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Warum der Fox-News-Prozess so wichtig ist

FILE - Tucker Carlson, left, and former President Donald Trump, right, react during the final round of the Bedminster Invitational LIV Golf tournament in Bedminster, N.J., July 31, 2022. Documents in  ...
Starmoderator Tucker Carlson mimt den Trump-Fan. Bild: keystone
Analyse

Warum der Fox-News-Prozess so wichtig ist

Heute beginnt der Prozess gegen den US-TV-Sender. Es geht dabei um eine zentrale Frage der Demokratie: Wie weit darf die Meinungsfreiheit gehen?
13.04.2023, 15:2213.04.2023, 15:54
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Im Jahr 1964 fällte der Supreme Court ein Urteil, das die amerikanische Medienlandschaft massgeblich beeinflussen sollte. Im Prozess «New York Times Company vs Sullivan» befanden die obersten Richter, dass unwahre Berichte nur dann einklagbar seien, wenn «actual malice» (vorsätzliche Boshaftigkeit) vorliegt.

Dieses Urteil hatte weitreichende Konsequenzen. Gestützt auf den ersten Zusatz der Verfassung, der die Meinungsfreiheit garantiert – und der in den USA eine überragende Bedeutung hat –, konnten die Medien nun ihre Berichterstattung über den Vietnam-Krieg kritisch gestalten, ohne dass sie befürchten mussten, deswegen vor einen Richter gezerrt zu werden. Einklagbar waren ab sofort nur noch Berichte, die nachweisbar wissentlich oder in grob fahrlässiger Art und Weise Lügen verbreiteten.

Nicht nur die Kritiker des Vietnam-Krieges profitierten von diesem Urteil. 1973 schickte sich der Verleger Rupert Murdoch an, seine ersten Baby-Schritte in den USA zu unternehmen. Er zog ebenfalls seine Lehren daraus. Zunächst bei einem unbedeutenden Regionalblatt namens «The News» in San Antonio, das er nach dem Vorbild der britischen «Sun» in ein Skandalblatt umfunktionierte.

FILE - Rupert Murdoch introduces Secretary of State Mike Pompeo during the Herman Kahn Award Gala, Oct. 30, 2019, in New York. A defamation lawsuit against Fox News is revealing blunt behind-the-scene ...
Muss als Zeuge vortraben: Verleger Rupert Murdoch.Bild: keystone

Danach erwarb er die «New York Post», die älteste Zeitung der USA. Auch hier ging Murdoch mit dem gleichen Rezept vor: Die zuvor verschlafene Zeitung wurde zu einem schreienden Blut-und-Sperma-Blatt, angereichert mit erzkonservativer politischer Meinungsmache. Auch hier war der kommerzielle Erfolg durchschlagend.

Der Höhepunkt von Murdochs US-Feldzug war die Gründung der TV-Station Fox News. Zusammen mit Roger Ailes, einem ehemaligen Berater von Richard Nixon, stellte er eine konservative Alternative zu den vermeintlich linksliberal verseuchten Mainstream-Medien auf die Beine. Unter dem Slogan «fair and balanced» (fair und ausgewogen) wurde in der Folge schamlos rechte Propaganda vom Übelsten verbreitet. Das sollte sich auszahlen. Fox News stieg zum TV-Kabel-Kanal mit der höchsten Einschaltquote auf, Murdoch verdiente sich dumm und dämlich.

