International
Deutschland

AKK gibt AfD «indirekte Verantwortung» für den Tod von Walter Lübcke

Bild
bild: annewill/screenshot

«Anne Will»: AKK gibt AfD «indirekte Verantwortung» für den Tod von Walter Lübcke

24.06.2019, 07:1524.06.2019, 10:30
Mehr «International»

Deutschland 2019. Der CDU-Politiker Walter Lübcke wird mutmasslich von einem Rechtsextremen aus nächster Nähe erschossen. Der Tatverdächtige Stephan E. war den Behörden bekannt – und soll noch im März diesen Jahres Kontakt zu Neonazis gehabt haben. Spätestens seit diesem Mordfall spricht Deutschland wieder über rechten Terror.

Darüber will auch Anne Will in ihrer Sendung mit ihren Gästen reden.

Und zwar mit:

  • Annegret Kramp-Karrenbauer, Parteivorsitzende der CDU.
  • Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
  • Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, auf die 2015 ein Attentat von einem Rechtsextremen verübt wurde – und die erneut Morddrohungen erhält.
  • Markus Hartmann, Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen.
  • Annette Ramelsberger, Journalistin der «Süddeutschen Zeitung», die u.a. den NSU-Prozess begleitet hat.

Das Thema der Sendung: «Hass, Drohungen, Gewalt – wie kann sich unsere Demokratie wehren?»

Viele Jahre ist es her, dass Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Opfer eines rechten Attentats wurde. Auch nach dem mutmasslichen Mord an Walter Lübcke erhält sie wieder Drohungen von rechts. «Solche Drohungen machen mich betroffen, aber sie machen mich nicht ängstlich», sagt Reker bei «Anne Will». Reker hatte sich wie Lübcke für eine liberale Flüchtlingspolitik eingesetzt.

«Das Schlimme sind gar nicht die Morddrohung gegen mich», sagt sie. Das Schlimme sei, dass die Gesellschaft in Worten und Taten verrohe. Reker warnt damit vor einer neuen Qualität rechter Gewalt. Die Gefahrenlage sei eine andere als vor knapp vier Jahren, weil nicht nur ein einzelner Täter, sondern ähnlich wie beim NSU, eine Organisation dahinter stünde.

Die Journalistin und Rechtsextremismusexpertin Annette Ramelsberger glaubt auch nicht an die Einzeltätertheorie. Es gebe Hinweise auf für ein rechtes Netzwerk, beispielsweise Kontakte des mutmasslichen Täters zur Gruppe «Combat 18» und auch in die rechte Dortmunder Szene. Auch gebe es Bezüge zur NSU. Deutschland habe es mit einer neuen, braunen RAF zu tun, hatte sie in der «Süddeutschen Zeitung» geschrieben.

Markus Hartmann will nicht soweit gehen: Es gebe noch keine belastbare These, dass man es mit einer Organisation zu tun habe, sagt der Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen bei «Anne Will». Eine neue Qualität aber sehe er auch, gerade, was die Verrohung im Netz angehe. Auch weil es im Netz nicht eine isolierte Gruppierung sei, die Hassbotschaften poste, sondern es aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten komme.

Rechtsextremismus müsse noch mehr in den Mittelpunkt gestellt werden, als das bisher der Fall gewesen sei, sagt auch Annegret Kramp-Karrenbauer. Sollten sich die Verbindungen zum NSU bestätigen, dann habe man die Lehren daraus nicht genügend gezogen. Nach dem Mord an Lübcke sei man in der CDU regelrecht geschockt gewesen, so die CDU-Chefin.

«Dass es jemanden von uns, aus unseren Reihen trifft, war für viele von uns und auch für mich unfassbar.»
AKK bei «Anne Will»

Dann richtet sie eine erstaunliche Warnung an alle die CDU-Mitglieder, die in diesen Tagen mit der AfD flirten.

Speziell an den ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maassen: Wer sich vorstellen könne, mit so einer Partei zusammenzuarbeiten, der solle die Augen schliessen und sich vorstellen, wie Walter Lübcke die Waffe an die Schläfe gehalten und abgedrückt wurde. Dann würde man «nie mehr auf die Idee kommen, dass man mit einer Partei wie der AfD zusammenarbeiten kann».

Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt glaubt an einen blinden Fleck der Sicherheitsbehörden: «Es gibt auf der einen Seite eine Verrohung der Debatte und auf der anderen eine krasse Verharmlosung dessen, was da passiert.» Der Verfassungsschutz habe seine Arbeit nicht gemacht. «Alles, was wir wissen, wissen wir von Journalisten.» Daher fordert Göring-Eckardt, dass der Verfassungsschutz neu aufgestellt werden müsse.

