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Analyse

Kann Xi Jinping Wladimir Putin stoppen?

epa09726930 Russian President Vladimir Putin (L) and Chinese President Xi Jinping (R) meet in Beijing, China, 04 February 2022. Putin arrived in China on the day of the Beijing 2022 Winter Olympic Gam ...
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Analyse

Kann Xi Jinping Wladimir Putin stoppen?

Die russische Invasion bringt China in eine Zwickmühle. Deshalb könnte der chinesische Präsident seinen russischen Amtskollegen zur Mässigung überreden.
25.02.2022, 19:0125.02.2022, 19:19
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Zwischen Xi Jinping und Wladimir Putin gibt es eine Bromance, wie sie romantischer nicht sein könnte. Xi beschreibt Wladi als seinen «besten Kollegen im Ausland und als den Mann, dem ich mich anvertraue». Die beiden haben sogar einmal im selben Team Eishockey gespielt.

Auch politisch passen die beiden bestens zueinander. Sie halten nichts vom westlichen Liberalismus und von Demokratie, sondern sehen sich als diktatorische Herrscher, die ihr Volk mit harter Hand führen. Geopolitisch verfolgen Xi und Putin ebenfalls das gleiche Ziel: Sie wollen die Nach-Kalte-Kriegs-Ordnung, den amerikanischen Unilateralismus, zerschlagen.

Kein Wunder also, erklärte Xi in einem Interview mit einer russischen Radiostation:

«Wir haben gleiche Ansichten über die gegenwärtige Situation der Welt. Wir haben die gleiche Philosophie, was die Art und Weise betrifft, wie wir unser Land regieren wollen, und wir tragen die gleiche Verantwortung, wenn es darum geht, unsere beiden Länder wieder zu revitalisieren. Was jedoch das Wichtigste ist: Wir haben eine deckungsgleiche Ansicht, was die strategische Bedeutung einer sino-russischen Verbindung betrifft.»

Angesichts solcher Töne müsste man erwarten, dass China sich mit fliegenden Fahnen hinter die russische Invasion in die Ukraine stellt. So kann man jedoch die Reaktion aus Peking beim besten Willen nicht bezeichnen. Das chinesische Aussenministerium verurteilt zwar die Aggression der Nato und macht die USA für den Krieg verantwortlich. Doch es betont gleichzeitig die Souveränität von Nationen und gibt der Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Konflikts Ausdruck. China hat übrigens bis heute die Annexion der Krim nicht anerkannt.

Die chinesische Zurückhaltung wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, was für Peking auf dem Spiel steht. Jude Blanchette und Bonny Lin vom Center for Strategic and International Studies, einem hochkarätigen Thinktank in Washington, schreiben dazu in «Foreign Affairs»:

«Könnte Peking eigenmächtig bestimmen, dann würde es eine starke Verbindung mit Moskau aufrechterhalten, seine Handelsbeziehungen mit der Ukraine schützen, die EU in seiner wirtschaftlichen Umlaufbahn behalten und vermeiden, dass man von den US- und EU-Sanktionen betroffen wird, die gegen Russland ausgesprochen werden – all dies, ohne dass sich die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten noch weiter verschlechtern.»

Alle diese Bälle in der Luft zu behalten, ist natürlich reines Wunschdenken. China befindet sich in einem Catch-22. Nach einem Roman von Joseph Heller bezeichnet man so eine Situation, in der man verliert, was immer man auch tut. Doch Peking kann es sich auch nicht leisten, vornehm über der ganzen Sache zu stehen. «Was die Ukraine betrifft, spielt China ein gefährliches Spiel, eines, dessen Ausgang es dereinst bedauern mag», stellen daher Blanchette/Lin fest.

