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Mueller Hearing: Jahrhundert-Show oder todlangweilig?

Mueller Teaserbild Stadion
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Mueller-Hearing: Jahrhundert-Show oder todlangweilig?

Die Spannung steigt: Robert Mueller wird demnächst vor dem Justizausschuss des US-Abgeordnetenhauses auftreten. Der Präsident und Fox News schiessen sich auf den Sonderermittler ein.
13.07.2019, 16:2414.07.2019, 14:10
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Noch vor kurzem gab sich Justizminister William Barr gelassen. Sollte Robert Mueller vor dem Kongress aussagen wollen, habe er damit überhaupt kein Problem, erklärte er jedem, der es hören wollte.

Seit bekannt wurde, dass der Sonderermittler tatsächlich vor dem Justizausschuss des Abgeordnetenhauses erscheinen wird, tönt es ganz anders. Das sei ein unnötiges Spektakel, lästert der Justizminister nun.

Barr hat allen Grund, nervös zu sein. In seinem ominösen vierseitigen Brief hat er den Inhalt des Mueller-Reports auf geradezu groteske Weise verfälscht, bevor die Öffentlichkeit eine Chance hatte, diesen zu lesen.

Attorney General William Barr, center, stands with Sen. Tim Scott, R-S.C., left, and Sen. Lindsey Graham, R-S.C., as he speaks to reporters after touring Edgefield Federal Correctional Institution Mon ...
Spricht von «überflüssigem Spektakel»: Justizminister William Barr (Mitte).Bild: AP

Barr gab Präsident Trump damit die Gelegenheit, wochenlang in die Welt zu trompeten, Mueller habe festgestellt, es habe weder «collusion» (Zusammenarbeit mit den Russen) noch «obstruction» (Behinderung der Justiz) gegeben.

Bereits eine knapp zehnminütige Pressekonferenz des Sonderermittlers hat dies als Wunschdenken entlarvt. Mueller hielt unmissverständlich fest, dass er den Präsidenten vom Vorwurf der Obstruktion frei gesprochen hätte, wenn die Fakten dies erlaubt hätten.

Seit dieser Pressekonferenz herrscht wieder offener Krieg zwischen dem Trump-Lager und Mueller. Selbst der Sexskandal des Milliardärs Jeffrey Epstein kann Fox News nicht daran hindern, das Schwergewicht der Berichterstattung auf den Sonderermittler zu legen.

Tirade gegen Mueller: Sean Hannity.Video: YouTube/Fox News

Seit Tagen prügeln Sean Hannity & Co. auf Mueller ein, wiederholen zum x-ten Mal längst bekannte und widerlegte Vorwürfe: Die ganze Russland-Affäre sei ein «schlechter Witz», ausgedacht von einem «tiefen Staat» – was immer das auch sein mag – und den Clintons, mit dem Zweck, Trump zu Fall zu bringen.

Die Trump-Versteher hoffen inbrünstig, dass Muellers Auftritt ein Eigengoal für die Demokraten wird. Sie wollen endlich Auskunft darüber erhalten, wie es überhaupt zu den Ermittlungen gegen Trump kam, denn sie wittern darin Spionage, ja gar Landesverrat.

Sie dürften enttäuscht werden. Im Mueller-Report – er ist übrigens inzwischen auch auf Deutsch erhältlich – steht unmissverständlich:

«Die russische Regierung mischte sich 2016 tiefgreifend und systematisch in den Präsidentschaftswahlkampf ein. (…) Ende Juli 2016, kurz nachdem Wikileaks erste gestohlene Dokumente veröffentlicht hatte, informierte eine ausländische Regierung das FBI über ein Treffen mit dem aussenpolitischen Wahlkampfberater George Papadapoulos, das im Mai 2016 stattgefunden hatte. (…) Diese Informationen veranlassten das FBI, am 31. Juli 2016 eine Untersuchung zu eröffnen, um zu klären, ob es Absprachen zwischen Mitgliedern des Trump-Wahlkampfteams und der russischen Regierung in Bezug auf deren Einmischungsaktivitäten gab.»

Enttäuscht könnten jedoch auch die Demokraten werden. Mueller hat an seiner Pressekonferenz erklärt, dass er kein Jota von seiner schriftlichen Version abweichen werde. In seiner Eigenschaft als FBI-Direktor hat er bei zahlreichen Auftritten vor dem Kongress hinlänglich bewiesen, dass er sich stur an Fakten hält.

Robert Reich, der ehemalige Arbeitsminister der Clinton-Regierung und heftiger Kämpfer gegen Trump, befürchtet denn auch einen Flop. Es werde schrecklich langweilig werden, jammert er.

epa07415381 Former US Labor Secretary Robert Reich speaks at an event with the Democratic Senator of Minnesota and 2020 presidential candidate Amy Klobuchar at the Center for American Progress in Wash ...
Befürchtet Flop: Robert Reich.Bild: EPA/EPA

Das muss nicht sein. Wer den mehr als 400-seitigen Mueller-Report liest – und das sind bisher nur sehr wenige –, der ist schockiert, ja er wechselt vielleicht sogar seine Meinung. Das tat beispielsweise Justin Amash, ein erzkonservativer Abgeordneter aus dem Bundesstaat Massachusetts. Als einziger Republikaner fordert er nach der Lektüre des Reports ein Impeachment gegen den Präsidenten. Seither wird er von seiner ehemaligen Partei – er ist inzwischen ausgetreten – wie ein Aussätziger behandelt.

Ob der Präsident impeached werden soll oder nicht, ist auch bei den Demokraten umstritten. Mit den Hearings wollen sie jedoch erreichen, dass aus dem Buch ein Film wird, will heissen: Dass die Amerikanerinnen und Amerikaner endlich wissen, was überhaupt im Report steht, weil sie das Hearing am TV-Schirm verfolgen können.

Der Mueller-Report ist für Trump tatsächlich vernichtend. Er zeigt glasklar auf, dass sein Team noch so gerne mit den Russen kooperiert hätte, aber schlicht zu blöd dafür war. So heisst es etwa:

«Das Präsidentschaftswahlkampfteam von Donald J. Trump zeigte sich an den durch Wikileaks veröffentlichten Dokumenten interessiert und bekundete seine Freude darüber, dass man der Kandidatin Clinton damit Schaden zufügen konnte.»

In der Frage der Obstruktion der Justiz listet Mueller mehr als zehn Fälle auf, in denen dies der Fall hätte sein können. In fünf davon ist es offensichtlich. Mueller hat auf eine Anklage verzichtet, weil eine Richtlinie des Justizministeriums besagt, dass ein amtierender Präsident nicht vor Gericht gezerrt werden darf.

Es gibt also gute Gründe für die Nervosität des Justizministers und die Tiraden auf Fox News.

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quelle: ap/ap / steven senne
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Video: srf
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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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TanookiStormtrooper
13.07.2019 16:33registriert August 2015
Ich muss mir die Komplette Show ja nicht geben, Philipp Löpfe kann sich das ganze ja ansehen und und Lesern dann eine Zusammenfassung schreiben. Dann noch mal kurz bei Twitter vorbeischauen, denn je mehr sich Trump aufregt, desto besser war es wohl. 😎🍿
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hämpii
13.07.2019 20:42registriert Dezember 2018
Ich mag Trump nicht, aber auf irgendeine mir unerklärliche Art und Weise scheinen die Amis dem hörig zu sein. Anders kann ich mir einfach nicht erklären, wieso der immer noch im Amt ist...
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