Ein Nobelpreisträger blickt mit Sorge auf die Entwicklungen in den USA. Joseph E. Stiglitz sagte in einem Interview mit «Welt», er blicke positiv auf Europa. Grund dafür sei allerdings seine pessimistische Sicht auf die Vereinigten Staaten. «Ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft glaubt nicht mehr an den Rechtsstaat, glaubt nicht mehr an die Demokratie», sagte der Ökonom. «Es scheint möglich, dass wir auf dem Weg in den Faschismus sind».
Als Beispiel dafür nennt Stiglitz die Wahl 2020. Damals hatten viele Republikaner, allen voran Ex-Präsident Donald Trump, behauptet, die Wahl sei gestohlen worden und Joe Biden sei nicht der rechtmässige US-Präsident. Und das, «obwohl jeder Richter gesagt hat, dass das nicht der Fall ist». Gerade in einem politischen System, das nur zwei Parteien kenne, sei das fatal, meint Stiglitz.
Stiglitz ist ein intellektuelles Schwergewicht unter den Ökonomen. In der Vergangenheit war er Chefökonom der Weltbank und bekam 2001 für seine Arbeit den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Heute lehrt Stiglitz an der Columbia University.
Um «politisch noch die Kurve zu bekommen», müssten die USA die Polarisierung überwinden, so Stiglitz. Das werde allerdings schwierig. Denn das US-Wahlsystem habe einige Schwachstellen und trage zur Polarisierung bei. Ausserdem sei die Gesellschaft ungleicher als in vielen europäischen Ländern und die weite Verbreitung der sozialen Medien trage zu der Polarisierung bei. Auch Donald Trump habe dazu beigetragen, die Gesellschaft weiter zu spalten. «Er hat das Lügen zur sozialen Norm gemacht», so Stiglitz.
Der Nobelpreisträger will die Hoffnung in die USA allerdings noch nicht ganz aufgeben. «Wenn ich mir die jungen Menschen anschaue und den rasanten Wandel der sozialen Einstellungen, dann gibt es noch Hoffnung». Es sei allerdings nahezu unmöglich, dazu verlässliche Prognosen abzugeben. «Wenn Donald Trump in den USA wiedergewählt wird, würden viele hochgebildete Menschen nach Europa auswandern. Die smarten Leute haben keine Lust darauf, in einer faschistischen Gesellschaft zu leben».
Das volle Interview:
Eine Katastrophe,.die man sich gar nicht ausmalen mag.