Seit Monaten, Jahren, ja Jahrzehnten klagt Frankreich die Welt über seine angeblich unlösbaren Probleme an: Schulden, Migration, Deindustrialisierung. Jahrzehnte voller Klagen, Demonstrationen und fehlender Lösungen – oft aus Angst vor Gewalt. Der soziale Frieden wurde mit immer neuen Milliarden aus den Staatskassen erkauft. Seit 50 Jahren gibt Frankreich mehr aus, als es einnimmt.
Bekannt für seine erfolglosen Kreuzzüge gegen die Verschuldung ist François Bayrou nun ausgerechnet über ein Budgetprojekt gestürzt, mit dem er die französischen Zinsen auf den Märkten senken wollte. Doch das Gegenteil trat ein: Der Satz stieg auf 3,6 Prozent – höher als in Italien. Die Staatsverschuldung klettert derweil auf 3300 Milliarden Euro, ebenfalls auf italienischem Niveau. Nur gilt Melonis Italien inzwischen als sorgfältigerer Verwalter als Macrons Frankreich.
Wären die Rücktritte der französischen Regierungen seit Macrons Wiederwahl 2022 – vier in drei Jahren – wenigstens der Auftakt zu einer parteiübergreifenden Einigung, um dem Land endlich mehr finanziellen Spielraum zu verschaffen. Doch ohne Wunder wird sich eine solche Dynamik wohl frühestens bis zur Präsidentschaftswahl 2027 einstellen.
Tatsache ist: Die permanente Angst vor Aufständen in Frankreich wird seit 1975 mit immer neuen Defiziten bekämpft – und hat sie dennoch nie verhindert. Für Mittwoch, den 10. September, ist erneut ein Generalstreik angekündigt, der «alles lahmlegen» soll. Sicherheitskreise warnen vor Gewalt, hinter der die radikale Linke stecken soll.
Am verwirrendsten ist, dass kaum klar ist, was die Französinnen und Franzosen überhaupt wollen – ausser natürlich, von ihrer Arbeit leben zu können, vor allem jene, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Soll der Staat durch weniger Ausgaben – die höchsten in Europa – wieder mehr Spielraum für Investitionen bekommen? Oder überwiegt die alte Versuchung der Robespierristen um Mélenchon, eine Revolution anzuzetteln, die im Chaos enden würde? Vorerst präsentieren sich die Sozialisten als Ausweg zwischen den Extremen – mit dem Plan, die «Superreichen» stärker zu besteuern.
Ein Teil der Erklärung für die französische Blockade könnte auch darin liegen, dass es bislang nicht gelungen ist, den Rassemblement National – seit der Europawahl 2019 die stärkste Partei des Landes – in die Regierungsarbeit einzubinden. Rund ein Drittel der Wählerschaft bleibt so von der Macht ausgeschlossen, was für sich genommen bereits ein Problem ist. Nötig wäre eine Lösung, die diese Partei an Entscheidungen beteiligt, ohne ihr gleich alle Schlüssel zur Macht zu überlassen – die sie sich im Fall einer absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung ohnehin selbst sichern könnte. Dafür gibt es ein Wort: Koalition.
Die Fünfte Republik mit ihrem Mehrheitswahlrecht sollte Frankreich eigentlich für immer vor der Instabilität der Vierten Republik bewahren – und führt nun doch genau dorthin zurück. Ob eine Öffnung hin zum RN etwas verbessern würde, ist fraglich. Doch sein Ausschluss trägt sowohl zur demokratischen Schwäche als auch zur haushaltspolitischen Blockade des Landes bei.
Eigentlich ist alles gesagt damit.
Aber ja, das neoliberale Experiment abbrechen und zugeben, dass Keynes und Piketty recht haben geht ja nicht. Vielleicht kommt ja nach 40 Jahren Pleite das Trickle down doch noch. Und Flüchtlingsstatus wieder auf Leute begrenzen die tatsächlich aus Kriegsgebieten kommen geht ja auch nicht.
Warum lernt man nie aus der Geschichte?