International
Deutschland

YouTube-Exorzist Bibellehrer hat hunderte psychisch Kranke «behandelt»

YouTube-Exorzist hat hunderte psychisch Kranke «behandelt» – und wohl missbraucht

Teufelsaustreibung als Leidenschaft: Ein Bibellehrer reist durch Deutschland und hat bei Hunderten psychisch Kranken gewirkt. Nun gibt es schwere Vorwürfe.
02.08.2022, 10:43
Lars Wienand / t-online
Mehr «International»
anneliese michel exorzismus exorcism of emily rose
Exorzismus, wie man ihn aus Filmen kennt.Shutterstock
Ein Artikel von
t-online

Es klingt wie eine Erzählung aus dem Mittelalter. Doch es ist ein Vorgang, der sich gerade in Deutschland abspielt. Ein Mann, der sich «Bibellehrer» nennt und auf seinem YouTube-Kanal Tausende von Followern hat, betätigt sich als «Exorzist». Seine Zielgruppe sind häufig Opfer, die sexuelle Gewalterfahrungen gemacht haben und psychisch labil sind. Er selbst sagte: «Die Menschen, die geistig erkrankt sind, sind es, die der Teufel sich meist als Opfer erwählt.»

500 Mal hat Marcus B. nach eigenen Angaben eine «Austreibung» vorgenommen. Er selbst spricht von einem Forschungsgebiet, es ist für ihn aber noch mehr: In einigen Fällen habe sich im Verlauf der Behandlung bei der Gegenseite oder ihm das «Interesse einer Ehe entwickelt», sagte B., als seine Glaubensgemeinschaft ihn zu Vorwürfen befragte. Dieses Interesse gebe es bei ihm nur, wenn die Frau noch Jungfrau oder Witwe ist.

Es ist die erschreckende Geschichte um einen Mann, der ein «Exorzisten-Netzwerk» mitgegründet hat. Jetzt wird gegen ihn ermittelt, es gibt Vorwürfe mehrerer junger Frauen, es gibt auch Indizien. Exorzismus, das Austreiben von Dämonen, ist auch im 21. Jahrhundert manchen Menschen noch ein Bedürfnis, auch die Kirche hat sich davon noch nicht ganz verabschiedet.

Es geht aber um die Frage, ob und wie Marcus B. und einige Gleichgesinnte die Situation psychisch kranker Menschen für ihre Interessen ausnutzen, es geht um Cybergrooming, um von Minderjährigen erotisches Material zu bekommen, es geht um Sex mit Minderjährigen, um mögliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Doch es gibt keine Verurteilung, die Ermittlungen laufen noch, juristisch gilt Marcus B. als unschuldig. Es ist auch die Geschichte von Menschen, die zu Opfern wurden, die ihn für schuldig halten, die sich lange ohnmächtig fühlten und nun zusammen etwas erreichen wollen.

«Tora-Dorf» mit Vielweiberei geplant

Einige von ihnen warteten am Samstag vor einer Woche dringend auf Nachricht aus einem 200-Einwohner-Nest im südlichen Niedersachsen, wo sie Schlimmes befürchteten. Hier vermietet ein christlicher Verein längerfristig Zimmer in einer ehemaligen Pension, und in dieser Ecke soll ein Dorf seiner Gemeinschaft entstehen. Manchmal steht ein kleines japanisches Auto vor der Tür. Darauf ist gross der Name eines YouTube-Kanals und die Zahl «15'000 Abonnenten» aufgeklebt. Es ist das Auto von Marcus B., der hier die Gemeinde anleiten will und Pläne hat, die auch Polygamie und Mägde und Knechte vorsehen.

An diesem Abend vermuteten einige, dass er gerade mit einer Minderjährigen hier sei. Das machte ihnen Angst. Nach Aussagen der damals 15-jährigen Angelina (Name geändert) laufen seit Mitte Juni Ermittlungen wegen Vergewaltigung gegen den Mann. Und dieses Mädchen wird seit vier Tagen vermisst, als auf Twitter aufgeregte Nachrichten an die Polizei aufpoppen. Sie selbst hatte in Nachrichten angedeutet, dass es ein Treffen mit Marcus B. geben werde.

