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Wie viele Kampfjets die Schweiz wirklich braucht

Flugvorführung eines F-35 Kampfjets der US Air Force in Deutschland, 2024.
Flugvorführung eines F-35 Kampfjets der US Air Force in Deutschland, 2024.Bild: imago-images.de

Wie viele Kampfjets die Schweiz wirklich braucht

36 Kampfflugzeuge vom Typ F-35 will der Bund beschaffen – aber warum? Recherchen zu Berechnungen des Kriegsfalls.
28.06.2025, 13:3228.06.2025, 13:43
Benjamin Rosch / ch media
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Die Lage für Martin Pfister ist vertrackt. Der Mitte-Verteidigungsminister sagte am Mittwoch zwar, er poche weiterhin auf einen Fixpreis für den neuen Kampfjet F-35. Doch in Bundesbern glaubt kaum jemand daran, dass sich die Schweiz damit gegenüber den US-Behörden durchsetzen kann. Die Schätzungen reichen von 650 Millionen bis 1,3 Milliarden Franken Mehrkosten gegenüber jenen 6 Milliarden, die das Schweizer Stimmvolk bewilligt hat.

Eine Lösung, die Pfister prüft: weniger Flieger. Es sei denkbar, für die vereinbarten 6 Milliarden eine geringere Stückzahl zu beschaffen, sagte der Bundesrat. Rüstungschef Urs Loher pflichtete ihm bei: «Wir prüfen alle Optionen – auch eine Reduktion der Anzahl Flugzeuge.»

36 Kampfflieger des Typs F-35A will die Schweiz beschaffen. Wie diese Zahl zustande kam, ist allerdings nebulös. Dies zeigt ein Blick in die Geschichte dieses leidigen Rüstungsgeschäfts.

Die Experten streiten sich

Als der Bundesrat 2016 den Prozess zum Kauf neuer Kampfjets einleitet, setzt er eine namhafte Expertengruppe ein. Mehrere Chefbeamte aus dem Verteidigungs- und dem Aussendepartement gehören ihr an. Darunter der damalige Luftwaffenchef Aldo Schellenberg und Peter Winter vom Bundesamt für Rüstung, der später den Vertrag für den F-35 unterzeichnet. Die Politik redet mit: Die Bundesratsparteien SVP, CVP, FDP und SP entsenden je eine Vertretung.

In 14 Sitzungen prüft die Begleitgruppe die Bedürfnisse der Schweiz auf Herz und Nieren. «Intensive» Diskussionen führen die Experten über die Stückzahl der benötigten Kampfflugzeuge, heisst es im abschliessenden Bericht von 2017.

Zur Debatte stehen vier Optionen: Die erste sieht 55 neue Flugzeuge vor, die zweite 40, die dritte 30 und die vierte nur 20 Jets. Flankiert, je nach Variante, von mehr oder weniger Investitionen in Boden-Luft-Systeme. Die meisten der 14 Experten sprechen sich für 30 Jets aus, wobei einige davon noch finanzielle Abstriche machen wollen bei Fliegern oder Raketen. Auch von den vier Bundesratsparteien stimmen drei für diese Variante.

Das VBS erarbeitet parallel einen 200-seitigen Bericht. Darin heisst es zur Variante 3: «Der Vorteil dieser Option liegt darin, dass sich der alltägliche Luftpolizeidienst in der normalen Lage und die Luftverteidigung in einem bewaffneten Konflikt in guter Qualität erfüllen liesse.» Das VBS errechnet allerdings eine Durchhaltefähigkeit von nur zwei Wochen im Krieg – eine Einschätzung, die der Bundesrat später nach oben korrigiert.

Ein Astronaut widerspricht

2018 erarbeitet der Bundesrat eine Planungsvorlage für die Beschaffung. Diese enthält erstmalig eine Berechnung zur benötigten Flottengrösse: Als Grundlage wurde angenommen, «dass die gesamte Flotte fähig sein muss, während mindestens vier Wochen mit mindestens vier Flugzeugen permanent im Luftraum präsent zu sein». Der alltägliche Luftpolizeidienst diene dabei nicht als Massstab, sondern Spannungen rund um einen bewaffneten Konflikt.

