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Frankreich: Macron will schnell neuen Premier ernennen

Wenig Grund zur Freude: Premier François Bayrou und sein Vorgesetzter Emmanuel Macron.
Frankreichs Premier François Bayrou und Präsident Emmanuel Macron.Bild: keystone

Frankreichs Regierung schon wieder in Nöten – Macron will schnell neuen Premier ernennen

Frankreichs Premier François Bayrou ist krachend gescheitert. Seine Minderheitsregierung verlor die Vertrauensfrage – ein Debakel, das Präsident Emmanuel Macron ins Wanken bringt.
08.09.2025, 19:3709.09.2025, 07:13
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Nach dem Sturz der Regierung sucht Frankreich einen neuen Premierminister. Präsident Emmanuel Macron will heute den gescheiterten Premier François Bayrou empfangen, um den Rücktritt von dessen Minderheitsregierung anzunehmen, wie es aus dem Élysée-Palast hiess.

Schon in den nächsten Tagen wolle der Staatschef dann einen Nachfolger bestimmen. Weil die politische Krise auch Macron selbst unter Druck setzt und das Land vor einer Streik- und Protestwelle steht, will der Staatschef bei der Entscheidung wohl auf Tempo setzen.

Bayrou hatte am Montag in der Nationalversammlung im Streit über seinen Sparhaushalt die Vertrauensfrage gestellt und versucht, die Abstimmung mit einem Bekenntnis zum Sparen in dem hoch verschuldeten Land zu verbinden. Die versammelte Opposition aber brachte den Zentrumspolitiker nach rund neun Monaten im Amt zu Fall. Selbst aus den Reihen der konservativen Républicains, die Teil von Bayrous Mitte-Rechts-Kabinett sind, stimmten einzelne Abgeordnete gegen den Premier.

Gespaltenes Parlament erschwert Nachfolger-Suche

Für Staatschef Macron gilt es jetzt, einen neuen Premierminister zu finden, der das politisch gespaltene Land führen kann. Die Ausgangslage ist jedoch vertrackt. In der Nationalversammlung stehen sich Macrons Liberale, das linke Lager und die Rechtsnationalen um Marine Le Pen als drei grosse Blöcke gegenüber. Keiner von ihnen verfügt über eine eigene Mehrheit. Das Regieren in lagerübergreifenden Koalitionen ist Frankreich nicht gewohnt.

Einen Favoriten für das Amt des Regierungschefs gab es zunächst nicht. Medien nannten als Kandidaten den Macron nahestehenden Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, der schon nach dem Sturz der Vorgängerregierung als Favorit gehandelt wurde. Auch die Namen von Justizminister Gérald Darmanin, Arbeits- und Gesundheitsministerin Catherine Vautrin oder von Finanz- und Wirtschaftsminister Éric Lombard fielen.

Für möglich gehalten wird aber auch, dass Präsident Macron dieses Mal einen Politiker wählt, der entweder aus dem Lager der Sozialisten kommt oder zumindest von ihnen akzeptiert wird. Denn mit der Unterstützung der Sozialisten könnte Macrons Lager einer Mehrheit im Unterhaus deutlich näher kommen und so den Haushalt und weitere Gesetzesvorhaben voranbringen – zumindest, solange der Spagat gelingt, sowohl mit den linken Sozialisten als auch den konservativen Républicains gemeinsame Sache zu machen. Jetzt sei die Linke an der Reihe zu regieren, hiess es nach der Abstimmung aus dem Lager.

Macron steht unter Druck und drückt aufs Gas

Dass Macron selbst schon kurz nach der verlorenen Vertrauensfrage ankündigen liess, rasch einen neuen Regierungschef zu ernennen, soll wohl den Druck auf ihn mindern. Denn im Zuge des letztlich erfolglosen Pokers von Bayrou war auch der Staatschef in die Schusslinie geraten – inklusive Forderungen, ihn abzusetzen. Diese wurden nach dem Votum insbesondere vonseiten der Linkspartei La France Insoumise wieder laut.