Die Polizei müsse endlich etwas tun, wurde in Tweets an die Dienststelle gefordert. Eine Streife fuhr schliesslich gut zwei Stunden nach den ersten Hinweisen zu dem Anwesen, es wurde geöffnet, aber weder das Mädchen noch der Mann waren dort. «Der Verdacht einer aktuell in Holzminden stattfindenden Vergewaltigung konnte nicht erhärtet werden», hat die Polizei später mitgeteilt. Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher, dass nach Hinweisen zuvor schon «mögliche Aufenthaltsorte überprüft» worden seien. Doch Angelina blieb zunächst verschwunden. Marcus B. hat Fragen von t-online beantwortet. Ob sie bei ihm war, wollte er nicht sagen.

Am Tag danach bekam die Polizei Nachricht, er sei in Hessen. Und gut 250 Kilometer südlich am Rande des Taunus soll B. an dem Tag an der Haustür einer Julia geklingelt haben, die ihn nicht reinliess. Mit ihr hatte er sich zweimal getroffen, zum zweiten Treffen hatte er sie geleakten Chatverläufen zufolge während Tagen bedrängt und genötigt. Er wollte sie «befreien».

Angeblich bei «Exorzistenweiterbildung»

Hacker fanden bei ihm nach dem zweiten Treffen Bilder der Schülerin mit Hämatomen am Hals, an den Armen, am Bauch – und ein Bild seiner zerkratzten Hände, wofür er ihr die Schuld gab. Und doch klingelte er wieder bei ihr? Erst wollte er mehr Informationen haben, woher diese Information stammt. Als t-online die Quelle nicht preisgeben will, will er dazu gar nichts sagen: Über den Fall wolle er nicht reden, «da mir diese Person am Herzen liegt».

Ein Video, das t-online vorliegt, vermittelt den Eindruck, dass er ihren Eltern offenbar einmal vorgespielt hat, Behördenvertreter zu sein, um sie auszufragen, er deklarierte das als Nachforschungen zum Schutz des Mädchens.

Und es gibt ein Bild, das ihn offenbar ganz in der Nähe vom Wohnort des Mädchens zeigt. Auf dem Facebook-Account eines Freundes von Marcus B. erschien an dem Sonntagnachmittag ein Bild, das einen Mann von hinten mit der Statur von B. und B.s Kapuzenshirt zeigt, eingerahmt von dem Freund und einem weiteren Vertrauten. Beide sind auch in der Exorzistenszene aktiv, haben Verbindungen nach Holzminden, wo die Dorfgemeinde geplant ist.

Als Text steht bei dem Foto «Exorzistenweiterbildungswoche beim Bischof von Limburg». Und: «Auf eine weitere fruchtbare Zusammenarbeit in Christus». Es ist eine Provokation. Beim Bistum Limburg gab es keine «Exorzistenweiterbildungswoche», erklärt die Pressestelle, und der Exorzismus des Marcus B. sei ein anderer als der, wie ihn die Kirche vorsehe.

Bild
bild: Screenshot Facebook

Fakt ist: Auch die katholische Kirche hat sich in Deutschland nicht völlig von Praktiken des sogenannten Exorzismus losgesagt, redet aber nicht gerne darüber. Erst 2008 hat die Bischofskonferenz die deutsche Übersetzung eines Werks «De Exorcismis et Supplicationibus quibusdam» über Rituale für den Exorzismus angenommen. Das Erzbistum Paderborn gab damals in seltener Offenheit an, dass dort zwischen 2000 und 2008 drei Exorzismen genehmigt worden seien, 2018 berichtete das Erzbistum von einer Anfrage jährlich.

Was landläufig als Exorzismus gilt und aus Hollywoodfilmen bekannt ist, ist der grosse Exorzismus. Der Bischof muss dem zustimmen, es ist «mit Klugheit und Nüchternheit streng nach den von der Kirche aufgestellten Kriterien vorzugehen», heisst es im Erwachsenen-Katechismus. Um religiöse Besessenheit von psychiatrischen Störungen zu unterscheiden, muss der Priester ärztlichen Rat einholen. «In keinem Fall ist der Exorzismus ein Ersatz für ärztliche Bemühungen.»

