Das «Journal du Dimanche» ist das einzige eigenständige Sonntagsblatt Frankreichs und damit eine der wichtigsten Stimmen im Pariser Blätterwald. Am kommenden Sonntag wird das «JDD», wie es gerne genannt wird, zum vierten Wochenende in Folge nicht erscheinen. Das hat die Redaktion diese Woche mit einem überwältigenden Mehr von 96 Prozent der Stimmen beschlossen. Sie protestiert gegen die Berufung eines neuen Chefredaktors, Geoffroy Lejeune, dem das Etikett «rechtsextrem» anhaftet, seitdem er das ultrakonservative Magazin «Valeurs actuelles» geleitet hat.
Was die eher nach Mitte-Rechts neigende JDD-Redaktion vor allem aufgebracht hat, ist das Vorgehen des neuen Besitzers Vincent Bolloré. Der bretonische Finanzmann, der sich katholisch-konservativ nennt, hatte mit der Sanierung afrikanischer Häfen ein Vermögen gemacht. Neben dem JDD hat sein Medienunternehmen Vivendi andere Renommiertitel vom Lagardère-Konzern übernommen, so das Wochenblatt «Paris-Match», die Radiostation «Europe 1» und der Livesender «C News».
Sie alle tendieren politisch klar nach rechts; «C News» wird gar mit dem Trump-lastigen US-Sender «Fox News» verglichen. Diese Medien tragen mehr und mehr die Handschrift Bollorés, der dem rechten Ex-Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour nahestehen soll. Schon vor einem Jahr publizierte die Redaktion von «Paris-Match», einer früher unpolitischen Illustrierten, ein «Misstrauensvotum», nachdem Bolloré den ihm politisch missliebigen Chefredakteur ersetzt hatte.
Der Redaktionsstreik beim «Journal du Dimanche» zeugt nicht nur von einem politischen Richtungsstreit, sondern auch von einer tiefen Branchenkrise, in der wirtschaftliche und politische Interessen aufs Engste verknüpft sind. Die meisten Pariser Medien sind hoffnungslos verschuldet und nahe am Bankrott. Das Boulevardblatt «Le Parisien» und die linke «Libération» fahren jährlich bis zu 25 Prozent Defizit gemessen am Umsatz ein. Dem linksliberalen Intelligenzblatt «Le Monde» und dem konservativen «Le Figaro» geht es nicht viel besser.
Sie alle überleben nur dank massiver Staatshilfe in Form vielfältiger, wenig transparenter Direkt- und Quersubventionen. Bei der kommunistischen «L'Humanité» machen sie zum Beispiel 42 Prozent des Umsatzes aus. Aber natürlich schwächt diese finanzielle Hilfe auch ihre politische Unabhängigkeit von der Staatsführung - konkret von Präsidenten wie Emmanuel Macron, der auch schon mal selber zum Telefon greift, um den Autoren «kritischer» Artikel die Leviten zu lesen.
Noch stärker ist die Abhängigkeit von den direkten Zeitungsbesitzern. Unter ihnen sind heute fast nur noch branchenfremde Financiers, die anderweitig Milliardenvermögen gemacht haben. Der Luxusgütermagnat Bernard Arnault (LVMH) hat zum Beispiel das führende französische Wirtschaftsblatt «Les Echos» vom britischen Pearson-Verlag, dem Herausgeber der «Financial Times», übernommen. Ihm gehört auch «Le Parisien». Dieses früher unbedarfte Lokalblatt brachte in den jüngsten Vorstadtkrawallen, die durch einen tödlichen Polizeischuss ausgelöst worden waren, fast nur die Versionen der Polizei und ihres Ministers Gérald Darmanin, einem engen Macron-Vertrauten. Arnault, mit 149 Milliarden Euro einer der reichsten Erdenbürger, pflegt bei gemeinsamen Diners engen Kontakt zu Macron, zu dessen Wahl er auch offen aufgerufen hatte.
Einem anderen Medientycoon mit zehnstelligem Finanzpolster, dem - in der Westschweiz wohnhaften - Telekom-Investor Patrick Drahi (6.1 Milliarden Euro), gehören das bedeutendste französische Wochenmagazin «L'Express», der wichtigste Livesender BFM und kurioserweise auch die sehr antikapitalistische «Libération». Das Traditionsblatt «Le Figaro» wiederum gehört dem Erben Laurent Dassault (8 Milliarden); «Le Monde» steht unter der Kontrolle von Xavier Niel (5.7 Milliarden), der mit der Produktion von Pornoseiten reich geworden war. Er ist in der Schweiz bekannt als Eigentümer des Telekom-Unternehmens Salt. Ihm schnappte der Marseiller Reeder Rodolphe Saadé (35.6 Milliarden) vor einem Jahr die in Südfrankreich sehr verbreitete Regionalzeitung «La Provence» vor der Nase weg; auf die zweite französische Wirtschaftszeitung «La Tribune» hat er ein Vorkaufsrecht.
Gar nicht so klar ist die Frage, was diese gewieften Grossverdiener antreibt, in das Verlustgeschäft der französischen Presse zu investieren. Denn darum handelt es sich zweifellos, und dies trotz der weit verzweigten Staatshilfen. Die Auflagen und Werbeeinnahmen der französischen Titel sinken rapid. «Le Monde» brachte es in der Mittwochausgabe zum Beispiel fertig, auf 26 Zeitungsseiten keine einzige bezahlte Werbung zu publizieren.
Um das Geld geht es den neuen Medienmagnaten mitnichten oder nur indirekt. Eher versprechen sie sich über den Besitz renommierter Medientitel persönlichen oder - wie der Fall Bolloré zeigt - politischen Einfluss.
All diese Zusammenhänge treten durch den Streik beim «Journal du Dimanche» zutage. Er hat für die Beteiligten fast etwas Suizidäres, jedenfalls etwas Verzweifeltes. Einzelne Redaktionsmitglieder haben 400 Kulturschaffende zu einem Appell gegen den ultrarechten Chefredaktor mobilisiert; zum gleichen Zweck spannen sie auch Regierungsmitglieder ein - obwohl sie damit Gefahr laufen, Macrons politisches Spiel zu spielen.
Bolloré hält an «seinem» Chefredaktor fest. Mit einem persönlichen Vermögen von 8.6 Milliarden Euro hat er an sich einen längeren Atem als die streikenden Journalisten. Aber falls er genug hat von seinem neuen medialen Steckenpferd, wird er nicht zögern, das JDD eingehen zu lassen. (bzbasel.ch)
Wie bitte?
Stimmungsmache, die Möglichkeit auf Manipulation und das ganze wird noch zu einem grossen Teil vom Staat finanziert.
Sonnenklar, warum gewiefte Grossverdiener auf den Zug springen und abserbelnde Zeitungen zusammenkaufen.