Ukrainische Feuerwehrleute in der Ruine des Wärmekraftwerks Trypilska – die Anlage konnte mangels Luftabwehrmitteln nicht verteidigt werden. Bild: keystone
Zuletzt hat Russland die ukrainische Energieinfrastruktur massiv angegriffen. Dadurch werden jetzt nicht nur die Reserven für die Ukraine knapp, sondern womöglich auch für den Rest Europas.
Julian Alexander Fischer / t-online
Ein Artikel von
Bereits seit Kriegsbeginn greift Russland die ukrainische Energieversorgung an. In den vergangenen Wochen hat das aber ganz neuen Ausmasse angenommen. Denn statt leicht reparierbaren Energietransformatoren stehen nun Kraftwerke und unterirdische Gasspeicheranlagen im Fokus der russischen Angriffe.
Der Schaden ist bereits beträchtlich und so schnell gibt es keine Alternativen. Das könnte jetzt auch Konsequenzen für die Energieversorgung im Rest Europas haben, berichtet «Politico».
Putin bombt die Ukraine in die Dunkelheit – und lässt Europa ohne Strom zurück
Schlagzeile des «Politico»-Artikels
Was ist passiert?
48 Angriffe im letzten halben Jahr
«Unsere Wärmekraftwerke wurden in den letzten sechs Monaten 48 Mal angegriffen, aber ohne Zweifel waren die Angriffe Russlands in den letzten Wochen die schlimmsten seit der umfassenden Invasion im Jahr 2022», berichtet Maxim Timchenko, CEO des grössten privaten Energieunternehmens in der Ukraine DTEK. Demnach habe sein Unternehmen bereits fast 80 Prozent der Energiekapazität verloren.
Die fehlende Energie erschwere es der Ukraine, russische Raketen abzuwehren, heisst es in dem Bericht. Fatal sei jedoch ein weiterer Aspekt. Im vergangenen Winter habe die Ukraine ihr Speichernetz noch europäischen Grosshändlern angeboten, als diese Vorräte im Hinblick auf ausbleibende russische Lieferungen anlegten.
«In den letzten Wochen hat Russland damit begonnen, dem Energiesystem der Ukraine weitaus dauerhaftere Schäden zuzufügen, indem es nicht nur Kraftwerke zerstörte, sondern sogar die riesigen unterirdischen Gasspeicheranlagen attackierte, auf die sich die EU im letzten Winter stützte, um eine eigene Energieknappheit zu vermeiden.»
quelle: politico.eu
Warum betrifft uns das?
«Die Ukraine hat Europa den Arsch gerettet»
Aura Sabadus, Energie-Expertin
Werden diese Kapazitäten nun vernichtet, drohe auch der EU ein Problem. Noch vor wenigen Wochen erklärte die Ukraine, täglich Strom im Wert von rund einer Million Euro an ihre westlichen Nachbarn zu exportieren. Jetzt hat sich die Situation drastisch gewendet, da Kiew finanzielle Reserven aufbraucht, um Energie zu importieren. Dabei kämpft das Land darum, Stromausfälle zu vermeiden und eine Rüstungsindustrie in Kriegszeiten anzutreiben.
Volodymyr Kudrytskyi, CEO des staatlichen Stromnetzbetreibers Ukrenergo, sagte:
«Es herrscht ein enormer Druck, insbesondere in Regionen wie Charkiw, wo alle unsere wichtigsten Vermögenswerte von Raketen angegriffen wurden, und wir versuchen, so viel Strom wie möglich wiederherzustellen, während der Gegner immer mehr neue Angriffe unternimmt.»
Die Anlagen waren im vergangenen Winter von entscheidender Bedeutung für Europa, da Händler dort Milliarden Kubikmeter Treibstoff für den Fall von Engpässen lagerten. Die zusätzliche Lagerkapazität ermöglichte den EU-Ländern einen leichten Zugang zu den Vorräten. Unternehmen konnten so überschüssigen Treibstoff lagern, den sie sonst womöglich nirgendwo hätten lagern können – und den sie zu Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro hätten verkaufen müssen.
«Die Ukraine hat Europa den Arsch gerettet», sagt Aura Sabadus gegenüber von «Politico». Sie ist Gasexpertin beim Rohstoffinformationsunternehmen ICIS.
«Die Tragödie ist, dass das Gas, das sie gelagert haben, aus Ländern stammt, die sich gegen Hilfslieferungen an die Ukraine aussprechen, das meiste davon kommt aus Ungarn und der Slowakei. Und das wird letztendlich nach hinten losgehen.»
Nun besteht die Befürchtung, dass für den nächsten Winter nicht mehr genug Gasspeicherkapazitäten in Europa vorhanden sind.
Wie geht es weiter?
Laut Timchenko kann nur die militärische Unterstützung der Verbündeten der Ukraine das Stromnetz vor weiterer Zerstörung bewahren.
«Leider haben die von DTEK installierten passiven Verteidigungsmassnahmen – wie Betonblöcke und Sandsäcke – gegen diese Präzisionsangriffe nur begrenzte Wirkung gezeigt», sagte er. «Wir brauchen dringend stärkere Luftverteidigungen, um das Energiesystem der Ukraine zu retten und zu schützen.»
quelle: politico.eu
Die Energie-Expertin Aura Sabadus:
«Das Horrorszenario ist, dass es im Dezember keine ukrainischen Speichereinrichtungen und keinen Transit gibt. Was machen wir dann eigentlich? Und noch längerfristig, wenn ab 2025 eine weitere riesige Flut an Flüssigerdgas aus den USA und Katar ankommt, wo sollen wir das alles als Massnahme zur Versorgungssicherheit unterbringen?»
Der Energiesprecher der Europäischen Kommission, Tim McPhie, erklärte, dass die EU der Ukraine in der Vergangenheit geholfen habe, die Schäden an ihrem Energiesystem zu reparieren, und dies auch weiterhin tun werde.
Quellen
(t-online/dsc)
2 Jahre Ukraine-Krieg in 34 Bildern
1 / 37
2 Jahre Ukraine-Krieg in 34 Bildern
Von ihrem Nachbarn überfallen, kämpft die Ukraine ums Überleben. In dieser Bildstrecke schauen wir auf die Ereignisse seit der Invasion Russlands zurück ...
quelle: keystone / bo amstrup
Russland prahlt mit «Frankenstein-Panzer» – die Ukraine zerstört ihn sofort
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Die Polizei ermittelt wieder gegen den Sohn der norwegischen Kronprinzessin Mette-Marit, Marius Borg Høiby (27). Wie ein Polizeisprecher mehreren norwegischen Medien mitteilte, gehe es um einen mutmasslichen Verstoss gegen ein Kontaktverbot. Die Anwältin von Høibys Ex-Freundin bestätigte der Agentur NTB zufolge, ihre Klientin sei in der Sache vernommen und Beweise seien sichergestellt worden. Høibys Anwalt Øyvind Bratlien sagte laut NTB, sein Klient meine nicht, gegen ein Kontaktverbot verstossen zu haben.
Es wird nicht besser.