Schweizer Häuser werden teurer und teurer – diese Gefahr droht den Eigentümern
Die Immobilienpreise steigen in der Schweiz immer höher, und dies schon seit mehr als 20 Jahren. Einfamilienhäuser sind laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich seit dem Jahr 2000 um 135 Prozent teurer geworden – also um mehr als das Doppelte. Und immer wieder taucht die Frage auf: Wie kann das irgendwer noch zahlen?
Das wollte auch der Hypothekenberater Moneypark wissen und hat dafür in der Schweiz rund 7500 Käufe aus den letzten fünf Jahren ausgewertet. Viele Käufer schaffen es demnach nur noch mit Ach und Krach, indem sie auf die Pensionskasse zurückgreifen. Mit der Rente jedoch droht die Rechnung gar nicht mehr aufzugehen, wenn sie unvorsichtig sind. Moneypark-Chef Lukas Vogt warnt:
Die Entkoppelung von Löhnen und Immobilienpreisen erklärt den Griff in die Pensionskassen. Viele Familien haben vielleicht noch das nötige Geld, um das geforderte Fünftel des Hauses selbst zu bezahlen. Ihr Einkommen reicht jedoch nicht aus, um die Zinsen für die Hypothek, die Nebenkosten und die Amortisation zu tragen.
Die Bank verlangt, dass diese Kosten höchstens ein Drittel des Einkommens ausmachen. Das gilt sogar dann, wenn ein Hauskäufer einen Zinssatz von 5 Prozent zahlen müsste. Bei dieser Hürde platzen viele Träume vom Eigenheim. Eine durchschnittliche Familie mit Kindern, nennen wir sie die Müllers, hat heute ein Einkommen von 160’000 Franken. Das reicht nicht für ein durchschnittliches Einfamilienhaus. Bei Weitem nicht.
Ein solches Einfamilienhaus kostet heute 1’350’000 Franken. Dafür bräuchten die Müllers ein Einkommen von etwa 240’000 Franken – also 50 Prozent mehr als sie haben. Heute kann sich die «normale» Familie also kein «normales» Einfamilienhaus mehr leisten.
Anders gesagt: Mit ihrem Einkommen könnten sich die Müllers nur ein Haus kaufen, das ungefähr 900’000 Franken kostet. Zu solchen Preisen war das durchschnittliche Einfamilienhaus vor mehr als zehn Jahren erhältlich. Ungefähr im Jahr 2014. Vor langer Zeit.
Aber so leicht geben viele den Traum vom Eigenheim nicht auf. Schliesslich ist der geforderte Zins von 5 Prozent bloss eine fiktive Grösse, und derzeit eine besonders fiktive. Tatsächlich werden heute Hypotheken zu viel tieferen Zinsen angeboten: zu etwas mehr als 1 Prozent für fünf Jahre oder deutlich unter 1,5 Prozent für 10 Jahre. Im Vergleich zu den geforderten 5 Prozent ist es eine andere Zinswelt.
In dieser anderen Zinswelt können sich die Müllers das Haus für 1,35 Millionen Franken leisten. Die Banken würden mit einem Zins von weit unter 5 Prozent prüfen, ob ihre Wohnkosten unter einem Drittel des Einkommens bleiben. Bei einem Zins von beispielsweise 2 Prozent wäre dies der Fall. Die Müllers würden von den Banken die nötige Hypothek erhalten.
Deshalb suchen viele Müller und Meier nach Mitteln und Wegen, wie sie die Fünf-Prozent-Hürde überspringen oder umgehen können. Ein Weg führt über die Pensionskasse. Die Müllers nehmen Geld aus der Pensionskasse, fügen es dem sonstigen Ersparten hinzu und verwenden beides für den Kauf.
Wie die Auswertung von Moneypark zeigt, ist es ein beliebter Weg. Von 7500 Käufern gingen ihn 2250 – fast jeder Dritte. Und sie nehmen nicht wenig Geld aus der Pensionskasse. Im Durchschnitt beziehen sie aus ihrer zweiten Säule weit mehr als die Hälfte – rund 70 Prozent.
