SBB-Chef Vincent Ducrot setzt auf Tempo statt Tiefschlaf. Er will für seine Bahn Hochgeschwindigkeitszüge kaufen. Schon 2026 soll die Ausschreibung stattfinden. Die schnellen Züge könnten es künftig tagsüber in ein paar Stunden bis nach Rom, Barcelona und London schaffen. Den 2020 angekündigten Nachtzügen nach Italien und Spanien hingegen zog Ducrot im Frühling den Stecker.
Der damals versprochene Ausbau von sechs auf zehn Nachtzug-Verbindungen aus der Schweiz findet nicht statt. Bern und die Westschweiz bleiben ohne Anbindung ans Nachtzug-Netz. Zu der Ende 2021 lancierten Verbindung von Zürich nach Amsterdam wird lediglich ein saisonaler Nachtzug von Basel via Kopenhagen nach Malmö hinzukommen, der nächstes Jahr starten und dreimal pro Woche verkehren soll.
Nicht nur bei den SBB ist die grosse Nachtzug-Euphorie verflogen, sondern auch bei der österreichischen Bahn ÖBB. Sie betreibt die unter dem Namen «Nightjet» verkehrenden Nachtzüge etwa von Zürich nach Wien, Hamburg und Berlin und ist zusammen mit den SBB, der Deutschen Bahn (DB) und der niederländischen Bahn auch für den Nachtzug von Zürich nach Amsterdam verantwortlich.
Für den Ersatz ihrer alten Nachtzüge und den Ausbau des Netzes bestellte die ÖBB 2018 und 2021 bei Siemens neue Kompositionen. Vor wenigen Wochen gaben die Österreicher bekannt, dass die Bestellung gekürzt wird. Statt 33 neue Nightjets kaufen sie nur 24 – dafür mehr Züge für den Tagesverkehr.
Die Staatsbahnen hadern nicht als einzige mit dem Geschäft. Das französische Start-up Midnight Trains musste vergangenes Jahr seinen Betrieb einstellen, bevor überhaupt ein einziger Nachtzug gefahren war.
Der niederländische Anbieter European Sleeper, 2021 mit grossen Ambitionen gestartet, bietet derzeit nur eine einzige Verbindung zwischen Brüssel und Prag an.
Der mit Tagzügen erfolgreiche deutsche Betreiber Flixtrain beendete sein Nachtzug-Abenteuer 2021 nach wenigen Monaten. Und hinter die Ambitionen des deutschen Start-ups Nox, das ab 2027 «Nachtzüge mit 100 Prozent privaten Räumen anbieten» will, setzen Experten ein grosses Fragezeichen.
Die Probleme aller Anbieter ähneln sich: Die Trassenpreise, also eine Art Schienenmiete, sind teuer. Rollmaterial ist teuer und kaum verfügbar. In der Nacht wird oft gebaut, was zu Umleitungen und Ausfällen führt. Ein Nachtzug-Reisender benötigt mehr Platz und Infrastruktur als ein Passagier eines tagsüber verkehrenden Zuges.
Die Betten, Sitzplätze und Liegen können pro Tag zudem nur einmal verkauft werden. Das ist bei Zügen tagsüber anders. Flugzeuge wiederum können innerhalb von Europa mehrere Rotationen täglich fliegen.
Das schlägt sich in den Preisen nieder, wie das Beispiel einer Reise von Zürich nach Berlin am 16. September zeigt. Tagsüber ist die Reise mit dem Zug und mit Halbtax-Abo für 53 Franken in gut 8 Stunden machbar. Die Airline Easyjet verlangt für den 90-Minuten-Flug mit Handgepäck 41 Franken und mit einem grossen Koffer 91 Franken. Eine gut 11-stündige Fahrt im Nightjet kostet hingegen mit Halbtax im Liegewagen mindestens 95 Franken und im Schlafwagen mindestens 157 Franken.
Als «Nischenprodukt für Liebhaber» bezeichnete Mobilitätsforscher Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Nachtzüge vor zwei Jahren gegenüber dem «Handelsblatt». Immerhin können die Nachtzüge auf eine Fangemeinde zählen, die bereit ist, auch mal mehrere Hundert Franken pro Reise zu bezahlen.
Dennoch: «Nachtzüge bleiben eine Nische», sagte SBB-Chef Vincent Ducrot diese Woche dem «Migros-Magazin». Im vergangenen Jahr zählten die SBB 11,6 Millionen Reisende auf internationalen Zügen. Nur etwa 600'000 nutzten einen Nachtzug.
Auf die Frage, ob diese Zahl gesteigert werden könnte, gibt es eine Antwort: Ja, aber nicht ohne Subventionen. Die SBB können den Nachtzug nach Malmö nur lancieren, weil der Bund die Verbindung gestützt auf das CO-Gesetz bis 2030 mit 47 Millionen Franken unterstützt. Auch die ÖBB, die ihre Nachtzüge mit Gewinn betreibt, erhält für viele Teilstrecken Subventionen.
Doch selbst mit staatlicher Hilfe bleibt oft nur die schwarze Null. Um die Kosten zu senken, setzen die Bahnen auf günstiges, externes Personal. Die ÖBB beschäftigt für die Nightjet-Züge solches der französischen Firma Newrest. Diese sucht in Zürich gerade nach Mitarbeitenden – und bietet einen Einstiegslohn von gerade einmal 3700 Franken, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete.
Dieses günstige Personal übernimmt immer mehr Aufgaben. Bisher war etwa auf den Abschnitten in Deutschland in Nightjet- und Euronight-Zügen neben dem Newrest-Personal auch solches der DB präsent. Diese Einsätze werden nun gestrichen. Seit Juni ist auf den Nachtzügen von Zürich nach Hamburg ab Basel kein DB-Personal mehr unterwegs, per Oktober wird es auch von den Nachtzügen von Zürich nach Amsterdam und Berlin abgezogen.
Die SBB betonen, dass die Nachtzüge auf den Schweizer Abschnitten weiterhin von SBB-Personal begleitet werden, das betrieblich verantwortlich sei und die Billettkontrolle im ganzen Zug sowie die Kundenbegleitung in den Sitzwagen übernehme.
Es mache aber keinen Sinn, wenn die SBB für den Hotellerie-Service im Ausland eigenes Personal einstellen würden. Stattdessen setze man auf Partnerunternehmen, die verpflichtet würden, faire Arbeitsbedingungen zu bieten und «branchenübliche Löhne» zu bezahlen. Auf dem neuen Nachtzug von Basel via Kopenhagen nach Malmö wird etwa die deutsche Firma RDC das Personal stellen.
Selbst wenn dieser Zug immer ausgebucht wäre, dürften ihn weniger als 20'000 Menschen pro Jahr und Richtung nutzen. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr flogen 331'000 Menschen ab einem Schweizer Flughafen nach Dänemark und 255'000 nach Schweden, Umsteigepassagiere nicht mitgezählt.
Die grosse Wende hin zum klimafreundlichen Reisen werden die Nachtzüge nicht bringen. Mit der Strategie, stattdessen auf schnelle Züge tagsüber zu setzen, könnte SBB-Chef Vincent Ducrot Nachtzug-Romantiker vergrämen – doch ökonomisch ist die Entscheidung richtig. (aargauerzeitung.ch)
Ich bin bei der SBB angestellt und ich wusste nicht dass wir eigene Nachtzüge anbieten.
Das gleiche wie mit dem P+R wo hier letztens das ende eines geilen angebotes proklamiert wurde (welches angebot genau weiss ich nichtmehr) wo ich keine ahnung hatte dass es das gibt! Hätte ichs gewusst hätt ichs genutz!