Deutscher TV-Sender lädt Neonazi zu Diskussion ein – nun hagelt es Kritik
Was ist passiert?
Vor fast genau einem Jahr löste der Tod eines 34-jährigen Deutschen nach einem Streit mit mehreren Ausländern Proteste in Chemnitz aus. In der Folge kam es zu Grossdemonstrationen, Rücktritten in der Politik und wüsten Szenen auf der Strasse.
Anlässlich des Jahrestags hat der öffentlich-rechtliche Sender MDR eine Dokumentation produziert. Am 22. August soll der Dok-Film Premiere feiern, im Anschluss wird mit den Protagonisten eine Podiumsdiskussion durchgeführt.
Einer dieser Protagonisten ist der Rechtsextreme Arthur Oesterle, der bei den «Pro Chemnitz»-Demonstrationen sogenannter Chefordner war.
Nebst Oesterle sind auch Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD), Margarete Rödel (Grüne Jugend), Prof. Dr. Olfa Kanoun (Technische Universität Chemnitz) und Wolf-Dieter Jacobi (Programmdirektor des MDR) vertreten.
Wer ist Arthur Oesterle?
Er wird zwar offiziell als Vertreter der AfD angekündigt, tatsächlich war er aber bei den Aufmärschen 2018 in der Funktion eines «Pro Chemnitz»-Demonstrations-Ordners dabei. «Pro Chemnitz» organisierte die rechten Trauermärsche mit bis zu 6000 Teilnehmern.
«Pro Chemnitz» gilt als extrem rechts und wird seit 2018 vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet. In einer Neubewertung vom Januar schreibt der Verfassungsschutz:
Als der MDR bekannt gab, dass Oesterle bei der Podiumsdiskussion auf der Bühne sei, hagelte es Kritik. So zum Beispiel vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA):
Oesterle war bei den Aufmärschen in Chemnitz «Chef-Ordner»:
Ein Jahr nach den rassistischen Ausschreitungen und Aufmärschen in #Chemnitz lädt der MDR zu einer Podiumsdiskussion den Neonazi Arthur Österle ein, der damals den Ordnerdienst leitete und u.a. der Presse androhte, sie von der Versammlung zu entfernen. Ernsthaft, @mdrde? (lp) pic.twitter.com/vnzgt5xWBO
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) August 13, 2019
Aber Oesterle ist eben nicht nur bei der AfD und «Pro Chemnitz», sondern war auch bei Aufmärschen der neonazistischen Partei «Der III. Weg» dabei, wie eine Aufnahme vom 1. Mai 2018 zeigt:
Was Arthur Österle sonst so treibt, wenn er nicht gerade Chefordner bei „Pro Chemnitz“, #AfD und #Pegida spielt: Dieses Foto aus unserem Archiv zeigt ihn am 1. Mai 2018 in #Chemnitz bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“. pic.twitter.com/uNrTIYnIvA
— Jüdisches Forum (@JFDA_eV) September 11, 2018
Das Investigativmagazin des Senders «Exakt» schrieb vor einem Jahr: «Er [Arthur Oesterle] unterstützt die AfD und ist beim rechten Verein Heimattreue Niederdorf aktiv.» Dieser wird ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet.
Darf man Rechtsextremen eine Plattform geben?
Ja, meint der MDR und rechtfertigt sich:
Nein, meint Georg Restle, der Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins «Monitor», und widerspricht vehement:
Geht’s noch? Das könnt Ihr doch nicht ernsthaft durchziehen wollen!
— Georg Restle (@georgrestle) August 13, 2019
Und er ist nicht allein.
Wie fielen die Reaktionen aus?
Dennis Radtke, Europa-Abgeordneter (CDU) für das Ruhrgebiet, versteht's nicht:
Unfassbar .was denkt sich der @mdrde
— Dennis Radtke (@RadtkeMdEP) August 13, 2019
Dabei?#afd#noafd#NazisRaus #Chemnitz https://t.co/HGYQtDTQ1W
Margarete Rödel, ebenfalls ans Podium eingeladen, hat ihre Teilnahme abgesagt:
Es stimmt: Der MDR sollte Nazis keine Bühne geben!
— GRÜNE JUGEND Sachsen (@gj_sachsen) August 14, 2019
Die Vertreterin der Grünen Jugend, die am 22.08. zur Filmpremiere von "Chemnitz - ein Jahr danach" auf dem Podium einer Diskussion sitzen sollte, zu dem auch der Neonazi Arthur Österle eingeladen ist, hat ihre Teilnahme abgesagt.
Restle legt nach:
Einen "Austausch" mit Rechtsextremisten oder Nazis, organisiert vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk, halten Sie also grundsätzlich für kein Problem? Verstehe ich Sie da richtig? Und wo liegt für Sie die Grenze?
— Georg Restle (@georgrestle) August 14, 2019
Ist das die Normalisierung von extrem rechten Positionen?
RedakteurInnen die nun nicht wahrhaben wollen, dass sie gar nicht wissen wo die Normalisierung von extrem rechten Positionen anfängt.
— AfD Watch Bremen (@afdwatchbremen) August 14, 2019
Wir erklären es gerne:
Unter anderem bei Ihnen in der Redaktion des MDR!
Kritik an der Auswahl der Gäste:
Halten wir fest: Der @mdrde lädt mit Arthur #Österle also einen bekennenden Neonazi zu einer Podiumsdiskussion ein; aber einem Experten wie @AndreasKemper, der so viel zu den Neonazi-Kontakten des #AfD-Führers #Höcke zu sagen hätte, wird kein Sendeplatz eingeräumt.
— Robert Wagner (@robertwagner198) August 14, 2019
Was soll das? https://t.co/AiQMtzXbL5
Kein Dialog mit Personen ausserhalb des demokratischen Spektrums:
entsprechender Einordnung deren Aussagen nur salonfähig macht und sie es als Bühne nutzen. Anstatt mit Menschenfeinden über ihre "Ängste und Hoffnungen", wie es es in der Einladung heißt, zu sprechen, sollten diese konsequent ausgegrenzt werden.
— Johannes Grunert (@johannesgrunert) August 14, 2019
Die stellvertretende Landesvorsitzende der Jusos in Sachsen kritisiert ebenfalls:
Glückwunsch zur erfolgreichen Normalisierung von Rechtsradikalen im öffentlichen Diskurs! Wusste nicht, dass die neuerdings einen Anspruch auf Abbildung ihrer menschenverachtenden Ideologie haben?
— Michelle Reißmann (@mrssmnn) August 14, 2019
Übrigens: Der MDR hält an seiner Einladung fest, bekräftigte die Pressesprecherin des Senders gegenüber der «Welt».
(jaw)
