
Zwei Freundinnen von Mary Jane Veloso nach einem Besuch bei ihr im Gefängnis. Sie werden von den Medien belagert.Bild: BEAWIHARTA/REUTERS
Eigentlich hätte Mary Jane Veloso jetzt schon tot sein sollen. Doch Indonesiens Justiz hat ihre Hinrichtung im letzten Moment gestoppt. Ihre Rettung verdankt sie ausgerechnet der Frau, die ihr einst Drogen untergeschoben haben soll.
29.04.2015, 06:4729.04.2015, 09:16
Christoph Sydow, Sydney
Ein Artikel von

Am Dienstagvormittag betritt eine Frau eine Polizeiwache in der philippinischen Provinz Nueva Ejica. «Ich habe Angst um mein Leben», sagt sie, deshalb wolle sie sich stellen.
Mit diesen Worten rettet Maria Kristina Sergio einer anderen Frau das Leben, die fest damit rechnet, dass sie in wenigen Stunden von einem Erschiessungskommando getötet wird. Mary Jane Veloso sitzt in einer Todeszelle in Indonesien. Sie ist eine von neun Gefangenen, die hingerichtet werden sollen. Die 30-Jährige hat sich von ihrer Familie verabschiedet, der Sarg steht schon bereit.

Einer dieser Särge war für Veloso bestimmt.Bild: ANTARA FOTO/REUTERS
Die Philippinerin Veloso wurde 2010 zum Tode verurteilt, weil bei ihrer Einreise nach Indonesien 2,6 Kilogramm Heroin gefunden worden waren. Das Rauschgift war in der Hülle ihres Koffers versteckt. Veloso hat stets beteuert, sie habe nicht gewusst, dass sie Heroin bei sich trug. Die Tasche sei ihr von ihrer Freundin Maria Kristina Sergio übergeben worden. Doch die war seit Jahren untergetaucht – bis zum Dienstagvormittag.
Veloso bekommt keinen rechtsstaatlichen Prozess
Die beiden Frauen kannten sich seit ihrer Kindheit, Silva ist die Tochter von Velosos Patenonkel. Was vor ihrer Festnahme 2010 passierte, hatten Velosos Anwälte so geschildert: Silva habe ihre Freundin angeheuert, für einen Bekannten in Malaysia als Hausmädchen zu arbeiten. Sie zahlte ihr umgerechnet 400 Euro, versprach ihr ein Motorrad und ein Handy.
Gemeinsam flogen die Frauen nach Malaysia, doch dort sagte Silva ihrer Freundin auf einmal, dass der Job schon vergeben sei. Sie versprach Veloso, eine andere Stelle für sie zu finden. Die beiden Frauen verbringen drei Tage in Kuala Lumpur, Silva bezahlt teure Ausflüge in die Shoppingmalls der Metropole.

In Manila gingen die Menschen auf die Strasse, um gegen das Todesurteil ihrer Landsfrau zu demonstrieren. Bild: ERIK DE CASTRO/REUTERS
Am 25. April 2010 sagt Silva, sie habe einen Job für Veloso gefunden, in Indonesien, alles müsse ganz schnell gehen. Sie zahlt ihr das Flugticket nach Yogyakarta, gibt ihr Bargeld mit und einen nagelneuen Koffer für das Gepäck. In jenem Koffer wird wenige Stunden später das Heroin im Wert von etwa einer halben Million Euro gefunden.
Die philippinische Botschaft in Jakarta wird erst drei Monate später über die Verhaftung ihrer Staatsbürgerin informiert. Veloso bekommt keinen rechtsstaatlichen Prozess. Der Verhandlung kann sie nicht folgen, weil ihr das Gericht einen Dolmetscher verweigert, der ihr das Verfahren in ihre Muttersprache Tagalog übersetzen könnte. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für die Angeklagte, das Gericht verurteilt sie trotzdem zum Tode.
Ihre Anwälte versuchen mehrfach ein Wiederaufnahmeverfahren zu erreichen, der philippinische Präsident Benigno Aquino III. bittet seinen indonesischen Amtskollegen Joko Widodo immer wieder um Gnade für Veloso. Auf den Philippinen gewinnt die Kampagne #SaveMaryJane an Zulauf, Hunderttausende schliessen sich der Forderung an, die Frau zu verschonen.

