Grundsätzlich ist Schadenfreude Ausdruck von niederer Gesinnung. Aber auch in diesem Fall gibt es Ausnahmen. Angesichts des aktuellen Zustandes der amerikanischen Politik ist es gelegentlich erlaubt, vom hohen moralischen Ross herabzusteigen. Oder wie es Edward Luce, US-Korrespondent der «Financial Times», in seinen «Swamp Notes» ausdrückt: «Ich mag Schadenfreude genauso wenig wie Popcorn. Aber im Fall von Kristi Noem ist es geradezu unterhaltend, wie sie sich selbst zerstört hat.»
Wo der Mann recht hat, hat er recht. Die Gouverneurin aus South Dakota verdient kein Mitleid. Um sich als toughe Frau in Szene zu setzen, hat Noem in ihrer Biografie «No Going Back» geschildert, wie sie ihren 14 Monate alten Hund in einer Kiesgrube erschossen hat, weil er sich angeblich nicht erziehen liess.
Grosser Fehler. Menschen können Politiker fast alles antun, Hunden nicht. Das hätte Noem schon von ihrem Parteikollegen Mitt Romney lernen können. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner hatte einst seinen Hund auf der Fahrt in die Ferien aufs Autodach gebunden. Die Episode verfolgte ihn einen ganzen Wahlkampf lang. Doch Romney gehört zu den verachtenswerten Never-Trumpern in den Reihen der Grand Old Party (GOP) und ist daher kein Massstab für die MAGA-Enthusiastin Noem.
Selbst Trump hätte diesen Fauxpas niemals begangen. Er mag zwar Hunde überhaupt nicht. Sein legendäres Zitat, wonach er auf der Fifth Avenue in New York jemanden erschiessen könnte, ohne dass er deswegen die Gunst seiner Anhänger verlieren würde, hätte der Ex-Präsident keinesfalls auf einen Hund umgemünzt.
Wer den Schaden hat, der hat bekanntlich auch den Spott. Diese Binsenweisheit erfährt Noem derzeit auf allen Kanälen. Das Töten ihres Welpen wird inzwischen in den Medien als «Puppygate» oder «The silence of the puppies» bezeichnet. Dass die Gouverneurin aus South Dakota in ihrem Buch von einer Begegnung mit Kim Jong-un berichtet, macht die Sache nicht besser. Die Begegnung mit dem Diktator von Nordkorea fand nur in der Fantasie von Noem statt, wie sie mittlerweile gestehen musste.
Das war selbst für Fox News und andere konservative Medien zu viel des Schlechten. Noem wird von allen Seiten niedergemacht. Ihre Ambitionen, als Vize mit Donald Trump in den Wahlkampf zu steigen, tendieren gegen null. Dabei wurde sie noch vor kurzem als eine der Favoriten gehandelt.
Hoffnungen, dereinst als Vize-Präsidentin ins Weisse Haus einziehen zu können, hat sich wohl auch Marjorie Taylor Greene gemacht. MTG, wie sie mittlerweile genannt wird, hat es geschafft, von einer Hinterbänklerin zu einer tragenden Figur innerhalb der GOP zu werden. Selbst Trump hat sie immer wieder lobend erwähnt.
MTG hat jedoch den Bogen überspannt. Für eine konstruktive Rolle im Abgeordnetenhaus fehlt ihr in jeder Hinsicht das Rüstzeug. Sie versucht es immer wieder mit Krawall und Chaos. Deshalb hat sie auch einen Antrag gestellt, Mike Johnson, den republikanischen Speaker, abzuwählen. Er habe die eigene Partei verraten, weil er eine Abstimmung über ein Hilfspaket an die Ukraine zugelassen habe, so die Begründung von MTG.
