Bei den schweren Unwettern im Süden Deutschlands galt am Samstagnachmittag noch für Regionen in mehr als zehn Landkreisen in Baden-Württemberg und vor allem Bayern die höchste Unwetterwarnstufe vier wegen ergiebigen Dauerregens.
Vor allem in einigen Gebieten Bayerns und Baden-Württembergs überschwemmten Flüsse Strassen, Keller und Wiesen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sicherte den Regionen weitere Unterstützung zu.
«Wegen des schweren Dauerregens und drohender Überflutungen ist das THW bundesweit darauf vorbereitet, weitere Kräfte in den Einsatz zu bringen», teilte die SPD-Politikerin mit Blick auf Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) mit.
Mehr als 500 THW-Kräfte waren am Samstag im Einsatz. Hunderte dürften es bei den Feuerwehren sein.
In den von Hochwasser betroffenen oder bedrohten Gebieten in Süddeutschland zeichnet sich laut Deutschem Wetterdienst (DWD) beim Niederschlag eine leichte Entspannung ab. Der flächige Dauerregen lasse im Laufe der Nacht nach, sagte ein DWD-Meteorologe am Samstagabend. «Das werden heute Nacht nicht mehr die ganz grossen Regenmengen sein, die wir noch in der letzten Nacht hatten», sagte er.
Dafür zögen von Norden her neue Schauer und Gewitter auf, die vor allem am Sonntagnachmittag nochmals die Gefahr lokaler Überflutungen mit sich brächten. Die Schauer könnten kräftig ausfallen und zögen nur langsam. «Wenn das auf die gesättigten Böden trifft, dann hat man dort auch wieder schnell Überflutungen», sagte der Meteorologe.
Besonders gefährdet von den Schauern und Gewittern am Sonntag seien die Schwäbische Alb sowie Bereiche etwas nördlich davon sowie die Region um Augsburg, Nürnberg, Bamberg und Regensburg.
Wegen extremer Regenfälle und drohenden Donauhochwassers hat der Landkreis Neuburg-Schrobenhausen am Samstagabend als achte Kommune in Bayern den Katastrophenfall ausgerufen. Grund ist das Anschwellen der Donau und ihrer Zuflüsse, wie das Landratsamt der oberbayrischen Kommune am Samstagabend mitteilte. Feuerwehr und Rettungskräfte bereiten die Evakuierung von 670 Menschen vor.
Kurz darauf folgte die neunte Kommune: Auch in Dillingen im bayerischen Teil Schwabens spitzte sich am Samstagabend die Hochwasserlage an der Zusam, einem Zufluss der Donau, zu. Das zuständige Landratsamt rief den Katastrophenfall aus und der örtliche Krisenstab forderte bei der Bundeswehr Hilfe an. Die Fachleute erwarten an dem kleinen Fluss ein hundertjähriges Hochwasser, das vor allem die nahen Orte Buttenwiesen und Wertingen treffen könnte.
Der Landkreis Freising hat wegen übergelaufener Flüsse und Bäche ebenfalls den Katastrophenfall ausgerufen. Vor allem im Bereich der Amper und der Glonn drohen rekordverdächtige Pegelstände, wie das Landratsamt der oberbayerischen Kommune am Samstag mitteilte.
Das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt erwartet für die Nacht zu Sonntag am Pegel Neuburg die Meldestufe 4. Noch dramatischer ist laut Landratsamt die Hochwasserlage an der Paar, einem der Donau-Zuflüsse, sowie an der Weilach, die wiederum in die Paar mündet.
Im Schrobenhausener Stadtteil Mühlried ist die Weilach demnach bereits über die Ufer getreten und hat ein Wohngebiet überflutet. Einsatzkräfte bereiten dort die Evakuierung von Bewohnern vor, wie es hiess.
Im bayerischen Landkreis Augsburg wurden die Menschen am Samstagabend angehalten, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen. Die Lage werde sich im nördlichen Teil des Landkreises noch verschärfen, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg.