Aber es gibt die Verzweiflung von Menschen, die Hilfe suchen für das, was sie nicht erklären können, und die so Unvorstellbares erlebt haben, dass ihnen oft auch nicht geglaubt wird. Das erlebt in der Praxis Traumafachberaterin Eva Lauer-von Lüpke, Leiterin der Emanuelstiftung für Überlebende ritueller Gewalt. Sie ist auch Ansprechpartnerin am «berta»-Telefon, dem kostenlosen und anonymen Beratungsangebot der Bundesregierung zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt. «Die Gesellschaft müsste mehr hinschauen und Betroffenen mehr Glauben schenken», sagt sie. Weil das nicht der Fall sei, mache das auch empfänglich für zweifelhafte Angebote.

Ansprechpartner am Telefon Das Hilfe-Telefon Berta zur Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt ist Dienstags von 16 bis 19 Uhr und Mittwochs und Freitags von 9 bis 12 Uhr unter der Nummer 0800/3050750 zu erreichen. Auf der Seite des Trägervereins Nina gibt es weitere Adressen und Links

Bei Marcus B. bekommen Hilfesuchende schnell einen Termin, zeigt der Mailaustausch mit verzweifelten Eltern im Januar 2020. Mit ihrer zwölfjährigen Tochter seien sie schon bei einigen Ärzten gewesen. Sie höre «Stimmen im Kopf» und sehe ab und an Bilder wie Clowns, schrieben sie. Marcus antwortete, sie könnten mit dem Kind einfach für einen Termin zum «Exorzismus-Test» vorbeikommen. «Dauer 1-2 Stunden, kostet nichts. Unweit der S-Bahnstation Ahrensfelde.»

Es war dann wirklich nicht mehr weit vom Bahnhof: Vom Ausgang vorbei an der «Apotheke am Stadtrand», an einem kleinen Markt, und dann kommt nach einem Spielautomatenschuppen und vor dem Anbieter von Lamborghini-Stadtrundfahrten die Adresse: Bibel-Center Berlin und Freie Gemeinde Berlin-Marzahn.

Heute sind die Räume dort tabu für ihn. Nach dem, was über ihn bekannt wurde, haben Freie Gemeinden in ganz Deutschland betroffene Personen um Vergebung gebeten und erklärt, dass Marcus bis auf Weiteres in keiner dieser Gemeinden willkommen sei. Das Gemeindegericht in Marzahn sieht den Vorwurf der Unzucht in mindestens zwei Fällen und mindestens eines unbiblischen Befreiungsdiensts als bestätigt an.

Von eigenen Schülern ausgeschlossen

Das religiöse Universum, das B. für sich beansprucht, ist eine Welt, in der sich die Gläubigen in der Tradition von jüdischen Christusgläubigen des 1. Jahrhunderts sehen, die an Jesus als Messias und Erlöser der Welt glauben. Messianische Juden werden sie manchmal genannt, Marcus B. nennt sich «Thora-Christ», nach der Thora, der heiligen Schrift der Juden. In einer Sprachnachricht gibt er an, mit vielen seiner Bekannten aus dem Umfeld gebrochen zu haben, die sich nach dem Leak distanziert hätten: «Das sind sogar meine eigenen Schüler, die mich ausgeschlossen haben. Die sind auch meistens psychisch labil.» Und die meisten aus diesen «Internet-Christen-Kreisen», die hätten «eh eine Schraube locker».

Exorzisten-Bund: Marcus B. war auch einer der Initiatoren eines entsprechenden Zusammenschlusses und pflegte die Landkarte mit Adressen. Er fungierte auch als Ausbilder.
Exorzisten-Bund: Marcus B. war auch einer der Initiatoren eines entsprechenden Zusammenschlusses und pflegte die Landkarte mit Adressen. Er fungierte auch als Ausbilder. bild: Screenshot archive.org

Das Gericht der Gemeinde Marzahn hat nach eigener Darstellung «unter Gebet» getagt – und unter Nutzung von Beweisen, die von einer Frau kamen, die auf Fotos aussieht wie ein Model. Die Hacktivistin «Nella» hat sie geliefert, mit ihrem Hackerkollegen Patayaner: Sie haben sich Zugang zu sechs E-Mail-Accounts, drei YouTube-Kanälen und den Profilen von Marcus B. bei WhatsApp, Telegram, Instagram und Paypal verschafft. Das ist eine Straftat, und Nella hat damit in Kauf genommen, dass sie selbst bestraft werden könnte. Warum sie es dennoch tat: «Eine Betroffene hatte sich bei uns gemeldet, mit einer Schilderung, die wir zunächst kaum glauben konnten, aber sich dann bestätigt hat. Wir wollten da nicht länger zusehen.»

