es möglicherweise vermasselt, dass das Berufungsgericht die Summe der Kaution auf ein erträgliches Mass herabsetzt. Ein Privatbankrott würde ihm zwar Spielraum verschaffen, doch sein Image als erfolgreicher Geschäftsmann lädieren.
Und was ist mit den drei Milliarden Dollar, die ihm seit dem vergangenen Freitag angeblich wegen des Börsengangs seiner Plattform ins Haus geflattert sind? Es dürfte sich dabei um Monopoly-Geld handeln. Truth Social ist ein Unternehmen, das im vergangenen Jahr bei einem Umsatz von rund drei Millionen Dollar einen Verlust von rund 50 Millionen Dollar erzielt hat. Das erinnert fatal an die Dotcom-Ära der Neunzigerjahre, in der Aktienkurse von Fantasieunternehmen in absurde Höhen gejubelt wurden.
Beim aktuellen Aktienkurs ist Trumps Anteil am Unternehmen theoretisch mehr als drei Milliarden Dollar wert. Um diesen Anteil zu versilbern, muss der Ex-Präsident jedoch zunächst die Erlaubnis des Verwaltungsrats einholen, denn es besteht eine Haltefrist von sechs Monaten. Selbst wenn er diese Erlaubnis erhält, dürfte es schwierig sein, die Aktien zu verhökern. Bei einem Verkauf in diesem Umfang würden sie sich selbst entwerten.
Bisher hat es Trump stets geschafft, sich aus scheinbar aussichtslosen Situationen zu retten. Gut möglich, dass es ihm auch diesmal gelingen wird. Doch er benötigt ein mittleres Wunder. Mark Zauderer, ein erfahrener Wirtschaftsanwalt, bezeichnet das Vorgehen gegen Trump in der «New York Times» als «langsame Folter». «Er kann nichts gewinnen», so Zauderer. «Es ist bloss eine Frage, wie viel er verlieren wird – und wie lange es dauern wird.»