A Ukrainian soldier sits injured after crossing fire inside the city of Kyiv, Ukraine, Friday, Feb. 25, 2022. Russia pressed its invasion of Ukraine to the outskirts of the capital Friday after unleas ...
Ein verletzter ukrainischer Soldat wartet auf Hilfe in Kiew, beschützt von einem Kameraden.Bild: keystone

Die geopolitischen Ziele von Russland und China mögen deckungsgleich sein, die wirtschaftlichen Interessen sind es nicht. Ökonomisch gesehen ist Russland tatsächlich – wie Barack Obama einst spottete – eine Regionalmacht. Sein Bruttoinlandprodukt ist gerade mal so gross wie das von Italien oder Texas. Gemeinsam haben die USA und die EU daher eine wirtschaftliche Potenz, welche diejenige von Russland um ein x-Faches übersteigt.

Will es seinen Wohlstand erhalten, braucht China diese Handelsbeziehungen zum Westen. Denn wer will schon seine beiden besten Kunden vor den Kopf stossen?

Auch mit der Ukraine hat China bisher gute wirtschaftliche Beziehungen unterhalten. Jährlich wurden bisher Waren im Wert von rund 15 Milliarden Dollar ausgetauscht. Die Ukraine ist auch Teil der Belt and Road Initiative, des ehrgeizigen, weltumspannenden Entwicklungsprogramms der Chinesen.

Geopolitisch geht die Rechnung ebenfalls nicht auf. Das brutale Vorgehen Putins hat zu etwas geführt, was bisher kaum möglich schien: Die Reihen der westlichen Verbündeten schliessen sich. Von Washington bis Brüssel dämmert die Einsicht, dass Demokratie und Rechtsstaat sich in ernster Gefahr befinden, und dass man den beiden Diktatoren Putin und Xi die Stirne bieten muss.

China steht daher vor einer Wahl, die weitreichende Konsequenzen haben wird: Schlägt es sich bedingungslos auf die Seite Russlands, dann schlägt es auch seinen wichtigsten Handelspartnern ins Gesicht. Es ist daher wahrscheinlich, dass Peking alles unternehmen wird, um aus dieser Zwickmühle zu entkommen.

Das bedeutet konkret, dass Xi seinen Bromance-Partner Putin auffordern könnte, den Fuss vom Gas zu nehmen und den Krieg in der Ukraine auf ein Minimum zu reduzieren. Das ist derzeit die einzige Möglichkeit, den wahnwitzigen Diktator zu stoppen. Insider wollen wissen, dass Putin – wenn überhaupt – einzig auf Xi und seinen engsten Freundeskreis horcht.

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Satellitenbilder zeigen russische Truppenbewegungen
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Satellitenbilder zeigen russische Truppenbewegungen
Satellitenbilder, entstanden nordwestlich von Belgorod, Russland.
quelle: keystone / maxar technologies handout
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«Was zur Hölle tun Sie hier!?» Ukrainerin schreit russischen Soldaten an – und weitere Eindrücke aus der Ukraine
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52 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cpt. Jeppesen
25.02.2022 20:02registriert Juni 2018
Fakt ist, beide Despoten brauchen den liberalen, kapitalistischen Westen um ihre Waren zu verkaufen.
Es ist auch nicht so, dass es China besonders gut ginge. Die Wachstumsrate geht zurück, sie bekommen keinen Zugriff auf die wirkliche Hightech-Industrie und haben Probleme mit einer massiv überalterten Gesellschaft, einhergehend mit Problemen der Energie- und Nahrungsmittelversorgung.
Russland wiederum hatte 30 Jahre Zeit etwas aus sich zu machen. Nur hat Putin alles Geld für sich und seine Kumpels behalten und die Gesellschaft kommt somit nicht vom Fleck.
Dünnes Eis für die beiden Despoten.
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Asterio
25.02.2022 19:19registriert Oktober 2018
„Den Krieg in der Ukraine auf ein Minimum zu reduzieren„. Was heisst dies denn genau? Die rote Linie wurde ja bereits überschritten, da kann auch ein „milder“ Krieg nichts mehr daran ändern.
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mrmikech
25.02.2022 19:25registriert Juni 2016
Xi will Putin zu seiner Hündin machen, so wie Trump Putins Hündin war.
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