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US-Aussenminister Blinken tritt in Kiewer Bar mit Gitarre auf

US Secretary of State Antony Blinken performs "Rockin' in the Free World" with members of The 1999 band at the Barman Dictat bar in Kyiv, Tuesday, May 14, 2024. Blinken sought Tuesday t ...
US-Aussenminister sorgt in Kiew mit einem ungewöhnlichen Auftritt für Aufsehen.Bild: keystone

US-Aussenminister Blinken tritt in Kiewer Bar mit Gitarre auf

Antony Blinken ist Amerikas Top-Diplomat und einer von Joe Bidens wichtigsten Mitarbeitern. Nun zeigte Blinken in der Ukraine sein verborgenes Talent.
15.05.2024, 04:4815.05.2024, 04:48
Christoph Cöln / t-online
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Ein Artikel von
t-online

US-Aussenminister Antony Blinken hat in der ukrainischen Hauptstadt nicht nur über Waffenlieferungen für die von Russland angegriffene Ukraine gesprochen, sondern auch musikalisches Talent bewiesen und sich kurzerhand in einen Rockstar verwandelt. Der 62-Jährige betrat am Dienstagabend (Ortszeit) in einer Kiewer Bar die Bühne und griff zur Gitarre, wie auf einem Video zu sehen war.

«Ich weiss, das sind wirklich schwere Zeiten», sagte der US-Chefdiplomat. Aber die Menschen in der Ukraine sollten wissen, dass die USA und die freie Welt hinter ihnen stünden. Dann fing die Band auf der Bühne an, Neil Youngs «Rockin' in the Free World» zu spielen. Blinken begleitete den 1989 erschienenen Hit auf der Gitarre und sang den Refrain mit.

Blinkens Leidenschaft für den Rock'n'Roll ist kein wirkliches Geheimnis mehr. Schon häufiger hat der US-Aussenminister zur Gitarre gegriffen und dem Publikum mit einem ordentlich Rock- oder Blues-Kracher eingeheizt. Selbst bei offiziellen Anlässen, wie der «Global Music Diplomacy Initiative» im US-Aussenministerium, wo er im September 2023 mit einer Band Muddy Waters’s «Hoochie Coochie Man» zum Besten gab – und dabei die Anerkennung von Foo-Fighters-Frontmann Dave Grohl erwarb, der ebenfalls anwesend war.

Blinken misst sich also nicht gerade mit den Schlechtesten im Musikbusiness. So wie der Top-Diplomat sich von Berufs wegen mit den bedeutendsten Lenkern der Weltpolitik auseinandersetzt – oder zumindest mit jenen, die sich dafür halten. Dass der 62-Jährige viel Feingefühl an der Gitarre und einen geschmeidigen Bariton besitzt, ist offenbar auch bei seinen zahlreichen Friedensmissionen weltweit nicht von Nachteil, wie er nun in Kiew demonstrierte.

Blinken: Harte Diplomatie und besänftigende Musik

Dort war Blinken am Dienstag zu einem Überraschungsbesuch eingetroffen, hatte unter anderem mit der ukrainischen Generalität und Präsident Selenskyj über die aktuelle Lage im Land gesprochen und der ukrainischen Führung die Unterstützung der USA versichert. Auch kündigte Bidens Chefvermittler harte Massnahmen gegenüber Russland an, unter anderem müsse das Putin-Regime für die in zwei Jahren Angriffskrieg entstandenen Zerstörungen in der Ukraine aufkommen. Was der russische Diktator «zerstört hat, das sollte – muss – Russland bezahlen, um es wiederaufzubauen», sagte Blinken in einer Rede bei seinem Besuch am Dienstag.

Neben harter Diplomatie setzt Blinken aber auch auf die besänftigende Wirkung von Musik. Neil Youngs Hit «Rockin In A Free World» entstand 1989 im Kontext des Kalten Krieges. Als Young im Februar des Jahres erfuhr, dass eine geplante Konzertreise durch die damalige Sowjetunion nicht zustande kommen würde, kommentierte sein Bandkollege Frank Sampedro trocken: «Dann müssen wir eben weiter in der freien Welt rocken» («we'll have to keep on rockin' in the free world»). Young nahm das Zitat seines Gitarristen zum Anlass, den Song zu schreiben, in dem er nicht nur die damalige US-Regierung unter George H. Bush, sondern auch das iranische Ayatollah-Regime kritisierte. Themen, die aktueller derzeit nicht sein könnten.

Dass Blinken nun in Kiew ausgerechnet diesen Song zum Besten gibt, ist also kein Zufall. Der US-Aussenminister steht für einen von Werten geleiteten Multilateralismus, er verkörpert damit das Gegenmodell zur isolationistischen Aussenpolitik unter dem Ex-Präsidenten Donald Trump und dessen «America First»-Strategie. Beobachter beschreiben ihn als harten Verhandler, aber mit einer sanften Stimme. Dabei ist die Politik gar nicht seine erste Leidenschaft, wie er im Interview mit dem Magazin «Rolling Stone» einmal zugab.

B.B. King schenkte ihm sein Plektron

Die Musik sei der «rote Faden, der sich durch mein Leben zieht». Als er einmal hörte, wie seine Eltern «A Hard Day’s Night» von den Beatles zu Hause spielten, sei er mit dem Musik-Virus infiziert gewesen. Während seiner Zeit an der Universität verdingte er sich als Musikkritiker, besprach unter anderem die Werke eines gewissen Mr. Zimmerman, alias Bob Dylan, und lernte selbst das Gitarrespiel («Ich bin zwar Linkshänder, aber irgendwie kein Jimi Hendrix»). Die grössten Gitarristen wurden seine Idole. So sei er bereits 75 Mal bei Konzerten von Eric Clapton gewesen, berichtete er im «Rolling Stone».

In Paris habe er als junger Mann einmal einem Auftritt der Blues-Legende B.B. King beigewohnt, erzählte Blinken dem «Rolling Stone», in der ersten Reihe. Und weil er sämtliche Texte mitsingen konnte, sei King nach dem Konzert zu ihm hin und habe ihm sein Plektron geschenkt. Ein US-Aussenminister, der in seiner Freizeit als Rock'n'Roll-Groupie in Erscheinung tritt, das dürfte einigermassen ungewöhnlich sein.

Und dann wäre da ja noch Blinkens eigenes Werk. In der Zeit zwischen 2018 und 2020, als die Trump-Administration die US-Aussenpolitik bestimmte, hatte Blinken kein Regierungsamt, somit wohl auch mehr Freizeit als sonst. Er füllte sie, indem er eigens komponierte Rocksongs einspielte und auf der Musikplattform Spotify hochlud. Sie sind dort bis heute auffindbar und haben zum Teil mehrere Hunderttausend Abrufe erzielt.

Einer von Blinkens Songs heisst «Lip Service», Lippenbekenntnis. Seine Liebe zur Musik kann damit jedenfalls nicht gemeint sein.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lingsrächts
15.05.2024 09:06registriert Dezember 2021
Cooler Typ. Warum eigentlich nicht ihn als Präsident?
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Zum Kommentar
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Freakykratos
15.05.2024 06:21registriert August 2017
Blinken hat musikalisch mehr Talent als viele Staatsführende in der Politik.
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