Noch vor kurzem gab sich Justizminister William Barr gelassen. Sollte Robert Mueller vor dem Kongress aussagen wollen, habe er damit überhaupt kein Problem, erklärte er jedem, der es hören wollte.
Seit bekannt wurde, dass der Sonderermittler tatsächlich vor dem Justizausschuss des Abgeordnetenhauses erscheinen wird, tönt es ganz anders. Das sei ein unnötiges Spektakel, lästert der Justizminister nun.
Barr hat allen Grund, nervös zu sein. In seinem ominösen vierseitigen Brief hat er den Inhalt des Mueller-Reports auf geradezu groteske Weise verfälscht, bevor die Öffentlichkeit eine Chance hatte, diesen zu lesen.
Barr gab Präsident Trump damit die Gelegenheit, wochenlang in die Welt zu trompeten, Mueller habe festgestellt, es habe weder «collusion» (Zusammenarbeit mit den Russen) noch «obstruction» (Behinderung der Justiz) gegeben.
Bereits eine knapp zehnminütige Pressekonferenz des Sonderermittlers hat dies als Wunschdenken entlarvt. Mueller hielt unmissverständlich fest, dass er den Präsidenten vom Vorwurf der Obstruktion frei gesprochen hätte, wenn die Fakten dies erlaubt hätten.
Seit dieser Pressekonferenz herrscht wieder offener Krieg zwischen dem Trump-Lager und Mueller. Selbst der Sexskandal des Milliardärs Jeffrey Epstein kann Fox News nicht daran hindern, das Schwergewicht der Berichterstattung auf den Sonderermittler zu legen.
Seit Tagen prügeln Sean Hannity & Co. auf Mueller ein, wiederholen zum x-ten Mal längst bekannte und widerlegte Vorwürfe: Die ganze Russland-Affäre sei ein «schlechter Witz», ausgedacht von einem «tiefen Staat» – was immer das auch sein mag – und den Clintons, mit dem Zweck, Trump zu Fall zu bringen.
Die Trump-Versteher hoffen inbrünstig, dass Muellers Auftritt ein Eigengoal für die Demokraten wird. Sie wollen endlich Auskunft darüber erhalten, wie es überhaupt zu den Ermittlungen gegen Trump kam, denn sie wittern darin Spionage, ja gar Landesverrat.
Sie dürften enttäuscht werden. Im Mueller-Report – er ist übrigens inzwischen auch auf Deutsch erhältlich – steht unmissverständlich:
Enttäuscht könnten jedoch auch die Demokraten werden. Mueller hat an seiner Pressekonferenz erklärt, dass er kein Jota von seiner schriftlichen Version abweichen werde. In seiner Eigenschaft als FBI-Direktor hat er bei zahlreichen Auftritten vor dem Kongress hinlänglich bewiesen, dass er sich stur an Fakten hält.
Robert Reich, der ehemalige Arbeitsminister der Clinton-Regierung und heftiger Kämpfer gegen Trump, befürchtet denn auch einen Flop. Es werde schrecklich langweilig werden, jammert er.
Das muss nicht sein. Wer den mehr als 400-seitigen Mueller-Report liest – und das sind bisher nur sehr wenige –, der ist schockiert, ja er wechselt vielleicht sogar seine Meinung. Das tat beispielsweise Justin Amash, ein erzkonservativer Abgeordneter aus dem Bundesstaat Massachusetts. Als einziger Republikaner fordert er nach der Lektüre des Reports ein Impeachment gegen den Präsidenten. Seither wird er von seiner ehemaligen Partei – er ist inzwischen ausgetreten – wie ein Aussätziger behandelt.
Ob der Präsident impeached werden soll oder nicht, ist auch bei den Demokraten umstritten. Mit den Hearings wollen sie jedoch erreichen, dass aus dem Buch ein Film wird, will heissen: Dass die Amerikanerinnen und Amerikaner endlich wissen, was überhaupt im Report steht, weil sie das Hearing am TV-Schirm verfolgen können.
Der Mueller-Report ist für Trump tatsächlich vernichtend. Er zeigt glasklar auf, dass sein Team noch so gerne mit den Russen kooperiert hätte, aber schlicht zu blöd dafür war. So heisst es etwa:
In der Frage der Obstruktion der Justiz listet Mueller mehr als zehn Fälle auf, in denen dies der Fall hätte sein können. In fünf davon ist es offensichtlich. Mueller hat auf eine Anklage verzichtet, weil eine Richtlinie des Justizministeriums besagt, dass ein amtierender Präsident nicht vor Gericht gezerrt werden darf.
Es gibt also gute Gründe für die Nervosität des Justizministers und die Tiraden auf Fox News.