Die hohe Impfquote hat Israel früh den Titel «Testlabor der Welt» eingebracht. Mit grossem Interesse verfolgt die Welt seither die Entwicklung der Pandemie in dem Land. Zuletzt waren diese eher ernüchternd. Die Fallzahlen stiegen, die Spitäler füllten sich wieder und der Impfschutz nahm ab.
Nun aber scheint Israel die nächste Kurve gekriegt zu haben. Experten sind vorsichtig zuversichtlich, dass die Delta-Welle ihren Höhepunkt erreicht und überwunden hat. Die Neuinfektionen gingen im Wochenschnitt in den letzten Tagen erstmals wieder zurück. Und – viel entscheidender – die schweren Fälle in den Spitälern nehmen nicht mehr zu.
Wie hat Israel die Kurve gekriegt? Und was sind die neuesten Erkenntnisse aus dem Testlabor der Welt? Eine Übersicht und was wir daraus lernen können.
Anfang Jahr zündete Israel den Impfturbo und schon im Februar kamen aus dem Land die ersten Erfolgsmeldungen, die die Welt träumen liessen. «Die Magie hat begonnen», kommentierten damals Wissenschaftler die abflachende Kurve.
Doch dann kam Delta. Und die aggressivere Variante verbreitete sich auch in Israel bis im Juli massiv. So massiv, dass die Zahlen wieder stiegen und eine israelische Studie Ende Juli zeigte, dass der Impfschutz vor symptomatischer Krankheit beim Pfizer-Vakzin, welches in Israel mehrheitlich benutzt wird, im Schnitt nur noch rund 40 Prozent betrug. Immerhin zeigte die Studie auch, dass die Impfung gegen schwere Verläufe und Hospitalisationen nach wie vor sehr gut schützte.
Trotzdem öffnete Israel noch Ende Juli die Tore für die Booster-Impfung. Alle Menschen über 60 Jahre, deren zweite Impfung mindestens fünf Monate her ist, konnten sich eine dritte Ladung geben lassen. In den letzten Wochen wurde die Altersgrenze hier immer weiter nach unten angepasst, seit einer Woche steht die Booster-Impfung allen über 12 Jahren offen.
Das Angebot haben schon über 2,5 Millionen Einwohner des 9-Millionen-Staates genutzt. Bei den 60- bis 69-Jährigen erhielten beispielsweise 67,8 Prozent der Bevölkerung schon eine dritte Impfung, weitere 19,5 Prozent sind doppelt geimpft, 3,8 Prozent einmal. Macht für diese Altersgruppe 91,1 Prozent der Bevölkerung, die mindestens einmal geimpft wurden.
Bis die Booster-Impfung den vollständigen Schutz bietet, vergehen rund sieben Tage. Für Experten ist klar: Das Abflachen der aktuellen Infektionskurve hängt mit der Booster-Impfung zusammen. Dies zeige sich auch darin, dass Personen, welche die dritte Impfung erhielten, praktisch nie schwer erkrankten (siehe unten).
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Im Juli und August stieg die Anzahl doppelt Geimpfter, welche eine schwere Erkrankung durchmachten, an. In absoluten Zahlen waren es vorübergehend sogar mehr Geimpfte, die mit einer Covid-Erkrankung ins Spital mussten.
Allerdings ist die Gruppe der Ungeimpften in Israel im Vergleich klein. So zeigt sich auch ein deutlich anderes Bild, wenn man die Fallzahlen pro 100'000 anschaut:
Der Anteil an Schwererkrankten pro 100'000 Personen, welche eine dritte Impfung erhalten haben, liegt deutlich tiefer als bei denjenigen mit zwei Impfungen oder den Ungeimpften. Seit Israel die Booster-Impfung für 60-Jährige verabreicht, konnte der Trend gestoppt werden und die Kurve ist abgeflacht:
Auch in absoluten Zahlen verzeichnen die über 60-Jährigen bei den Geimpften (eine viel höhere Bevölkerungsgruppe als die Ungeimpften) seit diesem Wochenende weniger schwere Fälle in Israel.
May I have your attention, please?
— מואיז הקטן ® (@LittleMoiz) September 4, 2021
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Despite the fact most of the 60+ population in Israel is vaccinated (2 shots),
there are now more unvaccinated severe cases than vaccinated. pic.twitter.com/SSwhWUzOLv
Die Entwicklung in Israel bestätigt eine zentrale Erkenntnis: Wer ungeimpft ist, landet viel eher im Spital und hat einen schwereren Verlauf als die Geimpften.
Grundsätzlich gilt, was schon länger bekannt ist: Je älter, desto eher gehört man zur Risikogruppe. Der Anteil schwerer Erkrankungen pro 100'000 Personen jeder Altersklasse steigt mit zunehmendem Alter. Augenscheinlich auch: Ungeimpfte leiden in allen Altersklassen deutlich häufiger an schweren Verläufen.
Auch wenn der aktuelle Trend Grund zur Hoffnung gibt: Sicher überstanden ist die vierte Welle in Israel noch nicht. Das hängt auch mit Rosh Hashanah zusammen. Das jüdische neue Jahr fällt 2021 auf den 6. bis 8. September. In Israel wird dies traditionell in grossen Gruppen gefeiert.
Für die aktuellen Tage gab die Regierung deshalb die Empfehlung heraus, sich wenn möglich unter freiem Himmel zu treffen. Dr. Sharon Alroy-Preis sagte gegenüber der Zeitung «Haaretz»: «Wir spüren aktuell die Auswirkungen der Booster-Impfung. Jetzt stellt sich die Frage: Ist der Trend so stark, dass er auch durch die aktuellen Festtage nicht umgedreht wird?»
Spannender finde ich was in Potugal läuft: Aktuell 76.4% doppelt und 85,2 % mindestens einfach Geimpfte, Ende noch nicht erreicht. Sprich, sie werden bald die von der Wissenschaft prognostizierte Herdenimmunität ab 85% Immunisierten erreichen. Also ein ganz andere Nummer als in Israel. Spannend, wie es in Portugal weiter geht, ob die Herdenimmunität dort wirklich nun greifen wird.