Annette Ramelsberger sieht das ähnlich:

«Die Behörden sind vielleicht nicht blind auf dem rechten Auge, aber sie sind sehbehindert.»
Ramelsberger bei «Anne Will»

Die Rechtsextremismusexpertin geht davon aus, dass es weitere Taten von rechts geben wird. «Die fühlen sich geradezu ermutigt von dem Applaus aus dem Netz», sagt sie. Sie glaubt an ein strukturelles Problem der Sicherheitsbehörden und nennt den Fall einer Anwältin in Frankfurt, die aus der Polizei heraus bedroht würde. Mittlerweile würden dort 38 Ermittlungsverfahren gegen hessische Polizisten laufen, sagt Ramelsberger.

Markus Hartmann dagegen will den Eindruck nicht so stehen lassen, dass von Seiten der Politik, Justiz und der Behörden nichts getan werde. Dass es 38 Ermittlungsverfahren gebe, zeige doch auch, das man eben nicht bereit ist, es hinzunehmen, wenn sich Polizeibeamte nicht rechtsstaatskonform verhalten würden.

Und dann stellt Anne Will eine vieldiskutierte Frage...

Haben Teile der AfD Mitschuld an dem Mord?

AKK sieht zumindest eine «indirekte Verantwortung» der Partei. Weil sich die AfD zu jenen, die das geistige Feld zu solchen Taten bereiten, nicht klar genug abgrenzen würde. «Schuld» sei allerdings ein juristischer Begriff, der sicherlich nicht zutreffe. Aber es würde ein Klima geschaffen, so dass am Ende des Tages jemand zur Waffe greife. «Gewalt, Hass und Zersetzung beginne mit der Sprache», so AKK. Göring-Eckardt springt ihr zur Seite. Die AfD sei der parlamentarische Arm derjenigen, die zu Hass aufrufen würden. «Die AfD hat ein Gewaltproblem – und sie grenzt sich nicht ab.»

Schliesslich fragt Will, was Politik denn nun tun könne. Und zitiert den Altbundespräsidenten Joachim Gauck, der ein Problem darin sieht, dass die Union den konservativen Wählern kein Angebot mehr mache. Schieben sie jetzt die CDU nach rechts?, will Anne Will daher von AKK wissen.

Die antwortet mit einem klaren: Nein.

«Die CDU ist genau dort, wo sie hingehört, nämlich in der gesellschaftlichen Mitte.»
AKK bei «Anne Will»

Natürlich müsse man sich auch um diejenigen kümmern, die sich empörten und Ängste hätten. Mit Rechtspopulisten zusammenzuarbeiten oder sie rechts zu überholen, sei der falsche Weg. Mit ihr als CDU-Chefin werde es das nicht geben.

Ob sie eine Zusammenarbeit mit der AfD auf alle Zeit ausschliesse?

«So wie ich die AfD betrachte, kann ich mir nicht vorstellen, dass es jemals eine Zusammenarbeit mit der AfD geben kann.»

(ts)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Street-Art-Künstlerin Barbara wird bei Facebook attackiert
1 / 8
Street-Art-Künstlerin Barbara wird bei Facebook attackiert
Ein Kaktus gegen Nazis: Dieses Werk der Street-Art-Künstlerin Barbara wurde von Facebook gelöscht.
quelle: facebook.com/ichwillanonymbleiben
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Nicht aus religiösen Gründen, sondern der Tradition wegen
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
63 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Frogface
24.06.2019 07:52registriert Mai 2019
"Seestörung".

Abgesehen davon scheint die Sehfähigkeit auf dem rechten Auge bei knapp 15% zu liegen; immerhin nicht ganz blind, aber genug für eine rentenrelevante Arbeitsunfähigkeit.

Ich bin gespannt auf die Blitzerflut von rechts. In den letzten Tagen ein gehäuftes Phänomen.
01
Melden
Zum Kommentar
avatar
messanger
24.06.2019 10:28registriert August 2014
AKK: «Dass es jemanden von uns, aus unseren Reihen trifft, war für viele von uns und auch für mich unfassbar.»

Hat sie gedacht, dass Neonazis nur Grüne und SPDler umbringen würden? Wäre das weniger schlimm?
Wie kommt sie auf so eine Idee?
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Avalon
24.06.2019 08:39registriert September 2018
Spannend, für mich neue und willkommene Töne seitens der CDU. Von den meisten Exponenten wird die AfD verharmlost und eine Zusammenarbeit teilweise sogar angedacht.
Es war haarsträubend, wie der Mord an Lübcke von einzelnen CDU-Politikern verharmlost resp. Nicht thematisiert wurde.
00
Melden
Zum Kommentar
63
Bericht: Nasrallah stimmte Waffenruhe zu +++ Israel tötet Chef der Hamas-Regierung in Gaza
Der Lage im Nahen Osten erreichte jüngst eine neue Eskalationsstufe: Israel startete eine Bodenoffensive im Nachbarland Libanon, Iran beschoss Israel mit 180 Raketen. Die wichtigsten Geschehnisse in der Übersicht.

(red)

Zur Story