Die Führung der Grand Old Party (GOP) will Donald Trump loswerden. So hat sich beispielsweise der einflussreiche Senator Mitch McConnell im zweiten Impeachment-Prozess geweigert, den Ex-Präsidenten zu verurteilen. Er hat jedoch gleichzeitig unmissverständlich kundgetan, dass dieser trotzdem für seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol zur Rechenschaft gezogen werde. «Wir haben ein Strafrechtssystem in diesem Land, und wir haben Zivilklagen», so Mitchell damals. «Auch ein Ex-Präsident ist nicht immun dagegen, sich verantworten zu müssen.»
Auch der Medien-Tycoon Rupert Murdoch und seine Star-Moderatoren bei Fox News wollen Trump loswerden. Das zeigen die Zitate, welche aus der Dominion-Klageschrift bekannt geworden sind. Von Tucker Carlson stammt gar das Zitat, wonach er Trump «leidenschaftlich hasse». Dominion, ein Hersteller von Wahlmaschinen, hat Fox News wegen Verleumdung auf 1,6 Milliarden Dollar Wiedergutmachung verklagt.
Seit den Zwischenwahlen hat Fox News daher Trumps Präsenz auf dem Sender auf ein Minimum zurückgeschraubt. Dafür wurde Ron DeSantis jede Menge Platz eingeräumt. Der Gouverneur aus Florida und «Trump mit Gehirn» gilt als einziger ernsthafter Herausforderer des Ex-Präsidenten innerhalb der GOP.
Oder besser ausgedrückt: galt. Die Anklage gegen Trump hat die Verhältnisse wieder total umgekrempelt. DeSantis, der in einigen Umfragen zeitweise gar vor Trump lag, ist schneller abgestürzt als die CS-Aktie vor der Übernahme durch die UBS. Die jüngste Umfrage von Fox News hat ergeben, dass mehr als 50 Prozent der Republikaner sich Trump als Präsidentschaftskandidaten wünschen. Für DeSantis sprechen sich gerade mal noch 24 Prozent aus.
Auch der Wunsch von McConnell, das Justizsystem werde es richten, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Dank der Anklage in Manhattan richtet sich die gesamte Aufmerksamkeit der US-Medien wieder auf Trump. Er ist wieder, wie sich die Amerikaner gerne ausdrücken, «der Typ, der allen Sauerstoff in einem Raum aufsaugt». Auch Fox News musste sich diesen neuen Umständen anpassen. Trump ist erneut allgegenwärtig, auch bei Tucker Carlson.
Nach dem Watergate-Skandal wurde Richard Nixon von der GOP fallen gelassen und versank in der Versenkung. Sein Nachfolger Gerald Ford begnadigte ihn und bewahrte ihn damit vor einer Anklage. Bei Trump wird beides nicht der Fall sein. Erstens will ihn Joe Biden nicht begnadigen, und zweitens kann er es auch gar nicht. Präsidiale Begnadigungen sind in den USA nur für bundesstaatliche Vergehen möglich, Trump steht jedoch in Manhattan vor einem einzelstaatlichen Gericht.
Der pathologische Narzisst Trump kennt bekanntlich das Gefühl des sich Schämens nicht. Deshalb wird er sich nicht wie seinerzeit Nixon zurückziehen, sondern im Gegenteil erst recht das Rampenlicht suchen. Der Ex-Präsident «erheischt die gesamte Aufmerksamkeit zu jedem Zeitpunkt», erklärt Gwenda Blair, die ein Buch über die Trumps verfasst hat, in der «New York Times». «Er wird alles, auch seine eigene Anklage, zu seinen Gunsten ausnützen.»
Trump hat denn auch bereits angekündigt, dass er nach seiner Anhörung vor Gericht am kommenden Dienstag eine Pressekonferenz durchführen wird. Dann wird er seine übliche krude Mischung aus Pseudo-Patriotismus, Selbstmitleid und Übertreibung vortragen.
Dabei könnte er sich allerdings neue juristische Probleme aufhalsen. US-Richter sehen es sehr ungern, wenn Angeklagte sich vor ihrem Prozess öffentlich äussern. Sie verhängen in diesem Fall sogenannte «gag orders», oder auf Deutsch: Sprechverbote. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird sich der Ex-Präsident nicht daran halten.
Barbara Res, seine langjährige Sekretärin, erklärt dazu ebenfalls in der «New York Times»: «Er ist unfähig, sich vorzustellen, dass er nicht im Recht ist.» Zudem sei sich Trump bewusst, dass er für eine Verletzung eines Sprechverbots kaum Konsequenzen zu befürchten habe. «Selbst alle, die ihn hassen, würden es wohl keine gute Idee finden, ihn wegen einer Verletzung eines Sprechverbots ins Gefängnis zu werfen», so Res weiter. «Deswegen wird er sein Maul nicht halten.»
Die Anklage zwingt die Republikaner, sich geschlossen hinter Trump zu stellen und den angeblich von George Soros unterstützten Staatsanwalt Alvin Bragg zu verurteilen. Von Speaker Kevin McCarthy bis zu Senator Lindsey Graham haben es denn auch alle artig getan. Gouverneur DeSantis hat gar öffentlich kundgetan, er würde sich weigern, bei einer Deportation von Trump aus Florida Hand zu bieten. Dazu wird es nicht kommen. Der Ex-Präsident reist heute nach New York und wird morgen vor Gericht erscheinen.
DeSantis hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, Trump ernsthaft herauszufordern. Wenn schon, hätte er den Ex-Präsidenten in den Wochen nach dessen lahmer Ankündigung für seine Kandidatur angreifen müssen. Jetzt hat Trump wieder alle Trümpfe in der Hand.
Zudem könnte sich der Gouverneur aus Florida auch grundsätzlich geirrt haben. Die Basis der GOP will gar keinen fähigen Manager, keinen «Trump mit Gehirn». Sie will einen Unterhalter – und auf diesem Gebiet ist Trump dem steifen DeSantis meilenweit überlegen.