Besonders angespannt ist die Situation rund um Augsburg gewesen. Bewohner in dem Ort Diedorf sollten laut dem zuständigen Landkreis nach zwei Dammbrüchen ihre Wohnhäuser verlassen. Aufgrund der hohen Wassermassen werde eine Evakuierung im Diedorfer Ortsteil Anhausen vorbereitet, teilte das Landratsamt Augsburg mit. Und weiter hiess es:
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hielt auch am Abend in mehreren Landkreisen Bayerns die höchste Unwetter-Warnstufe aufrecht. Berichte über grössere Sachschäden lagen nicht vor. Die Rettungskräfte sind seit Stunden im Dauereinsatz.
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Memmingen (Bayern) ist wegen des Hochwassers geräumt worden. Rund 100 Häftlinge – darunter etwa 20 Frauen – wurden auf die Gefängnisse in Landsberg, Kempten und Aichach verteilt, wie die Leiterin der JVA Memmingen und Kempten, Anja Ellinger, am Samstag auf Anfrage mitteilte. «Wir haben alle Häftlinge verlegt.» Mehrere Medien hatten darüber berichtet.
Bereits in der Nacht zu Samstag war das Wasser gestiegen; es bedrohte zunächst die Stromversorgung. Die Feuerwehr sei am frühen Morgen angerückt und habe versucht, die Fluten mit Pumpen einzudämmen. Am Ende aber sei das Problem das Abwasser gewesen, das nicht mehr habe abfliessen können. «Wenn die Gefangenen nicht auf die Toilette können, wird es Ärger geben. Das wollten wir vermeiden», sagte Ellinger.
Inzwischen sei das Wasser bis in die Gefängnisräume gestiegen, wenngleich nicht in Haftzellen. «Es war schon gut, dass wir geräumt haben.»
Die Verlegung habe sich am Nachmittag über Stunden hingezogen – am Ende der Aktion stand das Wasser bereits auf der Zufahrt. Wann die Häftlinge zurückgebracht werden können, sei offen. sagte Ellinger.
In Burgwalden sei ein Damm gebrochen und ein Deich am Anhauser Weiher gab nach. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der betroffenen Bereiche sollten sich unverzüglich innerhalb der nächsten Stunde selbstständig in eine öffentliche Halle begeben, hiess es am Samstagnachmittag.
Die Behörden riefen auch auf, sich von Bahnunterführungen fernzuhalten. Teils könnten Fluten dort abfliessen. Es bestehe Lebensgefahr.
‼️ Update zur #Hochwasserlage in #Bayern
— Bayerisches Innenministerium (@BayStMI) June 1, 2024
Aufgrund der ergiebigen Niederschläge spitzt sich die Hochwasserlage zu.
Die Landkreise Günzburg, Augsburg & Aichach-Friedberg haben den #Katastrophenfall festgestellt.
❗Aktuelle Infos auf unserer Homepage: https://t.co/zBBE8SJ38r pic.twitter.com/KWTqgvSj26
In Babenhausen südlich von Ulm retteten Einsatzkräfte Menschen mit Booten aus ihren Häusern. Dort fiel auch teilweise das Handynetz aus. Wer Hilfe brauche und keinen Notruf absetzen könne, solle ein weisses Laken oder Tuch zum Fenster heraushängen oder – wenn möglich – sich am Fenster bemerkbar machen, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen, gab das Landratsamt Anweisung.
In Fischach im Landkreis Augsburg holten Helfer Menschen mit einem Hubschrauber aus ihren Häusern. Die Bewohner hätten auf andere Weise den Ort nicht mehr verlassen können, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes.
