Donald Trump kommuniziert gern und oft. In einer Angelegenheit aber blieb er auffällig stumm: Im Januar enthüllte das «Wall Street Journal», dass der US-Präsident 2006 eine Affäre mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels – bürgerlicher Name Stephanie Clifford – gehabt und ihr kurz vor der Präsidentschaftswahl 2016 ein Schweigegeld von 130'000 Dollar bezahlt haben soll.
Der Präsident schwieg seinerseits, selbst als Daniels am 25. März im Magazin «60 Minutes» auf dem Fernsehsender CBS darüber plauderte, wie sie nach einem Golfturnier Sex «ohne Kondom» mit Trump gehabt habe. Am letzten Donnerstag äusserte er sich erstmals zur Affäre. Im Gespräch mit Reportern an Bord von Air Force One behauptete Trump, er wisse nichts von einer Zahlung von 130'000 Dollar: «Sie müssen Michael Cohen fragen. Er ist mein Anwalt.»
Dieser Michael Cohen steht nun im Zentrum der neusten Turbulenzen in Trumps chaotischer Präsidentschaft. Am Montag durchsuchte das FBI sein Büro im New Yorker Rockefeller Center und sein Hotelzimmer an der noblen Park Avenue. Donald Trump reagierte darauf selbst für seine Verhältnisse heftig.
Am Rande eines Gesprächs mit Militärs im Weissen Haus – bei dem es um eine mögliche Antwort auf den mutmasslichen Giftgasangriff des syrischen Regimes ging – bezeichnete er das Vorgehen des FBI als «Schande». Die Bundespolizei sei in Cohens Büro «eingebrochen» (sie besass einen richterlichen Durchsuchungsbefehl). «Es war ein Angriff auf unser Land im wahrsten Sinn des Wortes. Ein Angriff auf alles, wofür wir stehen», schimpfte Trump.
Diese Worte zeigen: Die «Razzia» bei seinem Anwalt macht Donald Trump nervös. Sehr nervös sogar. Worum es ging, ist laut US-Medien noch unklar. Die Russland-Affäre scheint eine Nebenrolle zu spielen. Tatsächlich kam die Anordnung nicht direkt von Sonderermittler Robert Mueller, sondern von der Bundesanwaltschaft in New York. Sie besass offenbar genug Indizien, um einen Richter zu überzeugen, die Durchsuchung zu bewilligen.
Die angebliche Schweigegeld-Zahlung an Stormy Daniels dürfte eine zentrale Rolle spielen. Sie soll im Oktober 2016 erfolgt sein, weniger als zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl. Der Verdacht liegt nahe, dass Daniels den Mund halten sollte, um Trumps Wahlsieg nicht zu gefährden. In diesem Fall könnten die 130'000 Dollar als illegale Wahlkampffinanzierung beurteilt werden.
Michael Cohen ist eine schillernde Figur. Er arbeitet seit 2006 für Donald Trump und gilt als dessen «Mann fürs Grobe» in juristischen Angelegenheiten. Dem Magazin «Vanity Fair» sagte Cohen, er würde sich «für den Präsidenten in die Schusslinie werfen». US-Medien spekulieren, dass sich in seinen Akten allerlei Material befindet, das für Trump unangenehm werden könnte.
Das Verhältnis zwischen Anwalt und Klient unterliegt jedoch der Vertraulichkeit, was für die Ermittler ein Problem ist. Im Fall des mutmasslichen Schweigegelds für Stormy Daniels allerdings könnte Trumps Ausrede für ihn zum Stolperstein werden. Falls er tatsächlich nichts über diese Zahlung gewusst hat, könnte die Vertraulichkeit nicht zur Anwendung kommen.
Juristen beurteilen die neuste Entwicklung aus diesem Grund als unheilvoll für Trump. «Das ist ein unglaublich aggressives Vorgehen», sagte Ross Garber, ein Experte für Regierungsermittlungen, dem Onlineportal Politico. «Ich wäre anstelle des Präsidenten und von Mr. Cohen sehr besorgt. Das Justizministerium muss davon ausgehen, dass es auf einer sehr soliden Grundlage vorgeht.»
Trump scheint die Bedrohung erkannt zu haben. Während seiner «Wutrede» am Montag deutete er nicht nur ein weiteres Mal an, er könnte Sonderermittler Mueller feuern. Er attackierte auch seinen treuen Gefolgsmann, Justizminister Jeff Sessions, und dessen Stellvertreter Rod Rosenstein. Sie sollten sich lieber Hillary Clinton vorknöpfen, «dort sind die wahren Verbrechen».
In this investigation, Trump is like a Geiger counter. As he emits more noise, you know you're close to something radioactive.
— Nicholas Kristof (@NickKristof) April 10, 2018
Der «5-Fronten-Krieg,» in dem sich Donald Trump befindet, zieht den Präsidenten immer tiefer in den Abgrund. Ob er davonkommen wird, wenn Michael Cohen für ihn die Kugel einfangen sollte, ist alles andere als sicher.