In den erlangten Daten sind Chats mit Opfern, die einschüchternd und manipulierend wirken. «Reaktionstests» seien das vielfach gewesen, behauptet B. in einer Aufzeichnung. Es ist dort auch zu lesen, wie er auf Vorwürfe reagierte: «Hey Annette, die Leute werden über Deinen Fall reden. Unternimm doch was», bedrängt er eine von ihm behandelte Frau, die mit den Hackern zusammenarbeitet. Einem Vertrauten schickte er: «Es besteht die Möglichkeit, dass Annette sich umbringen könnte, wenn wir über den Fall öffentlich reden. Wenn Du mich fragst, ist es das Risiko wert.» Annettes Name ist von der Redaktion geändert.

Hackerin Nella: Nachdem sich eine Betroffene bei ihr gemeldet hatte, verschaffte sie sich mit einem weiteren Aktivisten Zugang zu den Accounts des Exorzisten.
Hackerin Nella: Nachdem sich eine Betroffene bei ihr gemeldet hatte, verschaffte sie sich mit einem weiteren Aktivisten Zugang zu den Accounts des Exorzisten. Bild: zvg

Die Leaks sind eine Bestätigung für die Menschen, die seit vielen Monaten vergebens versucht hatten, Marcus B. zu stoppen. Sie hatten zusehen müssen, wie Marcus B. aus ihrer Sicht schwer traumatisierte Menschen köderte für seine Experimente und für seine Theorien. Der «Bibellehrer» ist fasziniert vom Gedanken, dass psychische Störungen vielleicht gar keine sind. Betroffene sind von Dämonen besessen, die es auszutreiben gilt.

YouTuber aus der Szene seit Jahren alarmiert

Doch es gibt Menschen, die so schreckliche Erfahrungen als Kleinkinder machen mussten, dass sich bei ihnen im Schrecken wie ein Schutzmechanismus Teile des Bewusstseins abkapselten. In diesen Menschen stecken verschiedene Identitäten mit eigenen Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wahrnehmungs- und Denkmustern. Diese dissoziative Identitätsstörung ist eine seltene chronische psychische Störung, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

Eine Betroffene ist auch Tina, eine selbstbewusst auftretende Frau, die den Master in Theologie anstrebt, und die auf ihrem YouTube-Kanal «DIS-Ding» über das Phänomen spricht und informiert. 2019 ist sie erstmals auf YouTube auf Marcus B. gestossen.

Seitdem hat sie immer wieder erlebt, dass Betroffene sich nach verstörenden Erfahrungen mit dem Exorzisten bei ihr meldeten. «Es muss sich aber niemand schämen, auf ihn reingefallen zu sein, ihm persönliche Sachen anvertraut zu haben, er hat seine Methoden und ist gut im Manipulieren.» Zur Polizei gehen wollten die Frauen aber nicht. Und die Anzeige einer Therapeutin 2019 sei im Sande verlaufen.

Tina sagt: «Er hat sich Personen rausgesucht, bei denen die Chance, dass diese Menschen zur Polizei gehen, gen Null geht. Das sind Menschen, die mit Demütigungen aufgewachsen sind, dass sie sich selbst die Schuld geben und in Teilen davon überzeugt sind, dass sie es verdient haben.»

Eine Gefahr für Personen mit multipler Persönlichkeit besteht darin, dass unter den Persönlichkeiten, die in ihnen stecken, auch solche sind, die «täterloyal» sind. In der schlimmsten Zeit haben sie gelernt, dass ihnen am wenigsten passiert, wenn sie gemeinsame Sache mit dem Täter machten. Das kann sie wieder zu leichten Opfern machen.

Oder es gibt die, die Aggressionen in sich vereinen, die Täter geschürt haben. Was anderen Persönlichkeiten widerfahren ist, danach hat die Person, deren Namen im Personalausweis steht, oftmals keine Erinnerung – ein Schutzmechanismus. Dieser Mechanismus könnte aber auch Täter schützen. Die Polizei, sagte Marcus B. zu t-online, «die weiss, diese Leute, die mich angezeigt haben, sind psychisch krank. Die hält mich für einen vernünftigen Mann».

