Erwartet wurde ein Feuerwerk. Doch als am Dienstag der Anwalt von Donald Trump begann, den Kronzeugen der Anklage in einem New Yorker Gerichtssaal ins Kreuzverhör zu nehmen, da passierte ... nicht viel.
Todd Blanche, so heisst der führende Rechtsvertreter des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, griff Michael Cohen zwar frontal an. Blanche warf dem ehemaligen Vertrauensanwalt von Trump vor, er sei besessen vom Ex-Präsidenten. Und Cohen wolle Trump unbedingt hinter Gittern sehen, weil er davon finanziell profitieren könnte. (Cohen hat einen Podcast und verdient mit dem Verkauf von Fan-Artikeln Millionen von Dollars.)
Aber Cohen liess sich, über weite Strecken, nicht aus der Ruhe bringen. Er beantwortete die Fragen von Blanche einsilbig. Die Geschworenen hätten wechselweise amüsiert und gelangweilt auf die Aussagen des ehemaligen Trump-Vertrauten reagiert, hiess es aus dem Gerichtssaal 1530 in einem Lokalgericht im New Yorker Stadtteil Manhattan.
Wichtig ist dies, weil die Verteidigung im Strafprozess gegen Trump alles daransetzen muss, die Glaubwürdigkeit von Cohen zu zerstören. Denn der heute 57 Jahre alte Ex-Anwalt ist der einzige Mensch, der vor Gericht Auskunft über die angebliche Straftat geben kann.
Im Zentrum des Prozesses steht der Vorwurf, dass Trump nach seinem Sieg in der Präsidentenwahl 2016 die Buchhaltung seines Familienunternehmens fälschte, um einen Seitensprung zu vertuschen. Die Schweigegeldzahlung an seine Kurzzeit-Geliebte Stormy Daniels, eine Pornodarstellerin, war in den Augen der Staatsanwaltschaft von Manhattan illegal.
Cohen war es, der diese Transaktionen einfädelte, und zwar kurz vor dem Wahltag 2016. Er sah sich damals als Trumps «Mann fürs Grobe»: Cohen kam in schwierigen Fällen zum Einsatz, um den Chef zu schützen.
Vor Gericht betonte er mehrmals, er die Zahlung an Stormy Daniels im Auftrag seines Chefs vorgenommen. Er sei «knietief» mit dem Kult um Donald Trump verbunden gewesen, sagte er aus. Die Verteidigung lehnt diese Darstellung entschieden ab.
Weil Cohen vorbestraft ist – er musste unter anderem wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis – hatte der Trump-Anwalt ausreichend Material, um den Kronzeugen am Dienstag vor den Geschworenen anzuschwärzen. Aber Blanche schien dies vorerst nicht so richtig zu gelingen.
Stattdessen verstrickte sich der Anwalt in Nebensträngen der komplexen Saga, die sich um aussereheliche Affären, gefälschte Rechnungen und Wahlkampf-Lügen dreht. So konfrontierte Blanche den Kronzeugen mit der Aussage, dass Cohnen ihn auf dem Internetdienst als «weinendes kleines Stück Scheisse» beschimpft hatte. Das ist zwar äusserst kindisch, aber tut nichts zur Sache. Richter Juan Merchan wies Blanche denn auch umgehend zurecht. «Warum versuchen Sie, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen?» soll Merchan den Anwalt gefragt haben.
Die Einvernahme wird, weil der Trump-Prozess am Mittwoch immer ruht, am Donnerstag fortgesetzt. Und Blanche wird erneut alles daransetzen, Cohen zu provozieren. Gemäss der Anklage ist der ehemalige Vertrauensanwalt des Ex-Präsidenten der letzte Zeuge der Anklage; anschliessend hat die Verteidigung das Wort.
Ob Trump selbst aussagen wird, ist derzeit noch offen. Blanche beantwortete die Frage des Richters, ob sich der Angeklagte bereits festgelegt habe, mit einem knappen «Nein». Der Ex-Präsident würde wohl frühestens zu Beginn der nächsten Woche im Zeugenstand Platz nehmen.
Trump schien am Dienstag das Verhör seines einstigen Vertrauten nicht zu interessieren. Er wirkte häufig abwesend, und hatte im Gerichtssaal die Augen geschlossen, hiess es. Zufrieden zeigte sich der Präsidentschaftskandidat aber darüber, dass erneut eine Reihe von Parteifreunden das Verfahren gegen ihn mitverfolgten. So sass am Dienstag der Serien-Unternehmer Vivek Ramaswamy im Saal von Richter Merchan. Der ehemalige Konkurrent von Trump verurteilte das Verfahren als politisch motiviert.
Ähnliche Worte wählte auch Mike Johnson, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses. In einer kurzen Stellungnahme, vor dem New Yorker Gerichtsgebäude, verurteilte der republikanische Speaker das Verfahren gegen Trump als einen «Scheinprozess».
«Ich wollte selbst hier sein», sagte Johnson, um mit eigenen Augen zu sehen, wie «korrupt» das Verfahren gegen «meinen Freund» sei. Zeit, am eigentlichen Prozess gegen Trump teilzunehmen, hatte Johnson allerdings nicht. Im Gerichtssaal von Richter Merchan wurde der Speaker jedenfalls den ganzen Tag über nicht gesehen. (aargauerzeitung.ch)