US-Präsident Donald Trump ist der Stargast des World Economic Forum (WEF). Er wird am nächsten Freitag die Abschlussrede halten. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass ein anderen ihm die Show stehlen wird: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wird zwei Tage früher in Davos auftreten. Während Trump mit seiner «America First»-Doktrin bei vielen Vertretern der globalisierten Wirtschaftselite auf Ablehnung stösst, darf Macron mit Applaus rechnen.
In den letzten Jahren wurden französische Präsidenten bei Auftritten auf der Weltbühne eher belächelt oder bemitleidet. Sofern man sie nicht komplett ignorierte. Frankreich galt als «kranker Mann» Europas. Während das einst schwächelnde Deutschland wieder erstarkte und Bundeskanzlerin Angela Merkel zur unbestrittenen Nummer eins in Europa aufstieg, verloren ihre französischen Pendants, ob sie Nicolas Sarkozy oder François Hollande hiessen, an Statur.
Das hat sich geändert. Heute ist Merkel geschwächt. Selbst wenn die grosse Koalition mit der SPD zustande kommt, ist sie eine Kanzlerin auf Abruf. Emmanuel Macron hingegen hat den Turbo gezündet. «Le Kid» nannte ihn das Nachrichtenmagazin «L'Express» nach seiner Wahl im Mai 2017 in Anspielung auf seine 39 Jahre, aber auch auf seine relative Unerfahrenheit.
Die Skeptiker sind verstummt. Dabei hatte sich Macron zu Beginn mit seiner forschen Art, mit der er etwa den respektierten Generalstabschef Pierre de Villiers absetzte, und seinem Reformeifer nicht nur Freunde gemacht. Seine Beliebtheitswerte sackten auf unter 40 Prozent. Es schien, als würde Macron das Schicksal seiner Vorgänger teilen, denen es ähnlich ergangen war.
Während Sarkozy und Hollande nicht aus dem Popularitätstief fanden, erlebt Macron einen Höhenflug. Laut einer aktuellen Umfrage sind 59 Prozent der Französinnen und Franzosen mit ihrem Staatschef zufrieden. Nur zwei Politiker liegen vor ihm, der Umweltminister und frühere Fernsehmoderator Nicolas Hulot und der konservative Ex-Regierungschef Alain Juppé.
Den Grund für den Stimmungswandel hat die deutsche Zeitung «Die Zeit» vielleicht am Besten auf den Punkt gebracht: «Jetzt liefert er auch noch.» Während «Sarko» eine grosse Klappe hatte und kaum etwas bewegte und Hollande aus Angst vor dem linken Flügel seiner sozialistischen Partei zauderte, treibt Macron seine im Wahlkampf angekündigten Reformen im Eiltempo voran.
Dabei hilft ihm die satte Mehrheit seiner Partei La République En Marche in der Nationalversammlung. Er kann weitgehend ungestört regieren. Seine Reformen, etwa die Lockerung des verkrusteten Arbeitsrechts und die weitgehende Abschaffung der Vermögenssteuer, sind keineswegs unumstritten. Aber den Franzosen imponiert, dass ihr Präsident eben nicht lafert, sondern liefert.
Emmanuel Macron ist der Anti-Trump. Der Amerikaner hat ausser der Steuerreform kaum etwas zustande gebracht. Er verharrt im Popularitätstief, auch wegen seiner unversöhnlichen Art. Dabei ist Macron nicht frei von Trumpschen Anwandlungen. Er beschimpfte Arbeitslose als «Faulenzer» und setzte sich mit seiner eigenen Steuerreform dem Vorwurf aus, ein «Präsident der Reichen» zu sein.
Für französischen Politiker kam dies in der Vergangenheit fast einem Todesurteil gleich. Nicht so im Fall von Emmanuel Macron. Zwei gewichtige Faktoren stützen seine Popularität. Die lange schwächelnde Wirtschaft wächst, die chronisch hohe Arbeitslosigkeit geht zurück. Auch das Defizit im Staatshaushalt sinkt, weshalb Macron auf Steuererhöhungen verzichten will.
Das positive Wirtschaftsklima wird auch im Ausland wahrgenommen. Laut einer Umfrage rechnen 72 Prozent der Führungskräfte multinationaler Unternehmen mit steigenden Investitionen in Frankreich. Die Grande Nation bietet gute Voraussetzungen. Sie verfügt dank einer grosszügigen Familienpolitik über eine vergleichsweise junge und gut ausgebildete Bevölkerung.
Mindestens so wichtig ist der miserable Zustand der Opposition. Die Sozialisten liegen am Boden, die konservativen Republikaner sind heillos zerstritten. Erst letzte Woche ging der populäre Alain Juppé mit Getöse auf Distanz zu seiner nach rechts gerückten Partei. Der Front National befindet sich in einem Zustand der Orientierungslosigkeit. Und der linksradikale Jean-Luc Mélenchon ist mit seinem Versuch, die «Strasse» gegen Macrons Reformen zu mobilisieren, kläglich gescheitert.
Für die «Deutsche Welle» ist Macron auch darum so beliebt: «Viele Franzosen sehen zu ihm einfach keine Alternative.» Der Präsident will diese «Alternativlosigkeit» für weitere Reformen nutzen. Dabei schreckt er auch vor heissen Eisen nicht zurück, etwa der Altersvorsorge. Im Kampf um die Renten könnten die Franzosen doch noch in Massen auf die Strasse gehen.
Den jungen Staatschef, dessen Selbstbewusstsein manchmal in Arroganz umschlägt, wird das nicht stoppen. Auch für die Europäische Union hat der überzeugte Europäer grosse Reformpläne. Seinen Status als neue Führungsfigur auf dem Kontinent unterstreicht etwa die Tatsache, dass Österreichs neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz zuerst nach Paris und dann nach Berlin reiste.
Am 10. Mai, ein Jahr nach seiner Wahl, wird Emmanuel Macron in Aachen den Karlspreis in Empfang nehmen. Die nach Karl dem Grossen benannte Auszeichnung geht an Persönlichkeiten, die sich um die europäische Einigung verdient gemacht haben. Macrons Ehrung nach einer derart kurzen Amtszeit sorgt auch für Stirnrunzeln. Manche fühlen sich an Barack Obama erinnert, der ein Jahr nach seiner Wahl den Friedensnobelpreis erhielt. Was keine so gute Idee war.
Bei Macron ist das Risiko geringer. Vielmehr sind die Voraussetzungen günstig, dass sein Höhenflug anhalten wird. Die vorerst grösste Gefahr besteht darin, dass er zu sehr abhebt.