In solchen Autos wurden die Leichen derjenigen, bei denen das Todesurteil vollstreckt wurde, abtransportiert. Bild: ADI WEDA/EPA/KEYSTONE
Mitleid in Indonesien
Und selbst in Indonesien regt sich Mitgefühl. Denn in Velosos Lebenslauf finden sich auch viele Indonesier wieder. Sie stammt aus ärmsten Verhältnissen, ist das jüngste von fünf Kindern und muss schon als kleines Mädchen Müll sammeln und verkaufen, um ihrer Familie zu helfen. Mit 17 heiratet sie, das Paar bekommt zwei Kinder, der Mann trennt sich, sie steht als alleinstehende Mutter dar.
Wie Hunderttausende Frauen aus Südostasien verlässt sie ihre Heimat, um als Hausmädchen in den reichen arabischen Golfstaaten zu arbeiten. Ihre Söhne lässt sie zurück, sie sind heute sechs und zwölf Jahre alt. Ihren Job aus Haushaltshilfe in Dubai gibt sie schon nach wenigen Monaten auf. Veloso behauptet, ihr Arbeitgeber habe versucht, sie zu vergewaltigen. Nur deshalb ging sie überhaupt auf Silvas Jobangebot ein.

Bei den Männern auf diesem Schiff handelt es sich wahrscheinlich um die Leute, die das Todesurteil der acht Drogenschmuggler ausführen mussten. Velosos Hinrichtung wurde im letzten Moment verschoben.Bild: ADI WEDA/EPA/KEYSTONE
Doch alle Gnadenappelle in Indonesien verhallen ungehört – bis sich Sergio in ihrer Heimat den Behörden stellt. Sie behauptet, Todesdrohungen erhalten zu haben. Die philippinische Polizei sucht die Frau wegen des Verdachts auf Menschenhandel und will sie vor Gericht stellen. Die Behörden in Manila alarmieren die Justiz in Indonesien: Velosos Hinrichtung müsse unbedingt gestoppt werden, sie werde als Zeugin im Verfahren gegen Silva gebraucht.
«Gott hat unsere Gebete erhört»
Und tatsächlich: Die indonesischen Behörden geben der Bitte nach. Während acht andere verurteilte Drogenschmuggler in der Nacht zum Mittwoch von einem Erschiessungskommando umgebracht werden, kommt Veloso mit dem Leben davon.
«Die Hinrichtung von Mary Jane ist verschoben worden, weil der philippinische Präsident darum bat – wegen einer Verdächtigen, die sich auf den Philippinen gestellt hat», teilte Tony Spontana, Sprecher der Staatsanwaltschaft mit.
Der Sinneswandel kam in letzter Minute: Noch eine Stunde vor der geplanten Erschiessung hatten die Behörden betont, Veloso werde wie geplant getötet. Ihre Familie hatte die Hoffnung da fast schon aufgegeben. «Wir sind sehr, sehr glücklich», sagte ihre Mutter Celia Veloso. «Gott hat unsere Gebete erhört.»
Wann Veloso nun im Verfahren gegen Silva aussagen wird, ist derzeit noch unklar. Der indonesischen Justiz ist aber ein Punkt ganz wichtig: Die Exekution wurde aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Endgültig könnte wohl nur Silvas Geständnis die Verurteilte vor der Hinrichtung bewahren.
Der neue Papst Leo XIV. dürfte den Kurs seines Vorgängers Franziskus fortsetzen. Das bedeutet jedoch auch, dass tiefgreifende Reformen weiterhin nicht zu erwarten sind.
Robert wer? Diese Frage dürften sich viele Katholiken und Anders- oder Ungläubige gestellt haben, als der Name des neuen Papstes am Donnerstagabend auf dem Balkon der Peterskirche verkündet wurde. Den US-Kardinal Robert Francis Prevost hatten nur wenige auf der Rechnung, obwohl er in den Papabile-Prognosen teilweise genannt worden war.