Das Baby irgendwo bei Fremden in der Betreuung. Die Mutter im Gefängnis. Unschuldig. Sie weiss nicht, wie es ihrem Kind geht. Ein Justizskandal erschüttert Hamburg.
Die Opfer: Julia B. und ihr kleiner Sohn Miguel*. Monatelang war sie inhaftiert. Der Vorwurf: Mord aus Habgier. Angeblich soll sie einen ehemaligen Restaurantbesitzer in seiner Wohnung ermordet haben. Im neunten Monat schwanger, mit blossen Händen. Der Beweis: Die Staatsanwaltschaft hatte ihre DNA unter einem Fingernagel und an der Kleidung des Getöteten gefunden.
Das genügte der Staatsanwaltschaft Hamburg, um sie in Untersuchungshaft zu nehmen. Das Alibi von Julia B. liess sie nicht gelten. Sie hatte zum fraglichen Zeitpunkt ein Hotelzimmer geputzt, fünf Stunden lang, gemeinsam mit einer Kollegin.
Das sechs Monate alte Baby wurde ihr weggenommen, verbrachte die folgenden Monate in sieben verschiedenen Betreuungseinrichtungen. Zuerst hatten die taz und die Hamburger Morgenpost darüber berichtet.
Mutter und Sohn durften sich die ersten Monate gar nicht sehen, später nur sporadisch. Alle Anträge auf eine gemeinsame Unterbringung der beiden wurden abgelehnt. Dabei wäre das möglich in gewesen: In Hamburg-Billwerder gibt es eine Abteilung für genau solche Fälle.
Vermutlich wäre die Frau heute noch dringend tatverdächtig und das Baby immer noch in Obhut des Jugendamtes. Das wollten die Verteidigerinnen von Julia B. nicht akzeptieren und liessen auf eigene Faust und Rechnung ein forensisches Gutachten erstellen. Das brachte die Wende.
Die beauftragten Forensikerinnen legten dar, dass die am Tatort gefundene DNA sehr wohl fünf Tage vor der Tat dorthin gelangt sein könnte. Die Oberstaatsanwältin und die Haftrichterin hatten dieses Szenario mehrfach ohne Begründung ausgeschlossen. Auch die Kollegin der Angeklagten wurde während der Ermittlungen nicht befragt. Erst im Prozess hat sie das Alibi der Frau bestätigt.
«Was wäre geschehen, wenn die Verteidigung nicht auf eigene Faust und eigene Kosten dieses Gutachten in Auftrag gegeben hätte?», fragte Verteidigerin Fenna Busmann daraufhin in ihrem Plädoyer. So zitiert sie die taz.
Im Laufe des Prozesses brach die Anklage wegen Mordes mehr und mehr in sich zusammen. Auch weil der Ermordete an seinem letzten Tag Streit mit einer anderen Person hatte, die von der Staatsanwaltschaft nicht vernommen wurde.
Das reichte: In ihrem Plädoyer forderte die Verteidigung auf Freispruch, die Nebenklage schloss sich an, auch die Staatsanwaltschaft ruderte nun zurück, hält die Frau nun ebenfalls für unschuldig. Ihre Begründung, laut «Hamburger Morgenpost» : Die Bewertung des Tatverdachts habe sich geändert.
Insgesamt 217 Tage sass Julia B. im Gefängnis. Sollte sie freigesprochen werden, bekommt sie gut 16'000 Euro Entschädigung. 75 Euro pro Tag. Die wichtige Zeit mit ihrem kleinen Baby ist unbezahlbar und verloren.
Am Montag soll vor dem Landgericht Hamburg das Urteil verkündet werden. Bis dahin will sich die Staatsanwaltschaft nicht äussern, teilt Sprecherin Liddy Oechtering t-online mit. Danach werde die Staatsanwaltschaft den Fall neu bewerten.
Verwendete Quellen:
(Von t-online, bum)
Hoffentlich kriegt sie das mit dem Kind noch hin… Verbockt hat es die Staatsanwaltschaft.