Eine Frau wird in einem Hotel in Peking von einem Mann belästigt. Menschen gehen vorbei ohne einzugreifen, über drei Minuten lang dauert das Martyrium. Eine Überwachungskamera hat die Szene festgehalten, das Video geht in China viral.
Das Opfer hat sich laut der «Washington Post» auf dem chinesischen Mikroblog Weibo als Wanwan zu Wort gemeldet – demnach ist ihre Stimme im Hintergrund zu hören, als sie das Überwachungsvideo anschaut. Sie sei am Abend des 3. Aprils gegen 23 Uhr aus dem Lift gestiegen in einem Pekinger Hotel. Als sie ihren Schlüssel suchte, habe sich ihr ein Mann von hinten genähert. Drei Minuten lang schlug, begrabschte und schubste er sie.
Ein Hotelangestellter und mindestens vier weitere Personen wurden der Szene gewärtig, ohne einzugreifen. Sie habe den Angestellten um Hilfe gebeten, doch der habe bloss gesagt, sie solle leise sein, berichtet Wanwan. Als der Angreifer die Frau in ein Treppenhaus ziehen will, schreitet eine Passantin ein, andere kommen dazu, der Übeltäter flieht.
Viral footage shows bystanders doing nothing as Chinese woman is attacked in hotel https://t.co/kwqXVIbI0i
— Washington Post (@washingtonpost) 7. April 2016
Das Ereignis wirft ein Licht auf zwei Phänomene, schreibt die Korrespondentin der «Washington Post», an denen China krankt: Gewalt gegen Frauen und die Gleichgültigkeit von Mitmenschen.
Offenbar würden solche Angriffe oft als Streitigkeiten zwischen Paaren und damit als Familienangelegenheit betrachtet, in die man sich nicht einmischen sollte. Wanwan äusserte sich in ihrer Meldung zudem bestürzt über die Reaktion der Polizei: Als sie sich bei den Behörden meldete, hiess es, die Zuständigen für solche Fälle seien nicht hier, sie solle es am Donnerstag versuchen.
Der Fall weckt Erinnerungen an ein kleines Mädchen, das 2011 in Guangdong von einem Lastwagen überrollt wurde. In der Folge gingen mehrere Personen an dem verletzten Kind vorbei, ohne sich darum zu kümmern. (kad)