Im Landkreis Donau-Ries werde aktuellen Wetterprognosen zufolge weiter mit Regenfällen gerechnet, der Scheitelpunkt mit den höchsten prognostizierten Pegelständen werde nach aktuellen Informationen für den Montag erwartet, erläuterte das Landratsamt in Donauswörth. Vor allem die Donau werde in den nächsten Stunden stark steigen. Weitere Massnahmen wie etwa Evakuierungen könnten nötig werden, hiess es. Darüber werde rechtzeitig informiert.
Befürchtet wird mancherorts ein Jahrhundert-Hochwasser. Das ist eine rechnerische Grösse und bezeichnet ein Hochwasser, das im statistischen Mittel einmal in hundert Jahren erreicht oder überschritten wird.
Viele Unwetterwarnungen gelten mit Stand Samstagmittag zunächst bis Sonntag, einige bis in den Montag hinein.
Nach Angaben der Meteorologen sind seit 8 Uhr am Freitag im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler 135 Liter pro Quadratmeter binnen 24 Stunden gefallen. In Kisslegg in Baden-Württemberg seien es 130 Liter gewesen. In mehreren Städten in den beiden Bundesländern kamen bis zum frühen Samstagmorgen Niederschlagsmengen von mehr als 100 Litern pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden zusammen.
Bei Autounfällen infolge des Regens wurden auf der Autobahn 9 am Freitag nach Polizeiangaben mehrere Menschen verletzt. Immer wieder wurden Keller und Strassen überflutet. Einsatzkräfte und Anwohner von Flüssen mit steigenden Pegeln wappneten sich mit Sandsäcken.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) machten sich vor Ort ein Bild von der Lage. Söder sprach bei seinem Besuch von einer «extremen Belastung» für die Menschen und warnte: «Das ist noch nicht vorbei. Es geht jetzt erst richtig los.» Der Schwerpunkt des Unwetters liege derzeit in Schwaben, deshalb würden auch dort die Ressourcen – etwa Sandsäcke – zusammengezogen.
Land unter auch in Teilen Baden-Württembergs. Betroffen waren Gebiete in Oberschwaben. Es traten Flüsse über die Ufer.
Die Hochwasserlage im Landkreis Ravensburg ist nach Angaben des Landratsamtes weiterhin angespannt. 890 Rettungs- und Notfalleinsatzkräfte seien vor Ort im Dauereinsatz. Der aktuelle Einsatzschwerpunkt sei das Allgäu. Bislang sei die Feuerwehr im Landkreis zu etwa 850 Einsätzen ausgerückt.
Hingegen gingen die beiden Städte Ulm und Neu-Ulm am Samstag nicht mehr von einem extremen Hochwasser aus. «Jedoch wird an der Donau die Meldestufe 4 und an der Iller die Meldestufe 3 erreicht werden», teilten die beiden Kommunen mit. Insoweit könnten die Städte eine erste vorsichtige Entwarnung geben.
An der Messe Friedrichshafen am Bodensee sei ein zentrales Sandsack-Lager in Auftrag gegeben worden, teilte ein Feuerwehrsprecher mit. Rund 10'000 Sandsäcke sollen demnach aus einem Nachbarkreis dorthin gebracht werden. Hunderte Einsatzkräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Deutschem Roten Kreuz halfen.
Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sagte in einer ersten Bilanz:
Wegen akuter Überflutungsgefahr wurde am Freitagabend rund 1300 Menschen in Meckenbeuren geraten, ihr Zuhause zu verlassen. Die Lage habe sich zwischenzeitlich ein wenig entspannt, sagte der Feuerwehrsprecher.
Generell gehe man davon aus, dass die Pegelstände wieder etwas sinken könnten, da viel Wasser schon abgeflossen sei, etwa in den Bodensee. Eine Schule sei mit Sandsäcken gesichert worden, weil noch nicht klar sei, ob die Schussen an der Stelle überlaufen werde.
Nicht weit entfernt in Weingarten bei Ravensburg sprach die Stadt am Samstagmorgen auch von einer entspannteren Lage. Entwarnung könne man aber noch nicht geben, sagte eine Sprecherin.
