International
Coronavirus

Vorsichtiger Optimismus in Italien – und eine lange Liste toter Ärzte

Bislang 23 Namen zählt die Liste in Italien gestorbener Ärzte.
Bislang 23 Namen zählt die Liste in Italien gestorbener Ärzte.bild: watson/keystone

Vorsichtiger Optimismus in Italien – und eine lange Liste toter Ärzte

Nach gut einem Monat des Kampfes gegen die Corona-Krise sind die Signale in Italien gespalten: Einerseits keimte die Hoffnung, dass die Zahl der Toten und der bald 60'000 Infizierten weniger rasant als bisher steigen könnte. Zugleich sorgte der Tod weiterer Ärzte im besonders notleidenden Norden für Trauer und Entsetzen.
23.03.2020, 15:46
Mehr «International»

«Es reicht nicht aus, zwei Tage eine Verlangsamung der Ansteckung zu sehen – und hoffen wir, dass es heute der zweite Tag wird –, um zu sagen, dass alles in Ordnung ist», sagte Regionalkommissar Giulio Gallera, der in der Lombardei für Gesundheit zuständig ist, dem Fernsehsender Rai1 zu vorsichtigem Optimismus. In den Brennpunkten, in Bergamo und Brescia, gebe es viele Neu-Ansteckungen. Positiv sei, dass die Zahlen in der Millionenmetropole Mailand am Sonntag etwas weniger als am Tag zuvor gestiegen seien.

Indessen sorgte der Ärzte-Verband Fnomceo mit einer immer längeren Liste toter Mediziner für neues Entsetzen: Bergamo, Parma, Cremona – die Namen einiger Städte, wo sich viele Ärzte in den überfüllten Krankenhäusern angesteckt haben. Die Aufzählung der Toten umfasst inzwischen mehr als 20 Namen. Das jüngste Opfer war 57 Jahre alt, das älteste 87.

Bild
quelle: fnomceo

Krankenschwestern, die über zu wenig Schutzkleidung und totale Arbeitsüberlastung berichten, sind auch betroffen – aber dort nicht aufgeführt. Mehrere Priester, die Kranken geholten hatten, starben ebenfalls in den Epizentren der Pandemie im Norden. Italien ist in Europa am härtesten betroffen.

Personal im Dauereinsatz

Der 31-jährige Marco Ceresoli hat andere Pläne zunächst verworfen und ist als Zusatz-Arzt freiwillig nach Bergamo gekommen. Seit rund einer Woche sei er im Dauereinsatz im Krankenhaus Papa Giovanni XXIII in Bergamo, erzählte er der Zeitung «La Repubblica». Zuerst aufgefallen sei ihm «die Einsamkeit der Kranken», die keinen Besuch erhalten dürften. Manchmal reiche ein liebes Wort, manchmal habe er die Hand genommen.

Er wisse, dass das Risiko auch für Ärzte gross sei, sagte Ceresoli. «Natürlich gibt es Risiken, aber es ist besser, wenn ich das auf mich nehme, als wenn es ein 70-jähriger Kollege tut, der aus dem Ruhestand zurückgekehrt ist.»

Mehr als 5000 Todesopfer

In Italien waren die ersten Fälle dieses Corona-Ausbruchs in der Lombardei, in der Provinz Lodi, am 20./21. Februar publik geworden. Seitdem erliess die Regierung in Rom immer striktere Massnahmen. Seit dem 10. März gilt eine Ausgangssperre. Die Zahlen vom Sonntag hatten die Hoffnung nun genährt, dass diese Sperre und Ladenschliessungen allmählich Wirkung zeigen könnten.

Der Zivilschutz hatte zwar immer noch rund 650 neue Tote im Zusammenhang mit dem Sars-CoV-2-Erreger binnen 24 Stunden gemeldet. Doch die Zahl lag unter dem Rekordwert von Samstagabend von fast 800 Toten. Insgesamt starben 5476 meist ältere Menschen. Zivilschutzchef Angelo Borrelli mahnte jedoch, dass erst die nächsten Tage zeigen würden, ob der Trend wirklich gebrochen sei. (ram/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das Coronavirus legt ganz Italien lahm
1 / 14
Das Coronavirus legt ganz Italien lahm
Der Petersplatz in Rom: Hier stehen sich normalerweise die Touristen auf den Füssen. Am 11. März 2020 ist er praktisch leer. EPA/Massimo Percossi
quelle: epa / massimo percossi
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Coronavirus: So emotional appelliert Italien an seine Bürger
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
29 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
kusel
23.03.2020 15:54registriert Januar 2015
Ich hoffe für Italien das Allerbeste. Es wäre schön, wenn sie die Lage in den Griff bekommt. Bei uns wird es leider wohl erst so richtig losgehen...
18021
Melden
Zum Kommentar
avatar
rburri38
23.03.2020 16:22registriert Februar 2018
Ich hoffe es nützt und es geht nun stetig runter in Italien. Dann würden die Massnahmen auch bei uns in ca. einer Woche wirken und die Zahlen abflachen. Ich bin guter dinge!
1128
Melden
Zum Kommentar
avatar
Herbibi
23.03.2020 17:21registriert Oktober 2019
Das berührt sehr. Etwa in meinem Alter. Aerzte im Ruhestand, die zurückkamen, weil sie nicht anders konnten, als zu helfen und ihren jungen Kolleg/innen beizustehen. Und jetzt tot. Wahre Ärzte und Helden. Denkt an ihre Familien.
864
Melden
Zum Kommentar
29
Die Warnungen häufen sich: Wegen Putins Geisterschiffen droht eine Katastrophe
Weil der Kreml seeuntüchtige Tanker einsetzt, häufen sich die Warnungen vor einer verheerenden Ölpest in und um Europa. Damit nicht genug, dürften drohende immense Schäden nicht gedeckt sein.

Der schwedische Aussenminister wählte diese Woche gegenüber dem «Guardian» deutliche Worte. Russland scheine bereit zu sein, eine «Umweltverwüstung» anzurichten, indem es seeuntüchtige Öltanker unter Verstoss gegen alle Verkehrsvorschriften durch die Ostsee fahren lasse.

Zur Story