Derzeit jedoch steckt Fox News in gröberen Schwierigkeiten. Heute beginnt im Bundesstaat Delaware – dort ist das Unternehmen wie so viele andere als Aktiengesellschaft eingetragen – ein Prozess, in dem es nicht nur um viel Geld geht. Es geht auch darum, wie weit die Meinungsfreiheit in der Demokratie gehen darf. Aber der Reihe nach:

Former Mayor of New York Rudy Giuliani, left, listens to Sidney Powell, both lawyers for President Donald Trump, during a news conference at the Republican National Committee headquarters, Thursday No ...
Ein Duo aus der Hölle: Rudy Giuliani und Sidney Powell.Bild: keystone

Nach seiner Wahlniederlage begann Donald Trump, die Big Lie zu verbreiten, die Lüge, wonach der Sieg von Joe Biden nur dank massiver Wahlmanipulation zustande gekommen sei. Einen wesentlichen Bestandteil dieser absurden und x-fach widerlegten Behauptung spielten dabei die Wahlmaschinen des Herstellers Dominion. Trumps Anwalt Rudy Giuliani und eine Anwältin namens Sidney Powell behaupteten auf Fox News immer und immer wieder, diese Maschinen seien so programmiert gewesen, dass sie genau so viele Stimmen für Trump zugunsten von Biden umwandelten, wie nötig gewesen seien, um dem Demokraten zum Sieg zu verhelfen.

Um das alles in den Rang des komplett Absurden zu erheben, wurde selbst Hugo Chavez, der 2013 verstorbene Präsident von Venezuela, ins Spiel gebracht. Dieser habe einst die Manipulationen ausgeheckt.

Dominion liess diese Lügen nicht auf sich sitzen und verklagte Fox News wegen Verleumdung und auf eine Schadenersatz-Summe von 1,6 Milliarden Dollar. Bei Fox News nahm man diese Klage zunächst gelassen zur Kenntnis. Im Wissen, dass es dank «New York Times Company vs Sullivan» praktisch unmöglich geworden war, ein Medienunternehmen wegen Verleumdung zu verklagen, reagierte man darauf kaum.

Das hat sich mittlerweile geändert. Inzwischen ist es dem Kläger Dominion gelungen, eine ganze Reihe von Aussagen zu erhalten, die Fox News in einem verheerenden Licht zeigen. Es sind E-Mails aufgetaucht, in denen Starmoderatoren wie Sean Hannity und Laura Ingraham bekennen, sie hätten keinen Moment an die Big Lie geglaubt. Maria Bartiromo – einst eine geachtete Business-Journalistin – stützte ihre Behauptung der manipulierten Wahlmaschinen auf eine Frau, die angab, eigentlich längst tot zu sein und als Geist auf der Welt zu wandeln (kein Witz). Und Tucker Carlson, derzeit die unbestrittene Nummer eins bei Fox News, schrieb in einer E-Mail, er würde Trump hassen, und zwar «leidenschaftlich».

Selbst Verleger Murdoch war über die Berichterstattung seines TV-Senders keineswegs erfreut. In einer E-Mail an Fox-News-CEO Suzanne Scott schrieb er: «Schrecklicher Stoff. Ich fürchte, er wird uns allen Schaden zufügen.»

Diese Befürchtung hat sich nun bewahrheitet. Murdoch muss höchstwahrscheinlich im Prozess als Zeuge aussagen, genauso wie seine Starmoderatoren. Und er hat dabei schlechte Karten. Der zuständige Richter Eric Davis vom Delaware Superior Court ist bereits vor Prozessbeginn verärgert, weil die Anwälte von Fox News wichtiges Beweismaterial zurückbehalten haben. Warum aber hat sich der Murdoch-Sender überhaupt in diese missliche Lage begeben?

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht beeinflusst Fox News seine Zuschauer nicht nur, es ist auch deren Gefangener. Sobald der Sender nicht mehr liefert, wonach die MAGA-Meute schreit, wenden sich die Zuschauer ab. Genau dies geschah nach Trumps Wahlniederlage. Fox News hatte als erster TV-Sender Joe Biden als Sieger im Bundesstaat Arizona ausgerufen. Das war gleichbedeutend mit Trumps Niederlage. Der Ex-Präsident und seine Entourage flippten aus, sein Schwiegersohn Jared Kushner soll Murdoch gar bekniet haben, diese Meldung zurückzuziehen.

