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Putin greift ukrainische Gasspeicher an – mit Folgen für ganz Europa

In this photo provided by the Ukrainian Emergency Service, emergency workers extinguish a fire after a Russian attack on the Trypilska thermal power plant in Ukrainka, Kyiv region, Ukraine, Thursday,  ...
Ukrainische Feuerwehrleute in der Ruine des Wärmekraftwerks Trypilska – die Anlage konnte mangels Luftabwehrmitteln nicht verteidigt werden. Bild: keystone

Putin greift ukrainische Gasspeicher an – darum drohen Folgen für ganz Europa

Zuletzt hat Russland die ukrainische Energieinfrastruktur massiv angegriffen. Dadurch werden jetzt nicht nur die Reserven für die Ukraine knapp, sondern womöglich auch für den Rest Europas.
22.04.2024, 17:50
Julian Alexander Fischer / t-online
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Ein Artikel von
t-online

Bereits seit Kriegsbeginn greift Russland die ukrainische Energieversorgung an. In den vergangenen Wochen hat das aber ganz neuen Ausmasse angenommen. Denn statt leicht reparierbaren Energietransformatoren stehen nun Kraftwerke und unterirdische Gasspeicheranlagen im Fokus der russischen Angriffe.

Der Schaden ist bereits beträchtlich und so schnell gibt es keine Alternativen. Das könnte jetzt auch Konsequenzen für die Energieversorgung im Rest Europas haben, berichtet «Politico».

Putin bombt die Ukraine in die Dunkelheit – und lässt Europa ohne Strom zurück
Schlagzeile des «Politico»-Artikels

Was ist passiert?

48 Angriffe im letzten halben Jahr

«Unsere Wärmekraftwerke wurden in den letzten sechs Monaten 48 Mal angegriffen, aber ohne Zweifel waren die Angriffe Russlands in den letzten Wochen die schlimmsten seit der umfassenden Invasion im Jahr 2022», berichtet Maxim Timchenko, CEO des grössten privaten Energieunternehmens in der Ukraine DTEK. Demnach habe sein Unternehmen bereits fast 80 Prozent der Energiekapazität verloren.

Die fehlende Energie erschwere es der Ukraine, russische Raketen abzuwehren, heisst es in dem Bericht. Fatal sei jedoch ein weiterer Aspekt. Im vergangenen Winter habe die Ukraine ihr Speichernetz noch europäischen Grosshändlern angeboten, als diese Vorräte im Hinblick auf ausbleibende russische Lieferungen anlegten.

«In den letzten Wochen hat Russland damit begonnen, dem Energiesystem der Ukraine weitaus dauerhaftere Schäden zuzufügen, indem es nicht nur Kraftwerke zerstörte, sondern sogar die riesigen unterirdischen Gasspeicheranlagen attackierte, auf die sich die EU im letzten Winter stützte, um eine eigene Energieknappheit zu vermeiden.»
quelle: politico.eu

Warum betrifft uns das?

«Die Ukraine hat Europa den Arsch gerettet»
Aura Sabadus, Energie-Expertin

Werden diese Kapazitäten nun vernichtet, drohe auch der EU ein Problem. Noch vor wenigen Wochen erklärte die Ukraine, täglich Strom im Wert von rund einer Million Euro an ihre westlichen Nachbarn zu exportieren. Jetzt hat sich die Situation drastisch gewendet, da Kiew finanzielle Reserven aufbraucht, um Energie zu importieren. Dabei kämpft das Land darum, Stromausfälle zu vermeiden und eine Rüstungsindustrie in Kriegszeiten anzutreiben.

Volodymyr Kudrytskyi, CEO des staatlichen Stromnetzbetreibers Ukrenergo, sagte:

«Es herrscht ein enormer Druck, insbesondere in Regionen wie Charkiw, wo alle unsere wichtigsten Vermögenswerte von Raketen angegriffen wurden, und wir versuchen, so viel Strom wie möglich wiederherzustellen, während der Gegner immer mehr neue Angriffe unternimmt.»

Die Anlagen waren im vergangenen Winter von entscheidender Bedeutung für Europa, da Händler dort Milliarden Kubikmeter Treibstoff für den Fall von Engpässen lagerten. Die zusätzliche Lagerkapazität ermöglichte den EU-Ländern einen leichten Zugang zu den Vorräten. Unternehmen konnten so überschüssigen Treibstoff lagern, den sie sonst womöglich nirgendwo hätten lagern können – und den sie zu Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro hätten verkaufen müssen.

«Die Ukraine hat Europa den Arsch gerettet», sagt Aura Sabadus gegenüber von «Politico». Sie ist Gasexpertin beim Rohstoffinformationsunternehmen ICIS.

«Die Tragödie ist, dass das Gas, das sie gelagert haben, aus Ländern stammt, die sich gegen Hilfslieferungen an die Ukraine aussprechen, das meiste davon kommt aus Ungarn und der Slowakei. Und das wird letztendlich nach hinten losgehen.»

Nun besteht die Befürchtung, dass für den nächsten Winter nicht mehr genug Gasspeicherkapazitäten in Europa vorhanden sind.

Wie geht es weiter?

Laut Timchenko kann nur die militärische Unterstützung der Verbündeten der Ukraine das Stromnetz vor weiterer Zerstörung bewahren.

«Leider haben die von DTEK installierten passiven Verteidigungsmassnahmen – wie Betonblöcke und Sandsäcke – gegen diese Präzisionsangriffe nur begrenzte Wirkung gezeigt», sagte er. «Wir brauchen dringend stärkere Luftverteidigungen, um das Energiesystem der Ukraine zu retten und zu schützen.»
quelle: politico.eu

Die Energie-Expertin Aura Sabadus:

«Das Horrorszenario ist, dass es im Dezember keine ukrainischen Speichereinrichtungen und keinen Transit gibt. Was machen wir dann eigentlich? Und noch längerfristig, wenn ab 2025 eine weitere riesige Flut an Flüssigerdgas aus den USA und Katar ankommt, wo sollen wir das alles als Massnahme zur Versorgungssicherheit unterbringen?»

Der Energiesprecher der Europäischen Kommission, Tim McPhie, erklärte, dass die EU der Ukraine in der Vergangenheit geholfen habe, die Schäden an ihrem Energiesystem zu reparieren, und dies auch weiterhin tun werde.

Quellen

(t-online/dsc)

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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banda69
22.04.2024 18:37registriert Januar 2020
Putin hat Europa längst den Krieg erklärt. Und die Europäer diskutieren. Und die SVPler haben Verständnis für Putin und blockieren die Sanktionen und hetzen gegen die ukrainischen Flüchtlinge. Ekelhaft. Die SVPler sind eine Schande für unser Land. Und ja, wer SVP wählt, wählt Putin.

Es wird nicht besser.
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Mg.
22.04.2024 19:00registriert März 2019
Blockiert die Schweiz immer noch Munitionslieferungen von Deutschland aus Schweizer Produktion? Falls ja, ist dieser Zustand absolut untragbar.
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Yesbutter
22.04.2024 19:09registriert August 2023
Wer jetzt noch glaubt, Putin und seine kriminelle Gefolgschaft nähmen Rücksicht auf irgendjemanden, ob Einzelpersonen, Organisationen oder sogar Staaten, um seinen Willen durchzusetzen, muss mit Blindheit und Taubheit gesegnet sein. Es ist höchste Zeit für Europa, die Samthandschuhe abzulegen. Er terrorisiert jetzt schon die halbe Welt. Zeit, ihn in die Schranken zu weisen.
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