Das Unterfangen wurde zu ihrem Waterloo. Grosse Teile der republikanischen Abgeordneten stimmten gegen den Antrag, der folgerichtig mit Bausch und Bogen abgelehnt wurde. Statt eines persönlichen Triumphs hat sich MTG den Übernamen «Moskau Marjorie» eingehandelt. Selbst Parteikollegen rätseln nun, ob sie wohl den Verstand verloren habe, und fragen sich, ob dies die Folge von jüdischen Lasern im All sei. (Eine Anspielung auf MTGs berühmte Verschwörungstheorie, wonach solche Laser die Waldbrände in Kalifornien entfacht hätten.)
Am meisten dürfte MTG schmerzen, dass sie selbst von Trump im Stich gelassen wurde. Der Ex-Präsident hat sich hinter Speaker Johnson gestellt. Das hatte zur Folge, dass Greene auch in den konservativen Medien verspottet wird. Fox News bezeichnete sie als «Idiotin», die «New York Post» titelte: «NYET, MOSCOW MARJORIE».
Trump gibt zwar vor, einfache Menschen zu lieben. In Tat und Wahrheit lechzt er danach, von der Elite akzeptiert zu werden. MTG ist daher auch für den Ex-Präsidenten eine Spur zu vulgär und hat eine Prise zu wenig Klasse.
Dabei erscheint Trump selbst im Schweigegeld-Prozess ebenfalls nicht wirklich wie ein Gentleman. Der Pornostar Stormy Daniels hat soeben anzügliche Details ihres sexuellen Abenteuers mit ihm vor den Geschworenen ausgebreitet. Zuvor hatte der Verleger des Schmierenblatts «National Enquirer» erklärt, wie er für den Ex-Präsidenten eine Story von Karen McDougal zuerst gekauft und dann abgewürgt hatte. Das ehemalige Playboy-Model wollte ebenfalls eine Story über ein Verhältnis mit Trump an die Öffentlichkeit bringen.
Die Demütigung des Donald Trump dürfte diese Woche weitergehen. Sein ehemaliger Anwalt und Fixer Michael Cohen wird in den Zeugenstand treten. Dieser ist wegen der Schweigegeld-Affäre verurteilt worden und hat seine dreijährige Gefängnisstrafe abgesessen. Weil er dabei von Trump wie eine heisse Kartoffel fallengelassen wurde, hat er die Seiten gewechselt und ist nun zum Kronzeugen der Anklage geworden.
Über den juristischen Gehalt der Anklage gegen Trump und die politischen Folgen des Prozesses kann man trefflich streiten. Unbestritten ist jedoch, dass Trump darunter leidet, und zwar wie ein Hund, um den Faden dieser Story wieder aufzunehmen. Er muss nicht nur stundenlang in einem kargen und kalten Gerichtssaal ausharren. Er muss dies schweigend tun, was ihm sichtlich schwerfällt. Und er muss über sich ergehen lassen, wie ein zwielichtiger Verleger, eine Pornodarstellerin und ein Möchtegern-Mafioso detailliert über sein Geschäftsgebaren und seine sexuellen Vorlieben aussagen.
Logisch, dass dabei bei allen, die nicht der MAGA-Meute angehören, Schadenfreude aufkommt. Diese Schadenfreude hat Trump verdient. Er ist es, der dem Rechtsstaat den Finger zeigt und die Demokratie aushebeln will. Michelle Obama hatte nicht recht, als sie vor acht Jahren am Parteikongress der Demokraten ausrief: «When they go low, we go high.» Wie auch immer der Prozess gegen ihn ausgehen mag, Stormy Daniels hat es weit zutreffender formuliert, nämlich wie folgt: Trump sei nicht mehr als ein «oranger Scheisshaufen».
Und Schadenfreude werde ich erst haben, wenn er gesiebte Luft atmet (vergitterte Knastfenster) oder einfach nicht mehr zur POTUS-Wahl antreten darf.
Habe ich das jetzt wirklich gelesen? MTG hatte tatsächlich so was mal behauptet und ist bei den Reps nicht schon alleine deshalb völlig unten durch?
Schlimm.
Auf dem Weg zum Erwachsenwerden wird uns dann beigebracht, dass es nicht lustig ist, wenn jemand stolpert.