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Staatsanwalt in Deutschland rechtfertigt Schlagen von Kindern mit Bibel

[Gestellte Aufnahme] - Ein Kind wird zu Hause vom seinem Vater geohrfeigt, aufgenommen am 12. Juli 2003 in Zuerich. (KEYSTONE/Steffen Schmidt)
Ein deutscher Staatsanwalt legitimierte Gewalt an Kindern vor Gericht mit Bibelzitaten.Bild: KEYSTONE

Deutscher Staatsanwalt rechtfertigt Kinder schlagen mit Bibelzitat und erntet Shitstorm

23.10.2020, 10:3923.10.2020, 15:26
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«Füdlitätsch» und «en Chlapf um d'Ohre»: Früher galten diese körperlichen Züchtigungsmassnahmen noch als normal in der Kindererziehung.

Dass dies heute nicht mehr so ist, musste gerade ein deutscher Staatsanwalt in Oldenburg feststellen. Bei einem Berufungsprozess gegen einen Mann, der seine Kinder jahrelang geschlagen hatte, setzte sich der Staatsanwalt dafür ein, den Vater nur milde zu bestrafen.

Begründet hat er dies mit der Bibel und einer angeblichen päpstlichen Segnung von Gewalt an Kindern. «Wer sein Kind liebt, der züchtige es», zitierte der Staatsanwalt aus der heiligen Schrift. Selbst Papst Franziskus hätte gesagt, dass es in Ordnung sei, wenn man seine Kinder «würdevoll» schlage.

Staatsanwalt droht Konsequenzen

In Deutschland ist das Schlagen von Kindern jedoch seit 20 Jahren verboten. Und auch die Bibel hat in einem säkularisierten Staat wie Deutschland nichts mehr in der Rechtsprechung verloren.

Laut «NDR» sei die Vorsitzende Richterin fassungslos gewesen ob der Aussagen des Staatsanwaltes. Auch die Staatsanwaltschaft selbst teilte am Donnerstag mit, dass die Behörde die «überaus missverständliche, unangebrachte und nicht zeitgemässe Wortwahl» ihres Mitarbeiters bedauere. Religion hätte im Gerichtssaal nichts verloren, nur die Gesetze würden zählen.

Auf den Staatsanwalt könnte nun ein Disziplinarverfahren zukommen. Ganz sicher muss er der Behördenleitung jedoch sein Weltbild erklären. Ein «internes Aufarbeiten» wurde bereits aufgegleist.

Dem Angeklagten hat es indes nichts genützt: Er wurde zur fast gleichen Geldstrafe verurteilt wie von der Vorinstanz. Seine älteste Tochter hatte ihn angezeigt, nachdem er auf ihre jüngeren Geschwister losgegangen sei.

In der Schweiz gibt es nach wie vor kein Gesetz gegen Gewalt in der Erziehung

In der Schweiz hätte der Angeklagte vielleicht mehr Nachsicht vom Gericht bekommen. Zwar schreibt Artikel 11 der Bundesverfassung vor, dass Kinder ein Anrecht auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit haben. Nach wie vor gibt es jedoch kein Gesetz, das Gewalt in der Erziehung explizit untersagt. Ist keine Verletzung feststellbar, werden Tätlichkeiten nicht von Amtes wegen verfolgt. Nur die wenigsten Fälle führen daher zu einer Anzeige oder einem Prozess.

(dfr)

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43 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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mack-y
23.10.2020 10:47registriert April 2019
Zum guten Glück ist die älteste Tochter in diesem Fall standhaft geblieben und hat ihre Anzeige nicht zurückgenommen - man soll sich mal vorstellen, wie der Vater dreingehauen hat, dass die älteste Tochter ihn anzeigt! Und von wegen Staatsanwalt: ein Anwalt, der den Staat vertritt und sowas von umnachtet ist. Hallo?
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MarGo
23.10.2020 10:57registriert Juni 2015
Schlagen - egal wen - ist das deutlichste Zeichen intellektueller Schwäche...
Das tolle Verhältnis zu meiner mittlerweile 20-jährigen Tochter hab ich mit Sicherheit mit aus dem Grund, weil sie immer zu uns kommen konnte, mit allem, egal was sie angestellt hat. Sie wusste, Sie hat, ausser Diskussionen, Rat und allenfalls Ermahnungen nichts zu befürchten...

Und was soll ich sagen... Sie ist toll! In vielen Dingen ist Sie heute für mich ein Vorbild und ich hoffe, ich war es - oder bin es noch - für sie... :)
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Balikc
23.10.2020 13:52registriert Oktober 2015
Von Menschen die sich nur durch Gewalt(androhung) Autorität verschaffen können, rechtfertigen sich gerne mit: "Mir hat's auch nicht geschadet!".
Dabei verkennen sie, dass genau das der Schaden ist...
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