Ein als «Judensau» bezeichnetes Sandsteinrelief darf nach einer Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) an der Fassade der Stadtkirche Wittenberg (Sachsen-Anhalt) bleiben.
Durch eine in den 1980er Jahren ergänzt Bodenplatte und einen Aufsteller mit erläuterndem Text habe die Kirchengemeinde das «Schandmal» in ein «Mahnmal» umgewandelt, befanden die obersten deutschen Zivilrichterinnen und -richter in ihrem Urteil am Dienstag in Karlsruhe.
Bis Bodenplatte und Aufsteller installiert waren, habe die Abbildung aus dem 13. Jahrhundert «einen das jüdische Volk und seine Religion massiv diffamierenden Aussagegehalt» gehabt und Judenfeindlichkeit und Hass zum Ausdruck gebracht, heisst es im Urteil weiter.
Der Kläger, der nach eigenen Angaben 1978 zum Judentum konvertiert war, wollte, dass die antijüdische Darstellung entfernt wird. Auch in den Vorinstanzen war er gescheitert. «Solange sie an der Kirche ist, ist sie Teil der Verkündigung der Kirche», wurde der Kläger am Dienstag im Deutschlandfunk zitiert.
Der Fall hat Brisanz, denn die rund 100 Kilometer südwestlich von Berlin gelegene Stadt Wittenberg ist das Zentrum der Reformation in Deutschland. An der Stadtkirche predigte der Theologe Martin Luther (1483–1546), und in Wittenberg veröffentliche er 1517 auch seine berühmten 95 Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche. In seiner Hetzschrift «Von den Juden und ihren Lügen» (1543) rief Luther dazu auf, Synagogen zu verbrennen und Juden «aus unserm Lande» zu vertreiben.
(yam/sda/dpa)