Die Müllers können dann mehr vom Haus selber zahlen und brauchen eine kleinere Hypothek. Dann passen die Zinszahlungen von 5 Prozent, die Nebenkosten und die Amortisation eher noch ins Budget hinein. Sprich, die Müllers bleiben unter der Grenze von einem Drittel ihres Einkommens.
Auf einmal wird es eng
Und so können die Müllers doch noch ins Hauseigentümerparadies einziehen. Sie können den Traum vom eigenen Heim leben. In der Regel zahlen sie sogar weniger für ihre Wohnkosten als durchschnittliche Mieter. Alles wäre paradiesisch – bis die Müllers pensioniert werden.
Jetzt erst zeigen sich die Nachteile des Griffs in die Pensionskasse, vor denen Moneypark warnt und die zum erzwungenen Verkauf des Eigenheims führen können. Die Müllers haben weniger vorgesorgt, deshalb weniger Rente als sie es sonst hätten, und somit insgesamt weniger Einkommen. Die Wohnkosten lasten schwerer auf dem Budget.
Und nicht nur das. Das Einkommen sinkt mit der Pensionierung ohnehin, weil die Rente den früheren Lohn nur zum Teil ersetzt. Und dann ist da immer noch die Bank, die mit einem 5-Prozent-Zins berechnet, ob die Müllers sich das Haus noch leisten können.
Und das ist noch immer nicht alles. Mit dem Immobilienboom wird das eigene Haus ständig wertvoller. Das ist an sich erfreulich. Doch wird es damit noch schwieriger, die Anforderungen der Banken zu erfüllen. Denn nicht nur sollen die Zinskosten ins Budget passen, sondern auch die Nebenkosten von 1 Prozent des Hauspreises. Wenn sich der Hauspreis zum Beispiel verdoppelt, dann auch die Nebenkosten.
Auf einmal wird es eng. Vor der Rente ging die Rechnung noch auf. Danach ist die Obergrenze von einem Drittel des Einkommens überschritten. Was dann?
Am besten lassen es die Müllers gar nicht so weit kommen. Sie sparen vor der Pensionierung mehr, zahlen in die dritte Säule ein und die Hypothek schneller zurück. Vor der Rente leben sie dann weniger paradiesisch. Aber wie Moneypark-CEO Vogt sagt:
Die Vertreibung aus dem Paradies.
Finanzielle Weitsicht gefragt
Das ist der Extremfall, den die Banken in aller Regel vermeiden wollen. Sie sind auf zuverlässig eintreffende Zinszahlungen aus. Nicht auf den Verkauf von Eigenheimen, der zudem schlecht fürs Geschäft mit künftigen Kunden ist. Wie Moneypark-Chef Vogt sagt, sind heute solche Härtefälle denn auch sehr selten. Dennoch warnt er:
Der Verlust des Eigenheims ist das Schlimmste, was passieren kann. Aber nicht das einzige, wie Moneypark erklärt. Wenn die Wohnkosten über ein Drittel des Einkommens ausmachen, gebe es sicherlich Banken, welche die Finanzierung weiterlaufen lassen. Wenn sie über 40 Prozent liegen, werde es aber zunehmend schwierig. Die Müllers können wahrscheinlich die Bank nicht mehr wechseln, auch wenn sie anderswo tiefere Zinsen bekommen könnten. Und die bisherige Bank werde wohl fordern, dass sie die Hypothek zurückzahlen.
Es sind Probleme, gegen die sich ungefähr 70 Prozent jener Hausbesitzer schützen sollten, die eher spät im Boom gekauft haben – laut Moneypark ungefähr ab dem Jahr 2010. Keine Sorge müssen sich die 30 Prozent der Käufer machen, die hohe oder sehr hohe Einkommen haben. Aber bei allen anderen könnten nach der Rente die gesamten Wohnkosten mehr als 40 Prozent ausmachen – und die Bank genauer hinschauen wollen. Insbesondere wenn man Pensionskassen-Geld bezogen hat, warnt Vogt: «Es besteht die Gefahr, dass man sich aufgrund fehlender Weitsicht finanziell übernimmt.» (aargauerzeitung.ch)
