Es lief gerade gut für Donald Trump. Die Ausschreitungen in Kenosha (Wisconsin) nach den Schüssen eines Polizisten auf einen Schwarzen waren eine ideale Vorlage für den Präsidenten, um sich beim amerikanischen Volk als unerbittlicher Kämpfer für Recht und Ordnung zu inszenieren und von seinem Versagen in der Coronakrise abzulenken.
In den Umfragen konnte Trump gegenüber seinem Herausforderer Joe Biden zulegen, wenn auch nur leicht. Nun aber ist er in den Strudel einer Kontroverse geraten, die ihm seit Tagen zu schaffen macht. Auslöser war ein Artikel des Magazins «The Atlantic». Er handelt von abschätzigen Bemerkungen der Präsidenten über gefallene US-Soldaten.
Two former sr Trump admin officials confirm .@JeffreyGoldberg reporting that President Trump disparaged veterans and did not want to drive to honor American war dead at Aisne-Marne Cemetery outside Paris.
— Jennifer Griffin (@JenGriffinFNC) September 4, 2020
Bei einem Besuch in Frankreich 2018 habe er sie als «Verlierer» und «Idioten» verunglimpft, schrieb Chefredaktor Jeffrey Goldberg unter Berufung auf hochrangige Quellen. Die Journalistin Jennifer Griffin, die ausgerechnet für Trumps Lieblingssender Fox News arbeitet, twitterte, zwei ehemalige Trump-Mitarbeiter hätten den Bericht bestätigt.
Seither wütet Trump gegen die «Fake News». Er ist sich bewusst, wie schädlich solche Enthüllungen ausgerechnet in der heissen Phase eines Wahljahres sein können. Für «Atlantic»-Autor David Frum, einen bekennenden «Never Trump»-Republikaner, ist jedoch bezeichnend, wer den Präsidenten in dieser Sache unterstützt. Oder vielmehr, wer nicht.
Tatsächlich eilten ihm bislang nur seine unmittelbare Entourage, darunter Ehefrau Melania und die üblichen Fox-News-Schreihälse zu Hilfe. Nichts zu vernehmen war jedoch von hohen Offizieren, aktiv oder im Ruhestand, verwundeten Kriegsveteranen, den Angehörigen gefallener Soldaten oder mit Orden dekorierten Kriegshelden.
Für Frum ist die Erklärung offensichtlich: «Alle wissen, dass es wahr ist.»
Wie vieles an Donald Trumps Persönlichkeit ist auch sein Verhältnis zu den Streitkräften kompliziert. Als nationalistischer Hardliner hat er eine Schwäche für Uniformen. Er hält gerne Ansprachen mit Soldaten als Staffage. Zu Beginn seiner Amtszeit holte er Generäle ins Kabinett. Die Bereitschaft, für das Vaterland zu sterben, findet er dagegen nicht so toll.
Das zeigte sich, als ihm die Einberufung in den Vietnamkrieg drohte. Um ihr zu entgehen, legte Trump ein Arztzeugnis vor, das ihm «Knochensporne an beiden Fersen» attestierte. Die Tochter des Arztes sagte der «New York Times», es habe sich um ein Gefälligkeitsgutachten für den Vermieter gehandelt – Donald Trumps Vater Fred.
Die Familie habe ein ambivalentes Verhältnis zur Armee gehabt, schreibt die «Washington Post». So sei Fred Trump jr. vom Vater und von Bruder Donald wiederholt verspottet worden, weil er sich bei der US Air National Guard verpflichtet habe, schrieb seine Tochter Mary in ihrem kürzlich erschienenen Buch, in dem sie mit Donald abrechnet.
Dennoch schickte Papa Fred den damals 13-jährigen, schwer erziehbaren Donald 1959 für fünf Jahre auf eine Militärakademie. Die Trennung von der Familie und der Wechsel vom schönen Heim in das harte Regime einer Kadettenanstalt hätten «seine Meinung über das Militär geprägt», sagte sein ehemaliger Mitschüler John Bolog der «Washington Post».
Donald Trump selbst schilderte seine Erfahrungen an der Akademie durchaus positiv. Dennoch tat er alles, um sich vor dem Vietnamkrieg zu drücken. Schon früher soll er jene, denen das nicht gelungen war, als «Verlierer» bezeichnet haben. Als sein Sohn Don jr. mit einer Militärkarriere liebäugelte, soll er ihm mit Enterbung gedroht haben.
Besonders deutlich wurde seine Einstellung zu Vietnam in den abschätzigen Bemerkungen über den verstorbenen Senator John McCain. Er hatte fünf Jahre in nordvietnamesischer Gefangenschaft verbracht, weshalb er für Trump «kein Kriegsheld» war. «Ich mag Leute, die nicht gefangen wurden», sagte er im Wahlkampf 2015.
Nach seinem Sieg aber holte er Generäle mit makellosem Ruf in seine Regierung: James Mattis wurde Verteidigungsminister, Herbert McMaster Sicherheitsberater und John Kelly Stabschef. Sie warfen irgendwann frustriert das Handtuch. Trump sei der erste Präsident in seinem Leben, der das amerikanische Volk nicht vereinen, sondern spalten wolle, klagte Mattis.
An underappreciated aspect of Trump foreign policy has been the *expansion* of military activity, air strikes and drone strikes in just about every country where US has been active. Not to mention the Soleimani strike.
— Chris Hayes (@chrislhayes) September 1, 2020
Ambivalent ist auch Trumps Versprechen, die «endlosen Kriege» der USA zu beenden. Tatsächlich hat er keinen neuen Krieg begonnen. Indirekt aber unterstützt er Saudi-Arabien im Jemen-Krieg, der zur humanitären Katastrophe geworden ist. 2019 liess er eine Rekordzahl Bomben auf Afghanistan abwerfen, um die Taliban zu Verhandlungen zu zwingen.
Trumps bizarre Hassliebe zum Militär wird von diesem durchaus wahrgenommen. Obwohl die Republikaner als armeefreundlicher gelten, wollen mehr aktive Soldaten im November den Demokraten Joe Biden wählen als den aktuellen Oberbefehlshaber. Dies besagt eine Umfrage, die letzte Woche veröffentlicht wurde – noch vor den «Atlantic»-Enthüllungen.
Die Chefetage der Armee ist einfach ein weiterer willkommener Sündenbock. Trump ist ja an nichts schuld.
Und die Soldaten sind ihm einfach egal, ausser, sie lassen ihn gut aussehen.
Auf der anderen Seite hat er natürlich den Blick hinter die Kulissen und weiss daher, das seit 1945 das US-Militär nur selten dafür eingesetzt wurde US-Bürger zu schützen und die Soldaten für andere Zwecke missbrauchte Opfer - Losers and Suckers - sind.