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London will den Bonus-Deckel für Banker wieder öffnen

Trotz Bankenpleiten und Boni-Kritik: London will den Bonus-Deckel für Banker wieder öffnen

Der Finanzplatz an der Themse hadert mit der eigenen Konkurrenzfähigkeit und verspricht sich Wettbewerbsvorteile gegenüber Paris, Frankfurt und der Schweiz.
24.05.2023, 04:2824.05.2023, 04:28
Daniel Zulauf / ch media
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Nach dem Credit-Suisse-Versagen scheint in Bern alles auf die Einberufung einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) hinauszulaufen. Hätten die staatlichen Behörden den zunächst scheinbar schleichenden und dann plötzlich rasend schnellen Niedergang der Grossbank anders bewerten müssen? Wurden folgenschwere Fehler gemacht? Wer trägt die Schuld?

epa01604878 A Stock Exchange employee exits the London Stock Exchange in London, Britain, 19 January 2009. The British government has announced a second package of measures to encourage banks to lend  ...
Nicht mehr der Nabel der Börsenwelt: die London Stock Exchange.Bild: EPA

Während sich die PUK bald um die Beantwortung dieser und anderer heikler Fragen kümmern dürfte, wird das Parlament möglicherweise noch vor den Sommerferien über ein generelles Bonus-Verbot für Banker debattieren. Der Nationalrat hat einem entsprechenden Vorstoss der Sozialdemokraten bereits zugestimmt. Der bürgerlich dominierte Ständerat ist solchen Ideen zwar weniger zugeneigt, doch nach dem CS-Debakel sind viele Szenarien plötzlich denkbar geworden.

Just in die der Schweiz entgegengesetzte Richtung will nun aber der Finanzplatz London gehen. Der konservative «Daily Telegraph» meldete in seiner Ausgabe vom Samstag, dass die Financial Conduct Authority, die Aufseherin über die «City», dieser Tage einen Reformvorschlag zu den Bonus- und Gehaltsregeln in der Londoner Finanzbranche in die Anhörung geschickt habe. Die Reform solle dem Finanzplatz an der Themse zu einer grösseren Wettbewerbsfähigkeit verhelfen.

Wehklagen ohne Ende

Der «Daily Telegraph» hatte in den vergangenen Monaten immer wieder mit alarmistisch klingenden Berichten zur abnehmenden Konkurrenzfähigkeit der Londoner City aufgewartet. Einmal waren es die offenbar gehäuften Verschiebungen britischer Unternehmen, die bei der Notiz der eigenen Aktien den grossen US-Börsen gegenüber dem London Stock Exchange den Vorzug gäben. Ein andermal waren es die fehlenden Börsenzugänge ausländischer Firmen, wie sie zum Beispiel an der Six Swiss Exchange mit der Zweitnotiz vieler chinesischer Konzerne gerade erstaunlich häufig zu beobachten sind. Und aktuell sind es die 200 City-Arbeitsplätze, welche die britische Grossbank Barclays nach Paris zu verlegen plane.

Unter dem Stichwort «Big Bang 2.0» lobbyieren Repräsentanten der City seit längerem zunehmend erfolgreich bei der Regierung für eine markante Abkoppelung der Finanzmarktregulierung von jener der EU, die bis zum Brexit auch für London massgebend war. In dem aktuellen Reformvorschlag zu Boni und Löhnen schwebt dem City-Watchdog primär eine Lockerung der Entschädigungsregeln für kleinere Finanzgesellschaften vor.

Für Firmen mit einer Bilanzsumme von bis zu 4 Milliarden Pfund soll es fortan keine zwingenden Bedingungen der Rückforderbarkeit von Boni für Spitzenverdiener mehr geben, für den Fall, dass es dem Unternehmen schlecht ergeht. Auch grössere Finanzgesellschaften mit Bilanzsummen von bis zu 20 Milliarden Pfund sollen von regulatorischen Erleichterungen profitieren.

Bei Finanzgesellschaften in dieser Grösse handelt es sich freilich weniger um traditionelle Banken, sondern um andere Akteure, darunter auch Hedgefonds-Anbieter. Die 2013 verabschiedete und 2014 in Kraft getretene EU-Direktive, welche die Bonusregeln aufgrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise für die EU-Staaten verschärft, hatte gemäss Branchenbeobachtern beträchtliche Auswirkungen auf diese Industrie, in der die Manager mit besonderen Gewinnbeteiligungsmodellen teilweise astronomisch Summen verdienen.

«Ein verrücktes System»

Zur Debatte stehen aber auch die Bonusbegrenzungen für die Chefs von Grossbanken, wie sie in der EU und in Grossbritannien seit 2014 gelten. Seither dürfen die Boni europäischer Bankchefs nicht mehr als das Doppelte vom Fixgehalt betragen. Die Regulierung will die Anreize der Manager begrenzen, hohe Risiken einzugehen, um das eigene Gehalt zu steigern.

Der «Telegraph» zitiert mit dem für Überwachung der Finanzstabilität in der Bank of England zuständigen Sam Woods einen besonders prominenten Kritiker des Bonus-Deckels: Dessen einziger Effekt bestehe darin, dass er zu einem Anstieg der Fixgehälter führe. «Es ist ein völlig verrücktes System.»

Im Februar hatte eine empirische Untersuchung des deutschen «Halle Institute for Economic Research» zudem festgesellt, dass auch die Chefs von systemrelevanten Banken ungeachtet der Bonusbeschränkungen fortführen, hohe Risiken in Kauf zu nehmen. Möglicherweise spürten sie, was die Gläubiger und die Aktionäre der Credit Suisse am 19. März erleben durften: Systemrelevante Grossbanken können nicht untergehen - egal welche Vorkehrungen der Gesetzgeber für eine geordnete Abwicklung solcher Institute im Krisenfall getroffen hat. (aargauerzeitung.ch)

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