epa10495778 Sandy R., of New York, holds a sign while participating in a protest organized by the group Rise and Resist outside of Fox News headquarters in New York, New York, USA, 28 February 2023. A ...
Demonstranten vor dem Fox-News-Hauptquartier in New York. Bild: keystone

Auch der MAGA-Mob wandte sich massenhaft von Fox News ab und dem noch konservativeren Kanal Newsmax zu. Beim Murdoch-Sender brach Panik aus. «Wenn sie Trump im Rücken haben, kann eine Alternative wie Newsmax für uns verheerende Folgen haben», textete Tucker Carlson einem Kollegen bei Fox News.

Um die Zuschauer bei der Stange zu behalten, setzte Fox News in der Folge alles auf die Big-Lie-Karte. Giuliani, Powell, das gesamte Trump-Gruselkabinett konnte sich auf dem Sender austoben, obwohl ihnen keine Sekunde lang geglaubt wurde. Mehr noch: Trump-Hasser Carlson begann, die Kapitol-Stürmer nun als Patrioten abzufeiern und die Ereignisse vom 6. Januar 2021 zu verniedlichen. Die wenigen seriösen Journalisten, die noch bei Fox News tätig waren – Chris Wallace, Bret Baier, und Martha MacCallum –, verliessen den Sender angewidert.

Verleger Murdoch begründete die neue Liebe seines Senders zu Trump bei seiner Befragung wie folgt: «Er hat sehr viele Anhänger, und die meisten davon sind wahrscheinlich Fox-News-Zuschauer.» Gleichzeitig wurde nun die Losung «Respekt für unsere Zuschauer» grossgeschrieben. «Wir haben gegen das Gesetz verstossen, dass der Zuschauer immer recht hat», schrieb ein Fox-Produzent in einer E-Mail.

Konkret bedeutet dies, dass Fox News es nicht mehr wagt, seinen Zuschauern die Wahrheit zu sagen. Es wirft der MAGA-Meute das zum Frass vor, wonach sie verlangt. Mit ernsthaftem Journalismus hat dies nichts mehr am Hut. Fox News hat mit «vorsätzlicher Boshaftigkeit» gehandelt. Deshalb muss der Sender nun fürchten, dass der Dominion-Klage recht gegeben wird. Nicht nur für den Hersteller von Wahlmaschinen wäre dies ein wichtiger Sieg, sondern auch für die Demokratie.

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86 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fisherman
13.04.2023 16:07registriert Januar 2019
Es wäre an der Zeit, dass FOX für seine vorsätzlichen Lügen empfindlich bestraft wird. Was FOX macht schadet der Gesellschaft als ganzes und der Demokratie generell und ist gemein gefährlich.
Und das hat NICHTS mit Meinungsfreiheit zu tun.
1935
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Metro Man
13.04.2023 16:27registriert Februar 2022
Solange eine Meinung als solche klar deklariert wird kann und darf sie sehr weit gehen, und so muss die Meinungsfreiheit auch verstanden werden (meine Meinung ;-). Wenn aber eine Meinung fälschlicherweise als Tatsache deklariert und präsentiert wird, dann ist das irreführend und oft einfach nur gelogen. Die Einführung "alternativer Fakten" durch Trump und seine willigen Helfer hat genau diesen Aspekt zu untergaben versucht, und das sollte von der Justiz verfolgt und sanktioniert werden können. Aber leider scheint eben diese Justiz in den USA massive durch die Politik unterwandert zu sein.
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HKD
13.04.2023 16:17registriert November 2022
Na, dann bin ich mal gespannt auf das Urteil dieses Prozesses. Ich drücke der Fa. Dominion beide Daumen und bin natürlich extrem neidisch auf die Kohle.
🤔
Nur, ich weiss ja gar nicht wie man so viel Geld überhaupt verprassen könnte.
🤭
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