Marcus B. redet davon, dass die Personen, um die er sich kümmert, es oft mit «false memories» zu tun haben, an Dinge glauben, die sich gar nicht zugetragen haben. Das könne auch bei Angelina der Fall sein, sagt er, dem Mädchen, um das sich so viele sorgten und das nach der von ihr berichteten Vergewaltigung rechtsmedizinisch untersucht wurde.

«Vielleicht redet sie von Massenvergewaltigung»

Sie habe ihn nur beschuldigt, um die Freundschaft zu einem anderen Mädchen nicht zu verlieren, sagt Marcus B. Es könne auch sein, dass sie nach ihrer Rückkehr von einer Massenvergewaltigung reden werde. «Kann passieren, dass so etwas vielleicht ausgesagt wird von einer Persönlichkeit oder einem Dämon.»

Was Angelina widerfahren ist, ist noch unklar. Aber zumindest die Suche nach ihr konnte die Polizei inzwischen einstellen. Am Montag vor einer Woche kam sie mit einem Zug in ihrer Heimat an. Nach Informationen von t-online ist sie in einer Klinik. Die Einrichtung, in der sie lebt, kann aus Datenschutzgründen gar keine Angaben machen.

Während Angelina verschwunden war, hat Marcus B. Sprachnachrichten von ihr auf YouTube veröffentlicht, in der das Mädchen bestätigt, dass sie einverstanden gewesen sei, mit ihm ein sexuelles Verhältnis einzugehen. Die Nachrichten hat er verbreitet, sie sind geschnitten, und Angelina gebraucht dort Wörter wie «Widrigkeiten», die sonst so gar nicht zum Sprachschatz des Mädchens aus dem Heim gehören. Marcus B. sagt aber, sie habe das alles aus freien Stücken gesagt.

Und Sex mit Jugendlichen über 14 sei ja auch erlaubt, wenn er einvernehmlich geschehe, sagt der 38-Jährige t-online. Das gilt allerdings nicht, wenn Personen über 21 Jahre dabei die fehlende Fähigkeit des Opfers zur sexuellen Selbstbestimmung ausnutzen. Marcus B. streitet das ab, trotz all der Widersprüche: «Sie ist ja kein kleines Kind mehr. Ihr Gesundheitszustand gibt das wieder, wobei ich bin kein Psychologe, das muss der wissenschaftliche Gutachter bestimmen.» Es gebe auch keine Beschuldigungen vom Staat. «Ich denke, sie ist ja nicht so geistig verwirrt, ich als Gutachter würde sagen, es ist alles im Rahmen des Gesetzes.» Solche Sätze sind schwer zu ertragen für die, die mit Angelina fühlen.

Mitgefühl spricht er seinen Kritikern auch nicht ab. Zwar sei auch «Neid» ein Motiv, weil er erfolgreich sei, aber «die haben Sorge, dass ich mit Minderjährigen, die psychisch krank sind in ihren Augen, schlimme Sachen mache und meine eigenen Triebe befriedigen würde an diesen Menschen.» Um ihn zu diskreditieren, werde behauptet, dass er nur jungen Frauen helfe. Er helfe aber auch Frauen mit 40 und auch alten Männern, «als Christ helfe ich jedem, der Hilfe braucht».

DIS-Personen erschöpfend studiert

Allerdings sollte die Person ihm schon neue Erkenntnisse liefern können, damit er die Fahrt auf sich nimmt. DIS-Personen habe er erschöpfend studiert, über die und ihre Dämonen wisse er eigentlich alles, sagt er in einem Video. Also mussten Experimente immer weiter gehen, damit er fürs vorgebliche Dämonenaustreiben anrücken wollte.

Bei Sieglinde (Name geändert) wollte er Feuer einsetzen. Was geschah, hat sie im Mai zur Anzeige gebracht. Ausgesagt und Strafantrag gestellt hat sie am 8. Juni bei einer Polizeidienststelle nördlich von Bremen, wo sie lebt und wo ein Video entstanden ist, dass das Geschehen zeigt.

Die Frau Mitte 30 wird aus zwei Kameraperspektiven gleichzeitig gefilmt, wie sie in einem Bett fixiert liegt und er auf sie einredet. «Unreiner Geist, ich gebiete Dir im Name Jesu Christ, fahre aus von ihr. Gehst Du freiwillig?!» Sieglinde faucht.

