Die Worte, die Andrea Nahles an diesem Sonntag als Pressemitteilung verschickt, lösen ein wahres SPD-Beben aus. «Die Diskussion in der Fraktion und die vielen Rückmeldungen aus der Partei haben mir gezeigt, dass der zur Ausübung meiner Ämter notwendige Rückhalt nicht mehr da ist», schreibt Nahles, die ihren Rücktritt sowohl als Partei-, wie auch als Fraktionsvorsitzende erklärt.
Eigentlich war der grosse Showdown für Dienstag geplant. Nahles wollte sich als Fraktionschefin vorzeitig zur Wahl stellen. Das hätte durchaus einen positiven Ausgang für sie haben können. Wäre sie im Amt bestätigt geworden, wäre sie gestärkt aus dem Hickhack der vergangenen Wochen hervorgegangen und hätte vermutlich erst einmal Ruhe gehabt.
Doch jetzt wirft Nahles vorzeitig hin und lässt es gar nicht erst zu diesem Vertrauenstest kommen. Es waren jedoch nicht nur die fatalen Ergebnisse bei der Europawahl, bei der die SPD hart abgestraft wurde und weit hinter den Grünen auf Platz 3 landete, die Nahles das Amt kosteten.
Es waren vor allem ihre Genossen und deren Verhalten, die Nahles das Genick brachen. «Ob ich die nötige Unterstützung habe, wurde in den letzten Wochen wiederholt öffentlich in Zweifel gezogen. Deshalb wollte ich Klarheit. Diese Klarheit habe ich in dieser Woche bekommen», schreibt Nahles in ihrem Statement. Das sind heftige Sätze. Nahles sagt damit nicht weniger, als dass ihr ihre Parteikollegen klar zu verstehen gegeben haben, dass sie nicht mehr die Unterstützung für die beiden Spitzenämter habe.
Kein Wunder, dass Nahles nach den Ereignissen in den vergangenen sieben Tagen zu diesem Schluss kommt. Zu heftig wurde seit der Europawahl öffentlich über andere Kandidaten an der Fraktionsspitze debattiert, vor allem über Martin Schulz und auch über Achim Post.
Und zu viele Akteure sind Nahles seitdem öffentlich in den Rücken gefallen. Nur 3 von vielen Beispielen:
Doch die Genossen dürften noch bereuen, dass sie eine Vorsitzende wie Nahles aus dem Amt trieben. Dass Nahles politisch und vor allem auch gegenüber dem Koalitionspartner Union viel erreicht (hat), das zweifelt niemand ernsthaft an. Nahles gilt als fachkompetent, fleissig, verhandlungsstark.
Bei wichtigen Fragen half Nahles, Kompromisse im Sinne der SPD durchzusetzen. Ob beim Asylstreit, beim Mindestlohn, bei der Grundrente, bei der »Ehe für Alle". Nahles kann Dinge durchsetzen.
Jetzt stellt sich nur die Frage, was mit einer neuer Spitze an Partei und Fraktion besser werden soll. Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt: Der SPD hat es nie gut getan, wenn sie ihren Vorsitzenden in einer scheinbar schlechten Lage der Partei wechselte. Denn nach dem Wechsel an der Parteispitze wurde die Lage der SPD immer nur noch schlechter, die Umfragewerte nur noch geringer.
Die Wähler wählen nicht einfach wieder SPD, nur weil die Partei in fast schon erschreckender Regelmässigkeit ihre Vorsitzenden austauscht. Das anzunehmen, wäre ein Trugschluss.
Stattdessen droht die SPD nun ganz Deutschland ins Polit-Chaos zu stürzen. Denn mit dem Nahles-Aus könnte das Aus der grossen Koalition näher rücken. Eine SPD-Abgeordnete sagte jüngst, sie befürchte, dass die SPD ohne Nahles «ohne jede Strategie aus der grossen Koalition rausgeht».
Dass die SPD bei Neuwahlen als Profiteur vom Platz gehen würde, glaubt angesichts der derzeitigen Umfragewerte von teils nur noch zwölf Prozent wohl selbst kein Genosse.
Ihr Statement beendet Nahles übrigens mit einem fast schon lakonisch anmutenden Satz: «Meinen Nachfolgerinnen oder Nachfolgern wünsche ich viel Glück und Erfolg.» Dem kann man sich nur anschliessen. Viel Glück – das braucht der oder die nächste SPD-Vorsitzende tatsächlich.
Weder sympathisch noch glaubwürdig noch charismatisch noch irgendwas! Sie hätte die Konsequenzen aus all den Debakeln ja längst auch selbst ziehen müssen.