Donald Trump wollte das jährliche G7-Treffen in seinem Golfresort Doral in Florida austragen lassen. Er sah es gerne, wenn ausländische Regierungsvertreter in den sehr teuren Zimmern seines Hotels in Washington übernachteten. Er wies die Luftwaffe an, ihre Flieger in Schottland auftanken und die Crew in einem seiner Hotels übernachten zu lassen. Gegen den Willen der Sicherheitsbeamten gab er die Erlaubnis, dass sein Schwiegersohn Jared Kushner Einblick in die geheimsten Daten bekam.
Kurz: Es gibt so viele Trump-Skandale, dass die Welt ihrer längst überdrüssig ist. Who cares?, lautet mittlerweile die resignierte Reaktion aller Nicht-Trump-Fans. Soll er doch in Florida Golf spielen und uns in Ruhe lassen.
Jetzt hat die «New York Times» einen neuen Skandal enthüllt. Sorry, leider müssen wir uns darum kümmern. Es geht um den Grundpfeiler von Rechtsstaat und Demokratie: die Gewaltentrennung.
Was ist passiert? Die Trump-Ära war von Beginn weg geprägt von Informations-Lecks. Fast täglich gerieten Informationen an die Medien, die eigentlich hätten geheim bleiben sollen. Das ärgerte den Präsidenten masslos. Deshalb wies er seinen damaligen Justizminister Jeff Sessions an, die Metadaten der iPhones von missliebigen Journalisten und Politikern zu überprüfen.
Mit sogenannten «subpoenas» – Vorladungen, denen man von Gesetzes wegen nachkommen muss – erzwang das Justizministerium die Herausgabe dieser Daten. Mit sogenannten «gag orders» wurde Apple genötigt, das Vorgehen der Justizbeamten geheim zu behalten.
Metadaten von Smartphones geben nicht Auskunft über die Inhalte von Gesprächen. Sie erlauben es jedoch, nachzuvollziehen, wer mit wem telefoniert hat.
Nicht nur die Daten von kritischen Journalisten – etwa von CNN, «New York Times» und «Washington Post» – wurden angezapft. Auch vermeintliche Vertreter des «deep state» – beispielsweise der ehemaligen FBI-Direktor James Comey und sein Stellvertreter Andrew McCabe – wurden abgehört.
Doch damit nicht genug: Selbst Parlamentarier wurden ausspioniert. Konkret handelt es sich dabei um Adam Schiff und Eric Swalwell. Beide sind Demokraten und Mitglieder des House Intelligence Committee, dem Gremium, das unter anderem Trumps Erpressung der ukrainischen Regierung untersucht hat. Diese Untersuchung endete bekanntlich im ersten Impeachment des Präsidenten.
Kongressabgeordnete ausspionieren zu lassen, ohne dass es dafür starke Verdachtsmomente gibt, ist unter keinem Titel zu rechtfertigen. Die «New York Times» stellt denn auch fest:
Die Beamten des Justizministeriums haben nicht nur die iPhones der Politiker angezapft, sondern auch diejenigen ihrer Mitarbeiter. Um ganz sicherzugehen, wurden selbst die Daten eines Kindes verwertet. Vergeblich. Es wurden keine Lecks gefunden. Jeff Sessions liess die Untersuchungen deshalb einschlafen.
Nach den Zwischenwahlen wurde Sessions gefeuert und durch William Barr ersetzt. Auch dieser wurde von Trump sofort unter Druck gesetzt, und er gab nach. Barr setzte eigens einen ihm hörigen Strafverfolger ein und setzte die Untersuchungen fort. David Laufman, ein ehemaliger hoher Beamter des Justizministeriums, spricht von einem «extrem aggressiven Vorgehen» und fügt hinzu:
Das ist eine sehr vorsichtige Umschreibung eines bedeutenden Tatbestandes: der Verletzung der Gewaltentrennung. Diese ist der Pfeiler eines jeden Rechtsstaats. Ohne Gewaltentrennung herrschen Willkür und Korruption, wie wir es von Russland oder den Bananrepubliken in Südamerika kennen.
Adam Schiff stellt daher fest: «Die Politisierung des Justizdepartements und die Attacken auf den Rechtsstaat gehören zu den gefährlichsten Angriffen auf die Demokratie, welche der ehemalige Präsident unternommen hat.» Daher fordert er, dass ein unabhängiger Generalinspektor die Vorfälle untersucht.
Ein Generalinspektor allein genügt jedoch nicht. Merrick Garland, der von Präsident Biden eingesetzte Justizminister, ist ebenfalls gefordert. Einige der Beamten, die an den gesetzwidrigen Aktionen beteiligt waren, sitzen immer noch im Justizdepartement. Andere müssen zwingend zur Rechenschaft gezogen werden, darunter möglicherweise auch Barr und Sessions. Nur so kann das Vertrauen in eine unabhängige Justiz wieder hergestellt werden.
In Sachen Trump ist Garland bisher äusserst vorsichtig vorgegangen. Er will sich auf keinen Fall vorwerfen lassen, dass er sich wie Sessions und Barr für politische Zwecke missbrauchen lässt. So hat er beispielsweise angeordnet, dass das Justizministerium weiterhin Trump in der Verleumdungsklage gegen E. Jean Carroll verteidigen soll. Die Kolumnistin hat den Ex-Präsidenten der Vergewaltigung bezichtigt. Ebenfalls hat sich Garland geweigert, die Gutachten zu veröffentlichen, welche zum fragwürdigen Freispruch Trumps in der Russland-Affäre durch Barr geführt haben.
Ob Garlands übervorsichtiges Vorgehen politisches Kalkül ist oder nicht, darüber wird in Washington noch gerätselt. Einigkeit herrscht jedoch in der Frage, dass er nun Farbe bekennen muss. Teilweise hat er dies bereits getan. Er hat den gegen Apple verordneten Maulkorb aufgehoben und so dafür gesorgt, dass die illegale Aktion seiner Vorgänger ans Tageslicht gekommen sind.
Und ja.
Rechtspopulisten schaden.
Immer.
Und überall.
Schamlos und ohne Rechtsverständnis, nur sich selbst am nächsten.