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Nach tödlichem Polizeischuss auf Jungen wieder Proteste in Frankreich

Polizei erschiesst 17-Jährigen bei Kontrolle: 150 Festnahmen nach nächtlichen Krawallen

29.06.2023, 09:4929.06.2023, 09:49
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Nach einem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle bei Paris ist es in der Nacht zum Donnerstag in der Hauptstadt und weiteren französischen Städten erneut zu heftigen Krawallen gekommen.

Dabei kam es zu 150 Festnahmen. «Eine Nacht unerträglicher Gewalt gegen Symbole der Republik: Rathäuser, Schulen und Polizeistationen wurden angezündet oder angegriffen», teilte Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstag mit. «Unterstützung für die Polizisten, Gendarmen und Feuerwehrleute, die mutig im Einsatz waren.»

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Die Polizei in Nanterre wurde mit Feuerwerkskörpern angegriffen.Bild: keystone

Unter anderem in Lille, Nantes, Toulouse und Lyon versammelten sich Menschen, um zu protestieren, berichteten die Zeitung «Le Figaro» und der Sender BFMTV. Mülltonnen, Autos, ein Bus und ein Lastwagen, Baumaschinen und selbst eine Pariser Strassenbahn wurden in Brand gesetzt. Die Polizei sprach von einer angespannten, aber kontrollierten Lage.

Alleine in Nanterre, wo der jugendliche Autofahrer am Dienstagmorgen gestorben war, wurden 2000 Beamte mobilisiert, um erneute heftige Ausschreitungen wie am Vorabend zu verhindern. Die Polizei setzte auch Drohnen ein. Im Grossraum Paris gab es in der Nacht mindestens 77 Festnahmen, eine Grundschule ging in Flammen auf. Auch die Haftanstalt in Fresnes bei Paris wurde mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Die Pariser Feuerwehr rief die Bevölkerung auf, den Notruf angesichts der Lage nur in dringenden Fällen zu nutzen.

Im südfranzösischen Nizza wurden zwei Polizeiwachen und Streifenwagen mit explodierenden Feuerwerkskörpern angegriffen. Randalierer errichteten Barrikaden und legten Feuer. In Mons-en-Baroeul bei Lille in Nordfrankreich verwüsteten Vermummte ein Bürgermeisteramt, im nahen Roubaix wurde eine Polizeiwache angegriffen.

Ermittlungen gegen Polizisten

Eine Motorradstreife hatte den Jugendlichen am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos in Nanterre bei Paris gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel der tödliche Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Dieser befindet sich weiterhin im Polizeigewahrsam. Gegen ihn wird wegen Totschlagsverdacht ermittelt. Dem 38-Jährigen droht die Suspendierung. Am Donnerstag ist in Nanterre ein Trauermarsch im Gedenken an den getöteten Jugendlichen geplant.

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Die Polizei in Nanterre sprach von einer angespannten, aber kontrollierten Lage.Bild: keystone

Zunächst hatten die beiden an der Kontrolle beteiligten Polizisten laut dem Sender France Info ausgesagt, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von dem Sender verifizierte Videobilder des Vorfalls in den Sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab.

Das Video zeigt, wie der Beamte seine Waffe bei der Kontrolle auf Höhe der Fahrertür in das stehende Auto richtete. Die Situation scheint unter Kontrolle, hektische Bewegungen sind nicht zu erkennen. Als der 17-Jährige plötzlich losfährt, feuert der Beamte aus nächster Nähe auf den Jugendlichen und trifft ihn tödlich in die Brust. Das Auto fuhr dann noch einige Meter weiter und rammte eine Strassenabsperrung.

Präsident Emmanuel Macron reagierte mit Mitgefühl und klaren Worten auf den Tod des 17-Jährigen. «Wir haben einen Jugendlichen, der getötet wurde, das ist nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen.» (sda/dpa)

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59 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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flausch
29.06.2023 05:55registriert Februar 2017
"Alleine in Nanterre, wo der jugendliche Autofahrer am Dienstagmorgen gestorben war..."

Man kann schon schreiben das er gestorben sei, korrekterweise wäre es aber fair und der Warheit entsprechend zu schreiben das er erschossen wurde. Manchmal ist es wichtig zu unterscheiden ob eine Person so ein wenig spontan aus dem Leben schied oder ob da einer massiv nachgeholfen hat. Sonst kommen da noch ein paar auf die Idee sie würden über dem Recht stehen so wie in Lausanne wo es als föllig normal erscheint das so spontan verstorben wird auch wenn zuvor schwere Gewalt eingesetzt wurde.
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uicked
29.06.2023 10:42registriert Oktober 2017
Play stupid games, win stupid prices. In einer Welt die auch gegenüber Polizisten immer brutaler wird, sind solche Vorfälle die logische Konsequenz.
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Guguus
29.06.2023 12:41registriert August 2021
Die Situation in diesen Vierteln wird sicher viel besser, wenn man alles abfackelt.
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