In seiner Antrittsrede stellte sich Joe Biden als grossen Heiler der Nation dar. Er wollte die von Donald Trump aufgerissenen Gräben in der amerikanischen Gesellschaft wieder zuschütten und die Nation wieder vereinen. Deshalb erwähnte er auch seinen Vorgänger praktisch nie, und wenn, dann sprach er vom «former guy», dem früheren Typen.
Das war Wunschdenken, in der Realität ist genau das Gegenteil eingetroffen. Trump beherrscht die Schlagzeilen wie einst im Mai, und die USA sind gespaltener denn je. Jetzt hat Präsident Biden reagiert. Bereits vor ein paar Tagen bezeichnete er die MAGA-Bewegung der Republikaner als «semi-faschistisch». Seinen Vorgänger hat er gestern in einer Grundsatzrede frontal attackiert.
«Donald Trump und die MAGA-Republikaner repräsentieren eine Art von Extremismus, welche die Grundlagen unserer Republik bedroht», erklärte Biden, flankiert von Marine-Soldaten. «Und es besteht kein Zweifel, dass die republikanische Partei von Donald Trump und der MAGA-Bewegung getrieben und beherrscht wird. Das ist eine ernsthafte Bedrohung für das Land geworden.»
Bidens Strategiewechsel hat gute Gründe, schliesslich hat er die von Neonazis angeführten Krawalle in Charlottesville im Jahr 2017 einst als Grund für seine Präsidentschaftskandidatur genannt. Die faschistische Gefahr hat seither exponentiell zugenommen und im Sturm auf das Kapitol ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden.
Trump selbst ist mittlerweile zu einer Mussolini-Karikatur verkommen. Auf seiner Plattform Truth Social postet er im Zehn-Minuten-Takt Lügen und QAnon-Verschwörungstheorien. Die Chaoten vom 6. Januar bezeichnet er als Patrioten und verspricht ihnen im Falle seiner Wiederwahl nicht nur eine Generalamnestie, sondern noch eine Entschuldigung obendrein.
Gleichzeitig hat Trump in den Vorwahlen Kandidaten unterstützt, die man nicht nur als «semi-», sondern als «100-Prozent-faschistisch» bezeichnen muss. Doug Mastriano beispielsweise, der Gouverneur von Pennsylvania werden will und nicht nur aktiv beim Sturm auf das Kapitol dabei war, sondern der als christlicher Nationalist die Gesellschaft ins Mittelalter zurückführen will.
Gleiche Töne gibt in Arizona Kari Lake von sich. Sie will ebenfalls Gouverneurin werden und wurde ebenfalls von Trump unterstützt. Im gleichen Bundesstaat gibt sich Blake Masters noch extremer. Er will in den Senat und hat nicht nur Trump hinter sich, sondern auch die finanzielle Unterstützung des Milliardärs Peter Thiel.
Der Trump-Handlanger Lindsey Graham, Senator aus South Carolina, warnt derweil von «blutigen Aufständen», sollte der Ex-Präsident angeklagt werden und befeuert damit die Bürgerkriegsfantasien der rechtsextremen Nationalisten. Keine Frage also, die Gefahr für die Demokratie, vor der Biden warnt, ist kein PR-Gag, sie ist real.
Auch politisch geht Bidens Rechnung auf. Sein Duell gegen Trump hat er vor zwei Jahren gewonnen. Im Vorfeld der Zwischenwahlen haben die Demokraten daher alles Interesse an einer Wiederholung. Eine Umfrage des «Wall Street Journal» gibt ihnen recht. Sie hat ergeben, dass Biden im direkten Vergleich mit 50 gegen 44 Prozentpunkten in Führung liegt. Gleichzeitig haben sich die Beliebtheitswerte des Präsidenten von ihrem Tief erholt.
Die gleiche Umfrage zeigt auch, dass sich die Chancen der Demokraten, ihre Mehrheit im Kongress verteidigen zu können, deutlich verbessert haben. 47 Prozent der Amerikanerinnen und Amerikaner geben derzeit den Demokraten den Vorzug, nur 44 Prozent den Republikanern. Im März lagen die Republikaner noch mit 5 Prozentpunkten in Führung. Vor allem bei den alles entscheidenden unabhängigen Wählern hat ein Meinungsumschwung stattgefunden. Lagen die Republikaner noch im März bei dieser Wählergruppe mit 12 Prozentpunkten in Führung, beträgt das Verhältnis nun 38 zu 35 Prozent zugunsten der Demokraten.
Auch was die Inhalte betrifft, ist es zu einer markanten Verschiebung gekommen. Die Bedrohung der Demokratie hat die Angst vor der Inflation von der Spitze des amerikanischen Sorgenbarometers verdrängt. Das hat eine Umfrage des TV-Senders NBC kürzlich ergeben.
Lange pflegten die Republikaner ihre konservative Politik mit der «schweigenden Mehrheit» zu rechtfertigen. Damit kommen sie nicht mehr durch. «Heute sind die weissen, christlichen, ländlichen und konservativen Wähler in der Minderheit», stellt der Historiker Max Boot in der «Washington Post» fest. «Das ist auch der Grund, weshalb die MAGA-Republikaner so hysterisch sind. Sie wissen, dass die wirtschaftlichen und demografischen Trends sich gegen sie gewendet haben.»
«Die MAGA-Republikaner wollen Amerika in die Vergangenheit zurückführen, eine Vergangenheit, in der die Menschen keine freie Wahl hatten, keine Privatsphäre, keine Empfängnisverhütung und kein Recht, die Person zu heiraten, die sie lieben», warnte Biden in seiner Grundsatzrede. Er traf damit den Nagel auf den Kopf – moralisch und politisch.
Ich staune immer wieder, wie viele Wähler das wohl wollen und deshalb genau solche Leute gewählt werden. Sind sie sich den Konsequenzen nicht bewusst oder ist die USA tatsächlich zu so einem so grossen Teil Hinterwäldlerisch?
Es ist jetzt an allen die das nicht wollen wählen zu gehen damit diese Leute keine Chance haben.