Natürlich dauerte es nicht lange, bis sich auch Donald Trump zu Wort meldete. Auf seinem Internet-Dienst Truth Social gratulierte der Ex-Präsident in der Nacht auf Mittwoch der Herausforderin von Liz Cheney zu ihrem Sieg. Er sprach einige beleidigende Worte über seine heftigste Kritikerin aus («Närrin»), und freute sich hämisch über die blamable Niederlage der 56-Jährigen.
Und er zog die Schlussfolgerung, dass die Vorwahl im konservativen Bundesstaat Wyoming eine Art Referendum über die Arbeit der Kommission gewesen sei, die im Auftrag des Repräsentantenhauses den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 untersucht.
So richtig neu ist das nicht. Trump ist berüchtigt dafür, dass er doppelt so hart zurückschlägt, wenn er kritisiert wird. Aber über die Niederlage Cheneys wird sich der Ex-Präsident wohl dennoch besonders gefreut haben. Denn dank ihr hat Trump sein Ziel fast vollständig erreicht, die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus von Kritikerinnen und Kritikern zu säubern.
In Zahlen ausgedrückt: Von den 10 Parteifreunden, die sich nach dem blutigen Krawall zu Jahresbeginn 2021 für ein zweites Amtsenthebungsverfahren gegen Trump aussprachen, werden 2023 höchstens zwei nach Washington zurückkehren. Die übrigen acht Abgeordneten fuhren entweder in den Vorwahlen eine Niederlage ein, so wie Cheney, oder sie zogen es vor, sich nicht erneut den Wählerinnen und Wählern zu stellen, so wie der Cheney-Verbündete Adam Kinzinger (44).
Das ist ein beachtlicher Erfolg für einen Ex-Präsidenten, dessen ungewöhnliche Karriere eigentlich am Ende schien, als sich seine rabiaten Anhängerinnen und Anhänger gewaltsam Zutritt zum Kapitol verschafften. Die Cheney-Niederlage zeigt aber auch, wie riskant der Kurs ist, auf dem sich die «Grand Old Party» – so wird die Republikanische Partei, gegründet vor fast 170 Jahren, im amerikanischen Sprachgebrauch immer wieder genannt – derzeit befindet.
Denn es waren nicht in erster Linie aussen- oder wirtschaftspolitische Positionsbezüge, die Cheney das Genick brachen und Kinzinger in den vorzeitigen Ruhestand versetzten. Es war vielmehr ihre Kritik am Personenkult um Trump und an dessen Lüge, dass er (und nicht der Demokrat Joe Biden) die Präsidentenwahl 2020 gewonnen habe.
Diese Kurskorrekturen, weg vom Konservatismus, hin zum weitgehend ideologiefreien Populismus, könnte aber ganz normale Wählerinnen und Wähler vor den Kopf stossen. Umfragen zeigen bereits, dass die Demokraten, weniger als 100 Tage vor der nächsten Parlamentswahl, an Terrain zurückgewonnen haben. Statt mit einer Erdrutschniederlage der Partei von Präsident Joe Biden rechnen Beobachter nun nur noch mit leichten Verlusten.
Solche Momentaufnahmen sind mit Vorsicht zu geniessen, auch weil sich bis im November noch viel ändern kann. Eine Republikanische Partei, die nicht nur auf dem Land, sondern auch in den bevölkerungsreichen Staaten zunehmend radikale Kandidatinnen und Kandidaten aufstellt, droht aber früher oder später den Anschluss zu verlieren.
Mag sein, dass sich Trump, wenn er sich als Opfer stilisiert, gewisse Bevölkerungsschichten anspricht, die mit dieser Rolle ebenfalls liebäugeln. Und natürlich steht es ihm frei, nach einer Wahlniederlage zu behaupten, seine Gegner hätten betrogen und ihn um seinen Sieg gebracht, auch wenn er damit gegen fundamentale Spielregeln einer Demokratie verstösst.
Aber die Mehrheit der Amerikanerinnen und Amerikaner ist eigentlich ganz zufrieden mit den Grundprinzipien, auf denen die amerikanische Republik steht. Diese Wähler werden eine Republikanische Partei nicht belohnen, die Positionen vertritt, die in der grössten Volkswirtschaft der Welt nicht mehrheitsfähig sind – sofern sie im amerikanischen Zweiparteiensystem eine valable Alternative haben.
Trump mag sich also freuen darüber, dass die Säuberung der republikanischen Amtsträger nach Plan läuft. Aber längerfristig wird seine Partei bloss Erfolg haben, wenn sich die Demokraten selbst ein Bein stellen. Dies sollte den Parteifreunden von Joe Biden eine Warnung sein.
Trump hat die Reps übernommen wie Blocher die SVP. Das ist zementiert.