Ausserdem stellte der Präsident mit der Ankündigung klar: Statt einer Parlamentsneuwahl wie sie etwa Le Pens Rechtsnationale fordern, will er es mit einem neuen Regierungschef probieren.

Als Staatschef ernennt Macron die Premiers. Dass mit Bayou nun bereits der zweite Premier innerhalb eines Jahres seinen Posten räumen muss, ist für ihn eine saftige Ohrfeige, hatte er sich auf der Suche nach einer stabilen Regierung doch intensiv in die Sondierungen eingebracht.

Protest, Streik und die Haushaltslage mahnen zu Eile

Auch von der Strasse droht erheblicher Druck. Bereits kurz nach Bayrous Vorstellung seines Sparhaushalts verbreitete sich in Frankreich ein Aufruf, an diesem Mittwoch das ganze Land zu blockieren. Obwohl weiterhin unklar ist, wer hinter dem Aufruf «Bloquons tout» (Blockieren wir alles) steckt, sind die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft. Es wird mit bis zu 100'000 Protestierenden und spektakulären Blockade- und Sabotageaktionen gerechnet. Der französische Innenminister Bruno Retailleau sprach am Montagabend im Interview mit dem Sender France 2 von 80'000 Polizeikräften, die für den Tag mobilisiert werden würden.

Für den 18. September haben dann die Gewerkschaften zu landesweiten Streiks und Kundgebungen gegen den Sparkurs der Regierung aufgerufen. Inzwischen nehmen diese Proteste das Ausmass eines Generalstreiks an. Spätestens zu diesem Datum dürfte Macron wieder einen neuen Premier und eine neue Regierungsmannschaft am Start haben wollen, um nicht selbst in den Hauptfokus der Proteste zu rücken.

Die Zeit drängt auch aus wirtschaftlicher Sicht. Das hoch verschuldete Land muss dringend einen Sparkurs einschlagen und seine Finanzen konsolidieren. Mit einem Haushaltsdefizit von zuletzt 5,8 Prozent ist das Land ausserdem weit vom europäischen Grenzwert von 3 Prozent entfernt. Die EU hat einen kritischen Blick darauf, ob Paris mit dem Sparen nun Ernst macht. Sollte die Hängepartie zu lange anhalten, droht zudem, das Vertrauen an den Märkten zu sinken, was die französischen Finanzen noch stärker belasten würde. (sda/dpa)

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Militärparade Frankreich
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Militärparade Frankreich

Frankreich feiert jedes Jahr am Nationalfeiertag (14. Juli) eine Militärparade.

quelle: epa / ian langsdon
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110 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DerGrund
08.09.2025 20:21registriert November 2015
Phuh...
Ich verstehe nicht weshalb in Frankreich und allgemein in Europa niemand die aktuelle aussenpolitische Lage über die Innenpolitik stellt. Macron Weg und eine Le Pen Regierung, CDU weg und eine AfD Regierung -> Putinfreundliche Parteien an der Spitze der aktuellen "Koalition der Willigen". Und damit immer mehr Bahn frei für Russlands Expansionsgelüste in Richtung Westeuropa. Und das kann ja nun wirklich niemand wollen. Da würde ich als Franzose lieber auf zwei Feiertage verzichten. Aber wer denkt schon weiter als über die eigene Nasenspitze...
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Poly Tick
08.09.2025 20:22registriert Oktober 2023
Wieviel? 3 Billionen Staatsverschuldung? Sparwille = 0,0, alle schielen auf die anderen nach dem Motto "soll doch bei denen gespart werden". Keiner ist bereit zum Wohle des Landes irgendwelche Zugeständnisse zu machen, bei gleichzeitig fehlenden Bündnisses.... Naja: Futter für Populisten á la le pen...
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maylander
08.09.2025 21:14registriert September 2018
Frankreich müsste mehr Demokratie wagen. Mehr Entscheidungsraum für Gemeinden und Departements. Auch Anfänger von direkter Demokratie. Eon anderes Wahlrecht.

Jetzt wird alles in Paris entschieden. Und wenns nicht passt mit Streiks und Demos blockiert.
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