Seit einigen Monaten schart die deutsche Kanzlerin Angela Merkel EU-Amtskollegen um sich, die mit ihr in der Flüchtlingskrise an einem Strang ziehen sollen. Die «Koalition der Willigen» trifft sich regelmässig vor den EU-Gipfeln – am Donnerstag zum dritten Mal. Obwohl die Gruppe sogar gewachsen ist, fehlt es ihr an Einigkeit. Die kommenden Wochen dürften für die Koalition zum Härtetest werden.
Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei hatten es vorgemacht. Seit dem Sommer treffen sich die Osteuropäer in der Visegrad-Gruppe regelmässig, um ihre Linie in der Flüchtlingsfrage abzustimmen.
Die «Willigen» kamen ihrerseits vor dem EU-Türkei-Gipfel Ende November erstmals zusammen. Sie beschrieben sich als Ländergruppe, die verstärkt nach Lösungen in der Flüchtlingskrise suchen wollte – und dabei auf eine enge Kooperation mit Ankara setzt.
Neben Deutschland gehörten dem vorerst «G-8» getauften Club Belgien, Finnland, Griechenland, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und Schweden an. Inzwischen wuchs die Gruppe auf elf EU-Staaten: Auch Portugal, Slowenien und Frankreich nehmen seit Dezember an den Treffen teil, die in der österreichischen EU-Vertretung stattfinden.
Mit von der Partie sind EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz. Erstmals nimmt nun auch Frankreichs Präsident François Hollande persönlich teil, der sich im Dezember noch von seinem Europastaatssekretär vertreten liess. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte seine Teilnahme in letzter Minute wieder ab – wegen des Terroranschlages am Mittwochabend auf ein Militärfahrzeug in Ankara.
Gerade dem deutsch-französischen Duo dürfte erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werden. Denn Hollandes Premier Manuel Valls hat am Wochenende offen Widerstand gegen Pläne für neue EU-Vereinbarungen zur Aufnahme von Flüchtlingen angekündigt.
Frankreich will demnach noch die 30'000 Menschen aufnehmen, zu denen sich Paris bei der EU-weiten Umverteilung von 160'000 Flüchtlingen zur Entlastung Italiens und Griechenland verpflichtet hat. «Aber nicht mehr.»
Merkel will nun nicht mehr über weitere Aufnahmekontingente sprechen. Diese seien «wahrlich nicht die jetzt sehr breit diskutierte Frage», sagte sie am Dienstag.
Die EU-Länder würden sich aus ihrer Sicht «ziemlich lächerlich» machen, wenn sie neue Aufnahmequoten beschliessen würden, während bisherige Vereinbarungen bei weitem nicht umgesetzt seien. Denn von den seit Sommer beschlossenen 160'000 Flüchtlingen wurden gerade einmal 500 verteilt.
Doch auch am Donnerstag steht erneut der Plan im Raum, der Türkei zehntausende Migranten abzunehmen. Ankara mit mehr als zwei Millionen Syrien-Flüchtlingen im eigenen Land fordert für seine Kooperationsbereitschaft bei der Grenzsicherung eine Lastenteilung. Die EU-Kommission hatte schon Mitte Dezember einen Vorschlag zur legalen Umsiedlung unterbreitet.
Selbst das EU-begeisterte Luxemburg hatte damals gemauert. «Illusorisch» nannte es Aussenminister Jean Asselborn, dass Hunderttausende freiwillig verteilt werden könnten.
50'000 hielt er schliesslich für möglich – wenn diese von den 160'000 aus dem Umverteilungsdeal abgezogen würden. Belgien schloss eine Beteiligung kategorisch aus.
Aber Juncker will offenbar nicht locker lassen. Eine Kommissionssprecherin sagte am Dienstag, es gehe nun um die «Umsetzung» des im Dezember vorgestellten Vorhabens.
Gastgeber Österreich macht unterdessen zunehmend mit Alleingängen von sich reden. Nach der Aufnahmeobergrenze von 37'500 Flüchtlingen in diesem Jahr schottet sich Wien mit verschärften Kontrollen entlang seiner Südgrenze zunehmend ab.
Und Aussenminister Sebastian Kurz wirbt dafür, notfalls die Übergänge im Nicht-EU-Land Mazedonien dicht zu machen, wenn Griechenland den Schutz der EU-Aussengrenze nicht schnell gewährleisten kann. Während Merkel eine Lösung ohne Athen als uneuropäisch ablehnt, fordern das die Visegrad-Länder schon lange. (jas/sda/afp)