Joschka Fischer hat die Grünen in Deutschland gross gemacht, doch die haben es ihm nicht immer gedankt: Der einstige Übervater der Partei, Aussenminister der rot-grünen deutschen Regierung, wird am Donnerstag 70 Jahre alt.
Als bundesdeutscher Chefdiplomat war er international anerkannt, doch wegen seines strammen Realo-Kurses hatte er keinen leichten Stand in der Partei. Heute ist er als Berater und Elder Statesman unterwegs, der sich mit den Krisen der Welt beschäftigt.
Der am 12. April 1948 im baden-württembergischen Gerabronn geborene Fischer hat sich selbst einmal als «einen der letzten Live-Rock'n'Roller der deutschen Politik» bezeichnet, und auf jeden Fall war er in vieler Hinsicht ein Wegbereiter für die Grünen. Der Öko-Partei trat er 1982 in ihrer Gründungsphase bei, ein Jahr später wurde er in den Bundestag gewählt.
Dann ging er nach Hessen und brachte dort 1985 die erste rot-grüne Landesregierung auf den Weg. In Wiesbaden übernahm er als Minister in Turnschuhen das Umweltressort, das er bis 1987 und erneut von 1991 bis 1994 leitete.
Im selben Jahr gelang ihm die Rückkehr in den Bundestag, wo er Fraktionschef wurde und wegen seines Redner-Talents als «heimlicher Oppositionsführer» galt. 1998 kam der Rollenwechsel: Fischer wurde Aussenminister in der rot-grünen Koalition und avancierte bald zum Star auf internationalem Parkett.
Seine Partei hatte er bereits zuvor in teils schmerzhaften Auseinandersetzungen auf seinen realpolitischen Kurs eingeschworen. Die Quittung dafür bekam er auf einem Parteitag 1999, als ihn der Farbbeutel eines Demonstranten am Kopf traf.
So wie er sich innerparteilich zumeist durchsetzte, bewies er auch bei Angriffen von aussen Standfestigkeit. Er überstand die Veröffentlichung eines Fotos von 1973, das ihn als Aktivisten der gewaltbereiten Frankfurter Hausbesetzerszene zeigte, ebenso wie die Visa-Affäre um die Einreise von Zwangsprostituierten und Schwarzarbeitern.
Nach der Abwahl von Rot-Grün 2005 zog sich Fischer rasch aus der ersten Reihe der Politik zurück, um 2006 eine Gastprofessur über internationale Krisendiplomatie an der US-amerikanischen Elite-Uni Princeton zu übernehmen. Danach stieg er ins Beratergeschäft ein, unter anderem bei der von ihm gegründeten Joschka Fischer & Company. Als Lobbyist arbeitete er für das Gaspipeline-Projekt Nabucco, das 2013 scheiterte.
Sein Engagement in der Wirtschaft sorgt bei den Grünen für wenig Begeisterung – dementsprechend tritt er für die Partei auch kaum noch in Erscheinung.
Als Verfechter eines Realo-Kurses, der stets die Machtoptionen im Blick hat, hat er aber inzwischen versöhnliche Worte für seine Partei parat. Mit dem im Januar gewählten Vorsitzenden-Duo aus Annalena Baerbock und Robert Habeck hätten die Grünen jetzt eine tolle Spitze: «Die Verjüngung ist gelungen.»
Doch eigentlich ist das politische Tagesgeschäft nicht mehr die Sache von Joschka Fischer. Er befasst sich lieber mit den grossen Linien des Weltgeschehens: Kurz vor seinem 70. Geburtstag hat er den Band «Der Abstieg des Westens» vorgelegt, in dem er die Lage der Welt angesichts von Brexit und Donald Trumps US-Präsidentschaft analysiert.
Mit sich selbst scheint Fischer im Reinen zu sein, den abrupten Ausstieg aus der Politik bereut er nicht. In einem kürzlich veröffentlichten Interview der «Süddeutschen Zeitung» sagte er: «Wenn du einmal in der Alpharolle warst, dann gibt es kein Zurück in die zweite Reihe mehr, dann musst du ganz gehen.» (sda/afp)