Umgekehrt könne auch die Fähigkeit zur monatelangen autonomen Verteidigung gegen einen massiven Luftangriff eines mächtigen Gegners nicht Massstab sein, schreibt der Bundesrat: «Das liegt jenseits der Möglichkeiten eines relativ kleinen und neutralen Staates.»

So komplex die Landesverteidigung im Kriegsfall, so einfach geht die Milchbüchleinrechnung für die Kampfflieger. «Wenn 4 Kampfflugzeuge im Einsatzraum in der Luft sind, werden 4 weitere für deren überlappende Ablösung bereitgestellt und 4 Flugzeuge, die den letzten Einsatz durchgeführt hätten, wieder für den folgenden Einsatz vorbereitet», heisst es im Bericht.

Weitere 4 Jets würden als Reserven bereitstehen. Dazu kommt die Wartung. Internationale Standards gäben vor, dass sich jeweils 25 bis 50 Prozent der Flieger in Reparatur befänden. Also nochmals 6 bis 16 Flugzeuge. Nicht ganz schlüssig ist, warum der Bericht dann noch von zusätzlichen Jets für Trainingsflüge ausgeht – mitten im bewaffneten Konflikt.

Mittlerweile heisst die Verteidigungsministerin Viola Amherd und sie lässt ein weiteres Gutachten erstellen: von Claude Nicollier, ehemaliger Astronaut und Kampfjet-Pilot. Er plädiert für 40 Flugzeuge. Ist das die entscheidende Gegenstimme?

Sicher ist nur: Als der Schweiz die verschiedenen Offerten der Kampfjet-Hersteller vorliegen, belaufen sich diese plötzlich alle auf 36 Stück. Eine öffentliche Debatte zu dieser Zahl findet nicht statt.

Politik bläst zum Rückzug

Bis am Mittwoch. Mit Nationalrat Thomas Hurter ist es ausgerechnet ein Mann der SVP, der gegenüber SRF sagte: «Wir haben der Bevölkerung die Erneuerung der Luftwaffe für 6 Milliarden Franken versprochen, und wir werden dabeibleiben. Notfalls könnte man sagen, dass man vielleicht die Stückzahl etwas reduziert.»

Balthasar Glättli (Grüne) von der politischen Gegenseite würde den Kauf des F-35 am liebsten ganz abbrechen. «Sollte sich dies aber nicht möglich oder als zu teuer erweisen, bevorzuge ich eine tiefere Stückzahl gegenüber einem Nachtragskredit.»

Ein Ansatz könnte so aussehen: Mit 30 statt 36 Fliegern spart die Schweiz rund 1 Milliarde Franken – was genau der Mitte der prognostizierten Mehrkosten entspricht. Aber das ist freilich auch nur eine weitere Milchbüchleinrechnung.

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Die beliebtesten Kommentare
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regen
28.06.2025 14:05registriert November 2014
lange rede, kurzer sinn: "Die Fähigkeit zur monatelangen autonomen Verteidigung gegen einen massiven Luftangriff eines mächtigen Gegners (könne) nicht Massstab sein, meint der br: «Das liegt jenseits der Möglichkeiten eines relativ kleinen und neutralen Staates.» von wem soll denn die ch, ausser von einem mächtigen gegner, angegriffen werden? diese ehrliche und objektive feststellung sagt eigentlich schon alles über die notwendigkeit dieser flugzeugbeschaffung und spricht bände über den schweizerischen neutralitätsfetischismus. der einzige weg ist eine militärische kooperation mit der eu.
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Kellner
28.06.2025 14:00registriert März 2023
Nachdem ich den Artikel gelesen habe, bin ich etwa so schlau wie zuvor. Wieviele Jets braucht die Schweiz nun wirklich?
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florotor
28.06.2025 13:54registriert Juni 2024
Wir brauchen dieses Gerät, weil nur dieses Gerät den Anforderungen des Kampfes gegen einen modern ausgerüsteten Gegner genügt.

Wir können den Kampf gegen einen modern ausgerüsteten Gegner nicht bestehen.

Finde den Fehler.
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