Was Kino und Theater betraf, war der Mann ein Alleskönner. Beide Welten feierten Sam Shepard, der als Autor am Broadway und als Schauspieler in Hollywood seine eigene Handschrift hinterliess. Dem bunten Trubel hielt der «Kultur-Cowboy» sich aber am liebsten fern.
Wer dieser Tage mit Sam Shepard einmal Kontakt aufnehmen wollte, bekam eine digitale Abfuhr. «Ich habe keinen Computer. Ich habe kein Internet. Ich habe keine E-Mail», hiess es knapp auf seiner Website, wenn man sich dort zum Punkt «E-Mail» geklickt hatte. «Ich habe nichts von diesem Scheiss.» Shepard passte in die Rolle des verschlossenen Aussenseiters, der sich ungern fügt. Solche Figuren spielte er im Film, solche Charaktere beschrieb er in seinen Theaterstücken. Nun ist er im Alter von 73 Jahren gestorben.
Die Folgen der Nervenkrankheit ALS haben zu seinem Tod geführt, wie die «New York Times» und andere Medien am Montag unter Berufung auf einen Sprecher der Familie berichteten. Er sei am vergangenen Donnerstag in seinem Zuhause im Staat Kentucky friedlich im Kreis seiner Kinder und seiner Schwestern gestorben. Shepard, den das Magazin «New York Magazine» einmal als «grössten amerikanischen Dramatiker seiner Generation» beschrieb, hinterlässt dem Theater und dem Kino eine Fülle an Titeln und Rollen mit ganz eigener Handschrift.
Da wäre natürlich das berühmte Bühnenstück «Buried Child», mit dem Shepard 1979 den Pulitzer-Preis und damit die begehrteste Literaturauszeichnung der USA gewann. Oder sein Drehbuch für den unvergessenen Wim-Wenders-Film «Paris, Texas», der 1984 die Goldene Palme in Cannes abräumte. Wenders hatte Shepard seinerzeit unbedingt als Hauptdarsteller vor die Kamera holen wollen, der aber sagte ab.
Grüblerischer Blick, asketische Gesichtszüge, nur selten ein Lächeln: in der düsteren Coolness Shepards schwang immer auch ein tragisches Moment mit. Dies brachte er als einsamer Farmer in Terrence Malicks «Days of Heaven» (1978), als Einzelgänger in Volker Schlöndorffs «Homo Faber» (1990) oder als unbeugsamer Testpilot in Philip Kaufmans «The Right Stuff» (1983) ins Kino. Diese Rolle brachte ihm 1984 eine Oscar-Nominierung ein.
Dem lauten Zirkus in Hollywood hielt sich Shepard meist fern und lebte stattdessen zurückgezogen, lange Zeit auf einer Ranch in Minnesota, wo er Mustangs züchtete. Fast 30 Jahre war er mit der Schauspielerin Jessica Lange liiert, die er 1982 bei Dreharbeiten zu «Frances» kennenlernte und mit der er zwei Kinder bekam. Die beiden heirateten nie, galten aber als Vorzeige-Paar. Aus einer früheren Ehe kam ein weiterer Sohn Shepards dazu.
Zerrüttete Familien, der Mythos des Westens, einsame Pioniere und Individualisten – Shepard beschäftigten Themen, die ihm auch privat bestens vertraut waren. Er wuchs als Sohn eines Militär-Offiziers auf, der ständig mit der Familie umzog und nach Shepards Worten «mit Leib und Seele dem Alkohol verfallen war». Von der elterlichen Farm in Kalifornien aus schloss sich Shepard einem Tournee-Theater an und kam mit 20 Jahren nach New York, wo er Theaterstücke schrieb. Bald avancierte er zu einem der meistgespielten amerikanischen Dramatiker.
Kritiker priesen ihn fast unmittelbar nach Beginn seiner Karriere, als er Mitte der 60er Jahre für «Chicago», «Icarus's Mother», «Red Cross» und «La Turista» mehrere Preise gewann. Mit 44 Stücken für die Bühne sowie zahlreichen Büchern mit Kurzgeschichten, Essays und Memoiren hinterliess er ein beeindruckendes Werk. Die bunten Lichter des New Yorker Yorker Broadway schienen zum «Kultur-Cowboy» ebensowenig zu passen wie der Trubel der Filmwelt.
Schauspieler werden wollte Shepard angeblich nie. Umso überraschender war, dass er sich trotzdem für Rollen in grossen Produktionen wie «The Pelican Brief», «Password Swordfish», dem umstrittenen Kriegsfilm «Black Hawk Down», dem Liebesfilm «The Notebook» und «Stealth» hinreissen liess. So gar nicht ins Bild passte dann auch, dass er in «The Accidental Husband» mit Uma Thurman in einer romantischen Komödie mitspielte. (sda/dpa)