Trotz wiederholter Demütigungen: Macron will mit Putin reden
Eins muss man Emmanuel Macron lassen: Er gibt nicht auf, auch wenn das Unterfangen hoffnungslos scheint. Der französische Präsident will mit Wladimir Putin über ein allfälliges Kriegsende sprechen. Es könne gerade jetzt «nützlich» sein, das Gespräch erneut zu suchen, um sich auf die Modalitäten einer Waffenruhe in der Ukraine zu einigen, sagte der Franzose letzte Woche. Und aus Moskau kam das Echo, der russische Präsident sei «bereit zum Dialog».
Kommt da vielleicht doch etwas in Bewegung? Macrons Ziel ist jedenfalls doppelt. Er will zum einen die Europäer in die Ukraine-Verhandlungen einbringen. Dies auch und gerade für den Fall, dass US-Präsident Donald Trump ihrer überdrüssig wird. Und Macron denkt dabei nicht an den diplomatischen Klappsitz, mit dem sich die Briten, Franzosen und Deutschen – letztere in der Person von Kanzlerberater Günter Sautter – bei den Verhandlungen in Miami (Florida) abfinden mussten. Die Amerikaner verhandeln dort getrennt mit Russen und Ukrainern. Die Gespräche wurden allgemein als «konstruktiv» eingestuft, erbrachten aber bisher keinen Fortschritt.
Deshalb will Macron seinen Kontakt in den Kreml auf höchster Ebene reaktivieren, wie vor und nach Kriegsbeginn im Februar 2022. Macron hatte damals keinen Aufwand gescheut, mit Putin im Gespräch zu bleiben. 15 meist stundenlange Telefongespräche führte er mit ihm. Noch wenige Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine flog er nach Moskau. Er erreichte aber nicht mehr als das Bild einer ungeheuren Erniedrigung: Als er im Kreml in den Sitzungsraum trat, erhob sich Putin nicht einmal, sondern wies ihn kalt an das andere Ende eines ellenlangen Tisches.
Später zirkulierte in Paris eine O-Ton-Aufnahme vom 20. Februar, also vier Tage vor Kriegsbeginn. Macron spielte seine letzte Karte, ein Treffen Putins mit dem damaligen US-Präsidenten Joe Biden. Der Russe hatte keine Zeit für solche Friedensschimären: «Um dir nichts zu verbergen», sagte er, «ich telefoniere aus einer Sporthalle, ich gehe gleich Eishockey spielen.»
Eine Demütigung folgt auf die nächste
Die abgrundtiefe Verachtung für den glücklosen französischen Präsidenten ging im Kreml weiter, als er den Kontakt ab Mitte 2022 selber mied. «Napoleon», nannte ihn Putin abschätzig. Letzte Woche bezeichnete er die europäischen Leader als «Ferkel»; Vizepräsident Dmitri Medwedew tat Macron wieder mal als «Tunte» ab.
Der französische Präsident steckt solche Beleidigungen weg. Die Dynamik der diversen Ukraine-Gespräche sei günstig, da sich «die Perspektive einer Waffenruhe und von Friedensverhandlungen abzeichne», verlautet aus dem Elysée. In einem ersten Schritt dränge sich ein bilaterales Telefongespräch zwischen Putin und Macron auf, bevor sie sich persönlich sähen.
Wobei in Alaska nicht einmal der potenzielle Friedensnobelpreisträger im Weissen Haus weitergekommen war. Trump und Putin stünden eben auf der gleichen Seite, kommt die Antwort aus dem Elysée; das verhindere jede Lösung.
Als Nuklearnation zu repsektieren
Macron kennt und duzt Putin seit acht Jahren. Er spricht sich zwar täglich mit seinen EU-Partnern Friedrich Merz und Keir Starmer ab. Sie zu einem Treffen mit Putin beizuziehen, hält der Franzose aber für falsch: Der Russe spreche am ehesten «von Mann zu Mann». Aber natürlich will le Président mit dem deutschen Kanzler, dem britischen Premier und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski «in völliger Transparenz», das heisst in engster Tuchfühlung bleiben.
Mag sein – doch woher nimmt Macron das europäische Mandat für ein Treffen mit Putin? So etwas braucht ein französischer Staatschef nicht. Am Sonntag erst hat Macron betont feierlich angekündigt, er werde seiner Nation ab 2038 einen Flugzeugträger bescheren. Frankreich sei eine Nuklearnation, die sich Respekt zu verschaffen wisse.
Auch Pariser Diplomaten warnen Macron vor seiner Hybris, die im Umgang mit einem wie Putin so rasch platze wie ein Luftballon. Überall herrscht Skepsis. Ob Donbass-Abtretung, Armee-Abbau, Nato-Njet und Sicherheitsgarantien für Kiew: Jede dieser russischen Forderung scheint momentan unüberwindbar hoch. Zu hoch selbst für den stolzen Kapitän eines Flugzeugträgers. (aargauerzeitung.ch)