Bewohnern war am Freitagabend geraten worden, bei Verwandten und Freunden ausserhalb der von steigenden Pegelständen gefährdeten Gebiete zu übernachten und Kellerräume und Untergeschosse zu meiden.
Am Grenzfluss Leiblach zwischen Deutschland und Österreich sind die Pegelstände nach extremem Hochwasser in der Nacht zurückgegangen. «Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen», sagte ein Sprecher der Rettungsleitstelle der Nachrichtenagentur DPA am Samstag.
In der Nacht waren die Pegel so hoch wie bei einem Hochwasser, das statistisch nur alle 100 bis 300 Jahre vorkommt. Am Vormittag war diese Messgrösse deutlich zurückgefallen, die Lage war wie bei einem Hochwasser, das jedes Jahr vorkommt, wie der Sprecher erläuterte.
Der Fluss sei zwar an einzelnen Stellen über die Ufer getreten, die Dämme hätten aber gehalten. Abgesehen von Schauern rechneten die Wetterdienste nicht mit neuem Starkregen wie zuletzt am Freitag.
Bei den heftigen Niederschlägen in Bayern und Baden-Württemberg waren seit Freitagmorgen teils Regenmengen von 130 Litern und mehr pro Quadratmeter gefallen. Seit 8 Uhr am Freitag wurden im bayerischen Sigmarszell-Zeisertsweiler nach Angaben des DWD 135 Liter binnen 24 Stunden gemessen. In Kisslegg in Baden-Württemberg seien es 130 Liter gewesen.
In Hörbranz unweit von Lindau am Bodensee war die Lage zeitweise brenzlich gewesen. Dort waren nach Angaben der Behörden innerhalb von 24 Stunden 135 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Eingesetzte Grosspumpen seien aber bereits wieder abgezogen worden, sagte der Sprecher. Evakuierungen seien nicht notwendig gewesen und niemand sei zu Schaden gekommen.
Auch im Bregenzerwald und im Kleinwalsertal hatte es heftige Regenfälle mit 100 Litern pro Quadratmeter gegeben, die zu kleineren Überschwemmungen oder Rutschungen führen konnten, hiess es von den Behörden.
Der DWD warnte am Samstagnachmittag für Teile Brandenburgs vor den Gefahren schwerer Gewitter. Für die Kreise Dahme-Spreewald, Märkisch-Oderland und Oder-Spree gelte die zweithöchste Warnstufe bis zum Abend. Es könne Blitzeinschläge, umstürzende Bäume oder Hochspannungsleitungen, herabfallende Gegenstände, rasche Überflutungen von Strassen, Erdrutsche oder Hagelschlag geben.
Das sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie appellierte, im Falle von Hochwasser und Überflutungen auf die eigene Sicherheit zu achten. Das heisst: sich von Fliessgewässern fernhalten, bei Starkregen mit Wassereinbruch nicht in Keller, Tiefgaragen und Unterführungen gehen oder fahren sowie überflutete Bereiche weder zu Fuss noch mit dem Fahrzeug durchqueren.
Laut Deutscher Bahn (DB) kam es in Süddeutschland zu Störungen und Zugausfällen im Bahnverkehr. Besonders zwei ICE-Strecken waren beeinträchtigt, wie eine Bahnsprecherin sagte. Zwischen München, Bregenz und Zürich fuhren wegen des Hochwassers den ganzen Samstag keine Züge mehr. Die Strecke zwischen Ulm und Augsburg war ebenfalls betroffen.
Auf den Strassen sorgte der Regen für mehrere Unfälle, bei denen es mitunter Verletzte gab.
(hah/sda/dpa)
Obwohl ich nicht einmal 40 bin, hat Deutschland in derselben Zeit schon mindestens 5 Jahrhunderthochwasser erlebt.