Fixiert und mit Streichholz: Exorzist Marcus bei einer Mittdreißigerin mit dissoziativer Persönlichkeitsstörung, deren "unreine Geister" er austreiben wollte. Sie hat der Veröffentlichung dieses Fotos ...
Fixiert und mit Streichholz: Exorzist Marcus bei einer Mittdreißigerin mit dissoziativer Persönlichkeitsstörung, deren "unreine Geister" er austreiben wollte. Sie hat der Veröffentlichung dieses Fotos bei t-online ausdrücklich zugestimmt. Bild: Screenshot

Er hält ein Streichholz in der Hand, senkt es dann auf ihren Arm, sie schreit. Er hat das Video auf YouTube veröffentlicht, nachdem in einem Telegram-Kanal Vorwürfe laut geworden waren. «Ich habe das gemacht, um die Vorwürfe in der Öffentlichkeit etwas geradezurücken, dass es nicht so krass ist, wie es dargestellt wurde», sagt er t-online.

Sieglinde habe ja ihr Einverständnis gegeben. «Auch wenn sie das heute verneint.» Der Sinneswandel liege daran, dass er ihre sexuellen Wünsche nicht erfüllt habe, sagt er einerseits. Und andererseits: «Seit die Hacker zugeschlagen haben, wurde ich ihr Erzfeind». Nella sagt, die Frauen hätten sich mit der Unterstützung und gemeinsam getraut, Anzeige zu erstatten.

In Marcus B.s Heimat Berlin ermittelt die Polizei, weil er eine 14-Jährige aufgefordert hat, ihr erotische Bilder von sich zu schicken. Das Mädchen habe damit angefangen, sagte er in der Vernehmung seiner Gemeinde: «Und ich bin auch nur ein Mann.» Mit einer anderen Minderjährigen war er nur zusammen, um sie vom Kinderstrich zu holen, behauptete er. Und alles sei einvernehmlich geschehen.

Von den Vorwürfen werde wenig bleiben, sagt er. «Man könnte über Urheberrecht sprechen oder Recht am eigenen Bild», schliesslich hat er es da bei den Videos nicht sehr genau genommen. Er rechne nicht damit, dass wegen Entführung oder Körperverletzung etwas passiere, die Frauen hätten ja ihr Einverständnis gegeben. Und er sei zwar auf der Flucht – «aber nicht vor der Polizei, mit der stehe ich in Kontakt. Ich bekomme Morddrohungen.»

Verwendete Quellen:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Betty White's Ghost
02.08.2022 11:17registriert Juni 2022
Es ist unglaublich deprimierend, dass wir die Wehrlosen nicht besser vor diesen Menschen schützen können.
Falls er das nächste Mal einen Dämon sucht, soll er einfach in den Spiegel sehen.
621
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sa_Set
02.08.2022 11:04registriert Oktober 2019
Rituelle Gewalt geht primär genau von solchen christlichen Spinnern und der Kirche aus.

Totale Spinner.
639
Melden
Zum Kommentar
avatar
broccolino
02.08.2022 13:24registriert Februar 2014
Schrecklicher Fall und einen solchen Menschen, der besonders vulnerable Menschen ausnutzt und missbraucht, muss man doch rechtlich belangen können? Hut ab auch an Nella für ihren Einsatz.

Der Artikel allerdings ist in meinen Augen sehr wirr und ohne roten Faden geschrieben, es erschliesst sich mir nicht ganz, was wann passiert ist, wie das Ganze aufgedeckt wurde und wo man heute steht.
280
Melden
Zum Kommentar
25
Der Mord an Brian Thompson hat im Internet eine breite Wut gegen die Ungerechtigkeiten des US-Gesundheitssystems ausgelöst – und offenbar den kreativen Nerv von Singer-Songwritern getroffen.

Rein von der Sachlage her könnte man erwarten, dass ein Mord an einem CEO auf offener Strasse in New York zwar eine interessante, gar sensationelle, News-Story wäre – aber letztendlich nur von grösserer Bedeutung für die unmittelbar Involvierten. Für Familien und Umfeld von Opfer und Täter, etwa. Aber: Das Opfer Brian Thompson ist CEO der Gesundheitsversicherung UnitedHealthcare. Und somit bekam der Tötungsakt einen Symbolgehalt von nationaler Bedeutung. Gesundheit geht alle etwas an.

Zur Story